Land schafft Tourismus

Eröffnungsrede zum Deutschen Landschaftspflegetag 2008
in Eisenach am 08.10.2008

Josef Göppel MdB
Vorsitzender des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege


Meine Damen und Herren, liebe Gäste,

Land schafft Tourismus! Die Doppeldeutigkeit des Mottos für diesen Landschaftspflegetag drückt die Bedeutung attraktiver Landschaften für den Tourismus aus. Die 146 deutschen Landschaftspflegeverbände bieten deshalb der Tourismuswirtschaft eine verstärkte Zusammenarbeit an. Wir wollen den Urlaub in Deutschland stärken, weil die Menschen unsere vielfältigen heimatlichen Landschaften damit besser kennen und schätzen lernen. Man schützt und bewahrt schließlich nur das, was man als wertvoll erkannt hat. Mehr als 20.000 Landwirte arbeiten im Auftrag der Landschaftspflegeverbände jährlich in Deutschland an Projekten, mit denen die typischen landschaftlichen Eigenarten der einzelnen Regionen für die Zukunft bewahrt und für die Gegenwart besser sichtbar gemacht werden. Wir wollen die Besucher hinführen an die schönsten Orte und Einblicke ermöglichen, aber so, dass der Zauber des Unberührten erhalten bleibt. Das Leben der Pflanzen und Tiere soll sich vor dem Auge des Betrachters ungestört entfalten. Die dazu erforderliche Rücksichtnahme und Behutsamkeit bilden einen Schwerpunkt in den Umweltinformationen der Landschaftspflegeverbände.

Landschaft hat viel mit Seele zu tun. Der unmittelbare Blick auf eine steile Uferwand im Saaletal oder einen Berghang des Harzes spricht uns mit viel größerer Macht an, als alles Geschriebene oder Gefilmte. Landschaften haben auch mit Zeit zu tun. In hektischen und lärmerfüllten Zivilisationslandschaften bedrängt uns das Nächstliegende. Was muss jetzt noch schnell erledigt werden? Beim ruhigen Blick über eine weite Feldflur oder durch die Kronen alter Bäume kommen uns Gedanken wie „Was werde ich in zwei Jahren tun? Welche neuen Chancen bieten sich?“ Naturnahe Landschaften helfen uns, Ordnung in unsere Gedanken und in unser Leben zu bringen. Sie erfüllen uns mit Gelassenheit und Zufriedenheit. Wir fassen wieder Mut.

Das heutige Verständnis von Landschaftspflege schließt den Menschen ausdrücklich ein, denn gerade im Druck der technischen Zivilisation mit ihren immer schnelleren Zeittakten brauchen die Menschen den Blick hinaus in die Natur mit ihrem ruhigen Zeitmaß. Nur dann werden sich immer genügend Menschen finden, die für den Schutz der natürlichen Lebenswelt eintreten.

Der Kern unseres Tuns ist die Freude. Ich spüre immer wieder, dass die in den Landschaftspflegeverbänden tätigen Menschen bei allen Schwierigkeiten ihrer Alltagsarbeit aus der Freude an der Natur heraus ihre Arbeit tun. Sie sind engagierte Idealisten. Dafür danke ich ihnen herzlich. Das macht das Besondere an der Landschaftspflegebewegung aus. Sie ist kein Interessenverband, der sich Vorteile erwirken will, sondern sie besteht aus Frauen und Männern, deren Hauptanliegen die Sicherung unseres natürlichen und kulturellen Erbes und die Bewahrung der faszinierenden Lebewelt der wilden Pflanzen und Tiere inmitten unserer Zivilisation ist. Wir bitten deshalb die Vertreter der Wissenschaft, der Behörden, der Ministerien und heute auch besonders der Tourismuswirtschaft, sich an dieser Aufgabe zu beteiligen. Die Resolution zur Zusammenarbeit von Landschaftspflege und Tourismus betont genau diesen Zusammenhang: Ländliche Räume mit attraktiven Landschaften brauchen den Tourismus als Wirtschaftsfaktor und gleichzeitig sind jene Landschaften die Grundlage für den Tourismus. Die Deutschen Landschaftspflegeverbände bieten dem Tourismus ihre Erfahrung an, um unsere einheimischen Regionen zu noch interessanteren Gastgebern zu machen.

Der Deutsche Landschaftspflegetag 2008 widmet sich neben der Zusammenarbeit mit dem Tourismus drei wichtigen aktuellen Sachfragen.

1.    Das neue Gesetz über die erneuerbaren Energien stärkt kleine bäuerliche Biogasanlagen, die Nutzung landwirtschaftlicher Reststoffe und es führt einen Sonderbonus für Landschaftspflegematerial ein. Unterstützen Sie die neuen Möglichkeiten in Ihrer Region! So lässt sich zusätzliche Wertschöpfung aus der Landschaftspflege gewinnen.

2.    Der politisch erwünschte Anbau von Energiepflanzen und Wegfall der Flächenstilllegung schaffen einen Nutzungsdruck, der die Balance zwischen Landwirtschaft und Naturschutz aktuell massiv zu dessen Lasten verschiebt. Auch wenn die Abschaffung der verpflichtenden Flächenstilllegung agrarpolitisch richtig war, fürchten wir die ökologischen Folgen. Sie werden durch enge Fruchtfolgen mit zunehmenden Maisanteilen verschärft. Gemeinsam mit der Landwirtschaft müssen wir hier Lösungen finden, die den Erfolg der Agrarumweltprogramme aus den letzten 20 Jahren nicht zunichte machen. Der DVL bemüht sich in einem gerade angelaufenen Forschungsprojekt zum Beispiel um den Anbau wirtschaftlich attraktiver und gleichzeitig naturverträglicherer Pflanzenmischungen für Biogasanlagen.

