Kooperativen Naturschutz stärken

Bundestagsrede am 20. März 2009

Hier können Sie den Videomitschnitt der Rede sehen.

Hier können Sie die Antwort auf die Zwischenfrage sehen.

Josef Göppel (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Große Koalition ist besser als ihr Ruf! Das zeigt sich daran, dass alle materiell-rechtlichen Festlegungen im Umweltgesetzbuch - trotz manchen Schlingerns zwischendurch - noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Die Umweltpolitiker aller Fraktionen hätten mit dem Rahmenrecht im Naturschutz gut leben können. Aber die Strategen der Föderalismusreform meinten im Jahr 2006, dass der Bund auch im Bereich des Naturschutzes und der Wasserwirtschaft die konkurrierende Gesetzgebung haben müsse. Daraus folgt nun eben ein Vollgesetz. Es ist kein Wunder, dass zahlreiche Verschleppungsversuche eingesetzt haben und dass bis zum heutigen Tag aus der Sicht der Landnutzung immer wieder Verbesserungen gewünscht wurden. Diese Verbesserungen hat - fast bis zur Selbstaufgabe - das Umweltministerium zugestanden. Es geht um bauliche Nutzungen unseres Landes. Es geht um die landwirtschaftliche, die forstwirtschaftliche und die fischereiliche Nutzung. Vieles von dem ist sinnvoll, weil wir eine gute Nutzung unseres Landes brauchen.
Auf der anderen Seite muss ich sagen: Aus Naturschutzsicht ist der Entwurf gerade noch vertretbar. Weitere Aufweichungen kann es jetzt nicht geben, weil sonst die Balance verloren gehen würde und der Grundsatz, den wir damals aufgestellt haben, nämlich gegenüber dem geltenden Recht keine Veränderungen an den Standards vorzunehmen, in eine Schieflage käme.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit der Vorsitzenden der zuständigen CDU/CSU-Arbeitsgruppe, Frau Marie-Luise Dött, dafür danken, dass Sie in diesem langen Prozess des Abwägens mit den Interessen der Landnutzer sehr klug auf die einzelnen Detailvorschläge eingegangen ist, sodass wir mit dem Entwurf eine Vorlage haben, die, wie ich schon sagte, noch vertretbar ist.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, Landnutzung in einem dicht besiedelten und hochindustrialisierten Land erfordert immer auch, dass Rücksicht auf die natürlichen Lebensgrundlagen genommen wird. Eine Wirtschaftsentwicklung, die auf den gesunden Naturhaushalt keine Rücksicht nehmen würde, hätte auf Dauer keinen Erfolg. Wenn man die Entwicklung einzelner Regionen in Europa unter dem Blickwinkel des Standortwettbewerbs anschaut, dann sieht man, dass die Räume am meisten prosperieren, deren Entwicklungsphilosophie die Rücksicht auf eine intakte Natur und gesunde abiotische Lebensgrundlagen enthält. Aus diesem Grunde ist dieses Gesetzesvorhaben im Bereich Naturschutz und Wasserwirtschaft jetzt so wichtig.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Gerd Bollmann (SPD))
Ich persönlich möchte Sie bitten, dass wir einen Punkt noch besonders bedenken. Das ist die kooperative Einbeziehung der ortsansässigen Landwirte in Naturschutz und Landschaftspflege. Ich bin der Meinung, je mehr wir die ortsansässigen Landwirte in die praktische Landschaftspflege einbeziehen, desto mehr Bereitschaft finden wir bei der ganz normalen Bewirtschaftung, Rücksicht auf die Natur zu nehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
In Landschaftspflegeverbänden, in biologischen Stationen in Nordrhein-Westfalen, in den regionalen Bündnissen für Landnutzung in Schleswig-Holstein oder in Landschaftserhaltungsverbänden in Baden-Württemberg arbeiten jährlich 20 000 Landwirte aktiv für den Naturschutz. Diese Arbeit hat eine ganz wichtige Brückenfunktion in die Landwirtschaft hinein. Deswegen meine ich, dass wir das Kooperationsprinzip, das freiwillige Miteinander, verstärken sollten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Insgesamt können wir uns, Herr Minister Gabriel, mit diesem Gesetz in Europa sehen lassen. Wenn wir von Indonesien und Brasilien die Erhaltung von Regenwäldern verlangen, dann werden wir immer wieder gefragt, was wir in unserem eigenen Land tun. Ich erinnere an das Wort eines Abgeordneten aus dem Kongo, der uns sagte: Da, wo jetzt Ihr Reichstag steht, war einmal Erlenbruchwald.   Das Wort hat er extra gelernt. Wenn man das erlebt, dann muss man schon sagen, dass wir international eine Verpflichtung haben, einen Weg aufzuzeigen, wie Wirtschaftsentwicklung im Einklang mit der Natur ereicht werden kann. Herr Minister Gabriel, bei der Eingriffsregelung ist es wirklich unverzichtbar, dass vom abweichungsfesten Grundsatz nicht abgewichen wird und dass Eingriffe vom Verursacher ausgeglichen werden müssen, insbesondere da der FDP-Umweltminister des Landes Niedersachsen ganz unverhohlen ankündigt, genau diesen Rückzug von der Eingriffsregelung zu ermöglichen.
(Horst Meierhofer (FDP): Der hat im Gegensatz zu Herrn Söder dem Umweltgesetzbuch zugestimmt!)
Der Träger des alternativen Nobelpreises Michael Succow hat vor kurzem in einer Rede in der Michael-Otto-Stiftung gesagt: Lassen wir die Natur unverändert, dann können wir nicht existieren, zerstören wir sie, dann gehen wir zugrunde.   Sinngemäß sagte er weiter: Die Gratwanderung, um die es jetzt geht, besteht darin, ein Wirtschaften im Einklang mit den natürlichen Lebensgrundlagen zu finden.   Um nichts weniger geht es bei den heutigen Gesetzesberatungen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

