Regionales Wirtschaften hat Zukunft

Rede zur Eröffnung der Wirtschaftsausstellung Kontakta in Ansbach
am 31. August 2010


Die Kontakta 2010 ist nicht nur räumlich vom Rand in die Stadtmitte gezogen, sondern sie greift auch Themen aus der Mitte des Lebens auf: Energie – Familie und Soziales – Frauen. Was auf den ersten Blick willkürlich zusammengesetzt erscheint, weist sehr aktuelle politische Gemeinsamkeiten auf.

Energie

Alle spüren, dass wir auf dem Energiesektor in einem Epochenwechsel stehen, von den zentralen Großkraftwerken zur dezentralen Energiegewinnung. Es ist der dritte große technologische Sprung nach dem Wandel vom Holz zur Kohle im 19. Jahrhundert, zum Öl im 20. Jahrhundert, nun zu den erneuerbaren Energiequellen im 21. Jahrhundert. An erster Stelle muss dabei die Senkung des Energieverbrauches stehen. Das kostet Geld, aber es bringt auch schnelle Einsparungen und vor allem Arbeitsplätze in Handwerk und Mittelstand. Hier ist ein Seitenblick auf den Zusammenhang von Energie und Material angebracht. Je mehr Material wir bewegen, desto höher ist der Energieaufwand. In der Zukunft kommt es darauf an, den gleichen Nutzen mit weniger Materialaufwand zu erzielen. Die Produkte der Zukunft müssen leichter, zierlicher und haltbarer werden.

Erneuerbare Energien brauchen Fläche, Dachflächen, Felder, Waldflächen. Ländliche Räume haben Fläche. Deshalb ist mit den erneuerbaren Energien eine wirtschaftliche Stärkung der ländlichen Räume verbunden. Für den Landkreis Ansbach hat eine Analyse ergeben, dass seine Strom- und Wärmeversorgung bis 2020 komplett aus der eigenen Fläche erfolgen kann; die Vision ist: Jedes Haus wird ein kleines Kraftwerk, das in Verbindung mit Elektrofahrzeugen mehr Energie erzeugt, als es verbraucht. Aus dem Landkreis Ansbach fließen zurzeit jährlich rund 400 Millionen Euro pro Jahr für Energiezukauf ab. Bei entschlossenem Handeln ist es realistisch möglich, bis 2020 die Hälfte davon einzusparen. Diese 200 Millionen pro Jahr verbleiben dann in den Taschen von Hausbesitzern, Landwirten, Waldbauern, Handwerkern und Mittelstandsunternehmen der eigenen Region. Hier wird ein Wesenszug der erneuerbaren Energien deutlich. Ihre Anwendung ist mit einer breiten Eigentumstreuung verbunden. Die Erträge fließen nicht anonymen Großaktionären zu, sondern schaffen Einkommen und Arbeitsplätze für einen breiten Querschnitt der einheimischen Bevölkerung. Es ist sinnvoll, in Energieeinsparung und erneuerbare Energien zu investieren. Das steigert den Wert des eigenen Hauses oder Betriebes und es ist eine Investition in die Realwirtschaft, nicht in unsichere Finanzanlagen. Die Geldvermögensbildung in Stadt und Landkreis Ansbach beträgt rund 330 Millionen Euro pro Jahr. Es ist also genügend regionales Kapital vorhanden. Mit den erneuerbaren Energien bekommt die Uridee von Raiffeisen eine neue hochaktuelle Bedeutung. Zu ersten Mal ist es möglich, mit vielen kleinen Beträgen von Normalverdienern eine eigenständige regionale Energieversorgung aufzubauen. „Das Geld des Dorfes dem Dorfe“ war der Leitspruch von Raiffeisen. Heute heißt das, „Das Geld aus der Region in der Region investieren“ - ein Investment unter den Augen, man sieht was man finanziert. Die Gründung von Energiegenossenschaften ist bundesweit im Gang. Wir müssen aufpassen, dass wir dabei nicht zu spät kommen. Nach dem Auslaufen der EEG-Förderung haben die vielen kleinen Stromerzeuger allein keine Chance, bei der Strombörse in Leipzig einen guten Preis zu erhalten. Sie müssen ihr Angebot bündeln und zu den Tageszeiten verkaufen, in denen der Strombedarf hoch ist. Den Energiehandel der Zukunft kennzeichnet am besten das Bild eines Fischschwarmes, bei dem zehntausende von Fischen auf ein unsichtbares Signal hin plötzlich die Richtung ändern können. So müssen auch Millionen kleiner Energieerzeuger ihr Angebot blitzschnell dem Verbrauch anpassen. Das erfordert ausreichend große Zwischenspeicher. Hier liegt immer noch der entscheidende Schwachpunkt erneuerbarer Energien.

Erneuerbare Energien haben eben auch Schattenseiten. Hier sind Mais-Monokulturen zu nennen oder weite Transporte von Gülle und Grünmasse zu Biogasanlagen. Solche Fehlentwicklungen muss der Bundesgesetzgeber durch kluge Rahmensetzung eingrenzen. Alle Mängel der erneuerbaren Energien wiegen jedoch leicht im Vergleich zu der tödlich strahlenden Erblast, die wir mit der Atomenergie unseren Nachkommen hinterlassen. Die Spaltung des Atomkerns ist keine Technologie, die man auf Dauer verantworten kann. Verlogen ist darüber hinaus die Behauptung vom billigen Atomstrom. Die bisherigen Subventionen aller Steuerzahler für den Atomstrom belaufen sich auf 7,5 Cent pro Kilowattstunde. Für die erneuerbaren Energien sind es 2 Cent.

