Die deutsche Energiewende - Ein Jahr nach Fukushima

Bundestagsrede vom 8. März 2012

Hier können Sie den Videomitschnitt der Rede ansehen.

Josef Göppel (CDU/CSU):

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Energiewende ist die historische Konsequenz aus dem Unfall von Fukushima. Die würdigste Art, der Opfer zu gedenken, ist, den Weg in eine neue Energiepolitik einzuschlagen, die solche Opfer in der Zukunft unmöglich macht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dorothée Menzner (DIE LINKE))

Das ist der Weg der deutschen Energiewende.
Ich finde es schon bemerkenswert, und es freut mich, wenn eine Grüne hier sagt, sie gehe als Botschafterin Deutschlands nach Japan und Deutschland werde in der Welt bewundert. In der Tat: Das deutsche Experiment wird in der Welt skeptisch und hoffnungsvoll beobachtet. Das ist auch kein Wunder; denn kein anderes Land hat eine solche Konsequenz aus diesem Unfall gezogen. Frau Kotting-Uhl, ich meine, Sie sollten sich in dem Punkt korrigieren: Sie müssen nicht auf Worte von Frau Merkel warten, weil Frau Merkel mit der Tat geantwortet hat. Die deutsche Energiewende ist vollzogen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Man muss allerdings sagen, dass das nicht möglich gewesen wäre, wenn nicht die deutsche Bevölkerung über Jahrzehnte diese Grundstimmung aufgebaut hätte. Nur diese Grundstimmung hat es ermöglicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Diese Grundstimmung darf uns veranlassen, in diesem Zusammenhang zu sagen: Wir sind stolz auf unser Land und unsere Bevölkerung; denn dem Weg, mit dem die Deutschen Zukunftsgerichtetheit ausdrücken, möchten viele andere Länder folgen. Das erleben alle, die international unterwegs sind.
Darüber hinaus muss man feststellen: Ein Jahr nach diesem Ereignis haben uns die Alltagsprobleme eingeholt. Für mich lautet der wichtigste Satz aus dem Beschluss des Koalitionsausschusses vom vergangenen Sonntag: Wir müssen sicherstellen, dass wieder eine ausreichende finanzielle Ausstattung des Klimafonds hergestellt wird. - Das heißt nichts anderes, als dass wir auf europäischer Ebene eine Heraufsetzung des Klimaziels von 20 auf 30 Prozent brauchen

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

und dass die vagabundierenden, überschüssigen Zertifikate eingesammelt werden.

Auch an dieser Stelle freut mich der Beifall der Opposition; denn Deutschland hat erklärt, dass auf nationaler Ebene eine CO2-Minderung von 40 Prozent beschlossen wurde und dass Deutschland diese Ankündigung auch in den Brüsseler Verhandlungen aufrechterhält. Wir wissen, dass es im Moment drei osteuropäische Länder gibt, nämlich Polen, Bulgarien und Rumänien, die sich mit ihrem Veto gegen diese Maßnahmen stemmen. Für uns ist das existenziell, weil Deutschland 100 Prozent seiner Einnahmen aus dem Emissionshandel in den Klimafonds steckt, während der Durchschnitt auf europäischer Ebene bei nur 50 Prozent liegt. Es kommt entscheidend darauf an, dass wir hier einen Durchbruch erzielen; das muss an dem einjährigen Gedenktag der Energiewende deutlich gemacht werden. Die Berliner Bühne ist dafür nur begrenzt ausschlaggebend; maßgeblich ist hier die europäische Ebene.
Was sich hier abspielt, ist im Kern eine technologische Wende, die die Politik nur nachvollzogen hat; denn die Fortschritte in der Mikroelektronik sind es, die eine kleinteilige Energieversorgung möglich machen. Der Weg führt von den zentralen Großkraftwerken zur kleinteiligen Energieversorgung. Der Weg führt auch von den anonymen Aktienpaketen zum breiten Volkseinkommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es ist doch völlig klar, dass es da Widerstände gibt; denn das führt zu Verschiebungen in der Wertschöpfungskette. Ich sitze für eine Partei im Deutschen Bundestag, für die CSU, die für ein breit gestreutes Einkommen, für den Mittelstand und für das Handwerk eintritt. All das wird mit der Energiewende erreicht.
Wir erleben eine echte Volksbewegung in der Gründung von Energiegenossenschaften. Wir erleben auch, dass die Marktdurchdringung die Preise sinken lässt. Es ist eine Tatsache, dass im Jahr 2011 der durchschnittliche Großhandelsstrompreis an der Leipziger Börse von 6,0 auf 5,5 Cent je Kilowattstunde gefallen ist, weil die Erneuerbaren die Mittagsspitzen brechen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Auch das muss im Zusammenhang mit der Diskussion um eine EEG-Umlage in Höhe von 3,5 Cent je Kilowattstunde gesagt werden; denn dies ist immer nur ein Differenzbetrag.

Natürlich muss man auch über die Befreiungen diskutieren. Ich bin für die Befreiung unserer energieintensiven Betriebe, damit sie wettbewerbsfähig bleiben. Aber man darf über diese 3,5 Cent nicht ohne Berücksichtigung der preissenkenden Wirkung der erneuerbaren Energien und der kostenerhöhenden Wirkung der Befreiungen diskutieren. Das muss auch einmal gesagt werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Insbesondere die Entwicklung im Bereich der Solarenergie ist eine Erfolgsgeschichte. Wenn wir die Novelle, die morgen in erster Beratung im Parlament behandelt wird, beschließen, dann beträgt die durchschnittliche Vergütung für eine Kilowattstunde Solarstrom 17 Cent; sie ist damit 1 Cent billiger als eine Kilowattstunde Windstrom von der See. Das ist eine technologische Erfolgsgeschichte, die langfristig anhalten wird. Warum? Im Bereich der erneuerbaren Energien gibt es ein besonderes Charakteristikum. Man hat eine hohe Anfangsinvestition, aber im weiteren Verlauf sind die Betriebskosten niedrig; denn der „Brennstoff“ für Wind und für Solar kostet nichts. Das bedeutet: Wenn erst einmal investiert wurde und die anfallenden Kosten abgeschrieben sind, dann kommt es tendenziell zu sinkenden Strompreisen. Das ist eine positive Aussicht für die Verbraucher. Deswegen ist der eingeschlagene Weg richtig, und es ist gut, dass er entschlossen gegangen wird.

(Beifall des Abg. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich möchte noch einmal auf die Energiegenossenschaften zu sprechen kommen, die sich im ganzen Land bilden. Das ist nicht nur etwas für die ländlichen Räume. Wir sollten auch entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, damit sich Mieter in den Großstädten zum Beispiel an Solaranlagen auf den Dächern beteiligen können, die die Häuser dann unmittelbar mit Strom versorgen. Die Zukunft liegt in der zellenartigen Struktur, in der kleinteiligen Stromversorgung, die die Belastung der großräumigen Netze verringert und auf diese Art und Weise Wertschöpfung und Einkommen vor Ort schafft.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)