 

Michael Kauch (FDP):
Frau Präsidentin, Frau Humme, ich hätte das auch eher geschafft.
Lieber Kollege Göppel, ich möchte eine Sache klarstellen, weil ich nicht möchte, dass es an dieser Stelle zu einer Legendenbildung kommt, und lege der Unionsfraktion gerne den Sachstand dar: Die niedersächsische Landesregierung, im Übrigen nicht nur der FDP-Umweltminister, hat uns einen Brief geschrieben, in dem es ihr um den abweichungsfesten Kern bei der Eingriffsregelung geht. Die niedersächsische Landesregierung greift nicht die Eingriffsregelung als solche an, sondern stellt die Frage, ob es nicht ausreichen würde, wenn der Bund in der Eingriffsregelung einfach nur festlegt, dass Eingriffe in die Natur ausgeglichen werden müssen. Der Bund will nun darüber hinaus aber auch die Hierarchie der Maßnahmen regeln, also zum Beispiel Ersatzgeldzahlungen nur eine nachrangige Rolle zukommen lassen. Das kritisiert die niedersächsische Landesregierung. Man kann, wie ich denke, sehr wohl darüber diskutieren, ob solche Festlegungen unbedingt zum abweichungsfesten Kern gehören müssen.
Wir als FDP-Bundestagsfraktion haben anders als die Unionsfraktion gegen die Föderalismusreform gestimmt, unter anderem wegen der darin enthaltenen Regelungen zum Naturschutz. Wir waren nämlich der Meinung, das sollte der Bund regeln. Nachdem man nun aber eine entsprechende Grundgesetzänderung vorgenommen hat, sollte man nicht versuchen, über die Hintertür eines Einzelgesetzes die Folgen dieser Grundgesetzänderung wieder auszuhebeln. Ich denke, es gehört zu einem fairen Umgang dazu, dass man der niedersächsischen Landesregierung zugesteht, über diese Fragen diskutieren zu wollen.
(Beifall bei der FDP)

Josef Göppel (CDU/CSU):
Herr Kollege Kauch, ich bedanke mich für diese Klarstellung und stelle meinerseits fest, dass die nun gefundene Formulierung im Gesetzentwurf genau diesem Anliegen entspricht. Wenn wir darüber Einigkeit erzielen könnten, würde ich mich sehr freuen.
Es geht ja darum, dass das Verursacherprinzip gilt. Dies drückt sich eben auch in der Formulierung des abweichungsfesten Kerns aus. Im Gesetzentwurf sind ja Flexibilisierungen enthalten. So muss ein Eingriff nicht mehr am selben Ort ausgeglichen werden. Das bedeutet, dass Baumaßnahmen in Berlin zum Beispiel in einer Zone zwischen der polnischen Grenze und der niedersächsischen Landesgrenze, also im Naturraum Brandenburger Platten- und Hügelland, ausgeglichen werden können. Neben dieser erheblichen räumlichen Flexibilisierung gibt es auch eine zeitliche Flexibilisierung, weil Eingriffe künftig auch schon vor dem eigentlichen Eingriff über das neue Instrument eines bundesweiten Ökokontos ausgeglichen werden können.
Im Übrigen bedanke ich mich auch sehr für die positiven Worte Ihres Sprechers Meierhofer bezüglich möglicher weiterer verfahrensrechtlicher Regelungen. Wir wissen ja nicht, ob wir auf diese nicht in einer möglichen anderen Konstellation in der nächsten Legislaturperiode noch zurückgreifen werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)