Familie und Soziales

In den letzten 20 Jahren wuchs weltweit die Ungleichheit. Die Schere zwischen Reich und Arm geht weiter auseinander. Die Mittelschicht schmilzt. Auch in Deutschland lebt inzwischen jeder Siebte unter der Armutsschwelle. Besonders die junge Generation ist von globalisierten Wirtschaftsmethoden betroffen. Jede zweite Neueinstellung in Deutschland ist befristet. Von den jungen Leuten wird extreme Mobilität verlangt. Ihre Lebensplanung und Familiengründung wird immer schwieriger. Auch aus diesem Grund brauchen wir einen größeren Anteil regionalwirtschaftlicher Kreisläufe. Dazu können wir selber alle beitragen, indem wir die Wirtschaft in der Region leben lassen, indem wir heimischen Erzeugnissen und Dienstleistungen den Vorzug geben. Damit stärken wir uns letztlich selbst - über die Bereitstellung von Ausbildungsplätzen, über mehr qualifizierte Arbeitsplätze in der Region und über den Wert unserer Grundstücke und Häuser. In einer Gegend mit pulsierendem Leben haben auch Immobilien einen höheren Wert.

Der Regionalgedanke als Gegenkraft zur Globalisierung wächst auf allen Kontinenten. Wir brauchen einen kulturellen Gegenentwurf zum anonymen Kapital, zur Produktion mit Niedriglöhnen, zum Raubbau an der Natur. Die Macht der Verbraucher ist dabei das wirksamste Mittel. Ökologisch fair und regional – daran sollten sich Kaufentscheidungen ausrichten. Unter welchen Arbeitsbedingungen wurde die Hose oder die Bluse, die du trägst, hergestellt? In einer globalisierten Wirtschaft brauchen wir eine weltweite soziale Verantwortung. Für die Politik heißt das, wir brauchen einen weltweiten Siegeszug der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft, nicht ihren Rückzug. Der Markt braucht Grenzen, soziale und ökologische Grenzen. Wohin ein Markt ohne Regeln führt, haben wir bei der weltweiten Finanzkrise erlebt. Letztlich mussten auch da wieder die Normalverdiener zur Rettung einspringen. Die neoliberale Ideologie ist genauso ein Irrweg wie die kommunistische Staatswirtschaft. Maß und Mitte sind mehr denn je nötig.

Auf unsere Region übertragen heißt das, wir brauchen Entwicklung von innen heraus. Die mittelständischen Unternehmen und Handwerksbetriebe in Stadt und Landkreis Ansbach sind unser wirtschaftliches Rückgrat. Sie haben in der Krise ihre Mitarbeiter weitgehend gehalten. Die beste Wirtschaftsförderung ist deshalb, die vorhandenen Betriebe zu unterstützen und zu stärken. Die bloße Ausweisung von Flächen verbunden mit der Erwartung, dass das Heil von außen kommt, führt dagegen immer weniger zum Erfolg.

Frauen

Zur Lösung der ökologischen und sozialen Probleme unserer Zeit kann der weibliche Blick viel beitragen. Frauen sehen anders. Ich hatte das Glück, durch eine Frau und vier Töchter in den letzten 30 Jahren so weit erzogen zu werden, dass ich eine Ahnung vom weiblichen Denken und Fühlen habe. Ihr zusammenschauendes vernetztes Denken ist genau das, was der kopfgesteuerten Männerwelt weiterhelfen kann. Männer und Frauen sind gleichberechtigt – so steht es in unserem Grundgesetz. In der Realität hat aber das Geschlecht noch immer einen zu großen Einfluss auf Lebenschancen. Sicher hat sich bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den letzten Jahren manches verbessert. Hier ist das Elterngeld zu nennen oder beispielhaft auch die Familieninitiative im Landkreis Ansbach. Besonders in ländlichen Räumen setzen Entfernungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer noch zu starke Grenzen. Wir brauchen einen flexiblen öffentlichen Nahverkehr mit kleineren Fahrzeugen, Rufbussen und Mobilitybörsen im Internet. Die Nachricht, dass Frauen für die gleiche Arbeit immer noch niedrigere Löhne als Männer bekommen, zeigt, dass der Wandel im Denken noch nicht weit genug vorangekommen ist. Vielleicht helfen da die Vätermonate beim Elterngeld oder Quoten bei Führungspositionen. Bei aller Notwendigkeit einer gerechteren  Einbeziehung von Frauen in die bezahlte Erwerbsarbeit dürfen wir den Wert der unbezahlten Erziehungs- und Familienarbeit nicht zu kurz kommen lassen. Die Frau als Mitte der Familie ist auch in Zeiten der Globalisierung, des Internets und des gesellschaftlichen Wertewandels nach meiner Meinung unverzichtbar.



Dank

Ich schließe mit einem Kompliment an Frau und Herrn Schmid. Sie haben die Kontakta Ansbach in die Mitte der Stadt geholt und sie greifen zentrale Lebensfragen auf. Der Besuch dieser Ausstellung lohnt sich für die gesamte Bevölkerung.