Die Landwirtschaft muss an der Bewahrung der biologischen Vielfalt ein existenzielles Interesse haben, weil sonst die Mittel für die ländlichen Räume in Brüssel keine Mehrheit mehr finden. Die Honorierung der ökologischen Leistungen der Landwirtschaft ist das zentrale gemeinsame Anliegen von Umweltschützern und Bauern. Nur gemeinsam werden wir dabei Erfolg haben!

Ich nenne dafür als Beispiel Schleswig-Holstein. Dort hat der DVL zusammen mit der Landesregierung ein Kooperationsmodell entwickelt, das den einzelnen Regionen große Freiräume gibt, die Umsetzung von Natura 2000 selbst in die Hand zu nehmen. Die ambitionierten Umweltvorgaben aus Brüssel wurden in Kiel konstruktiv aufgegriffen und mit dem Modell der lokalen Bündnisse beantwortet. EU-Umweltkommissar Stavros Dimas und der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Gert Sonnleitner haben das Schleswig-Holsteiner Konzept inzwischen als beispielhaft gewürdigt. Das Konzept der lokalen Bündnisse beweist auch, dass wir keine Änderung der FFH-Richtlinie brauchen, sondern dass es viel sinnvoller ist, vor Ort gemeinsam an eine örtlich angepasste Umsetzung zu gehen.

3.    In Berlin laufen die Detailberatungen zum Umweltgesetzbuch. Es soll eine integrierte Vorhabensgenehmigung einführen und das bisherige Wasser- und Naturschutzrecht der 16 Bundesländer zusammenfassen. Die Föderalismusreform hat dem Bund im Wasser- und Naturschutzrecht die konkurrierende Gesetzgebung zugewiesen. Grundlegende Vorgabe ist, dass fachliche Standards nicht verschärft, aber auch nicht abgesenkt werden sollen. Der DVL hat in der Verbändeanhörung einen Vorschlag zur Verankerung der Arbeit von Landschaftspflegeverbänden im Umweltgesetzbuch eingebracht. Weiterhin drängen wir darauf, die Eingriffsregelung so auszugestalten, dass sie ihre Schutzfunktion für die Kulturlandschaften Deutschlands weiter wahrnehmen kann.

Heute sind wir in Thüringen, im grünen Herz Deutschlands. Der Thüringer Wald, an dessen westlichem Rand der Deutsche Landschaftspflegetag heuer stattfindet, gilt inzwischen als Inbegriff der gemeinsamen Entwicklung von Tourismus und Naturschutz. Unser stellvertretender Vorsitzender Florian Meusel hat dazu maßgebliche Anstöße gegeben. Den hiesigen Landschaftspflegeverbänden mit ihren Landwirten ist es zu verdanken, dass die einmaligen Bergwiesen mit ihrer Blütenvielfalt bis heute erhalten werden konnten. Darüber hinaus baute der Naturpark Thüringer Wald ein vorbildliches Informationssystem auf. Mit der Thüringer Wald-Card gelang es ihm, komfortablen Urlaubsgenuss mit Regionalbewusstsein zu verbinden. Auch auf diesem Gebiet hat Florian Meusel vorbildliches geleistet.

In der Thüringer Rhön sichert der dortige Landschaftspflegeverband mit Unterstützung durch das Bundesamt für Naturschutz, des Freistaats Thüringen und mehrerer Landkreise die bundesweit flächengrößten Kalkmagerrasen. Die Schafherden konnten im Bereich der Thüringer Rhön um 1.000 Tiere aufgestockt werden, um die Pflege dieser an orchideen- und enzianreichen Hutflächen dauerhaft abzusichern. Seit Juni 2008 führt ein Schäferweg die Besucher entlang alter Schaftriften durch die schönsten Teile der Vorderrhön.

Die Landschaftspflegeverbände Thüringer Grabfeld, Mittelthüringen, Ostthüringer Schiefergebirge und Altenburger Land engagieren sich in ähnlichen Projekten, die landschaftliche Eigenarten bewahren und naturverträglichen Tourismus fördern.

Besonders danken möchte ich der Landesregierung des Freistaats Thüringen für die Einrichtung einer Koordinierungsstelle der Landschaftspflegeverbände in Erfurt. Sie ist mit der Diplom-Umweltwissenschaftlerin Ulrike Müller besetzt. Die Landesregierung hat erkannt, dass die Vermittlung zwischen Naturschutz und Landwirtschaft in den Landschaftspflegeverbänden eine große Chance bietet, vor Ort erfolgreicher voranzukommen als auf getrennten Wegen. Der DVL bietet der Landesregierung an, ähnlich wie in Schleswig-Holstein, an die Umsetzung von Natura 2000 kooperativ heranzugehen. Wir tun das umso lieber, weil Thüringen schon in der heißen Phase der Gebietsmeldungen das europäische Schutzgebietsnetz als Chance für Tourismus und ländliche Regionalentwicklung herausgestellt hat.

Gemeinsam haben wir viel erreicht. Vor dem Forum des Deutschen Landschaftspflegetages möchte ich all unseren Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern in den regionalen Landschaftspflegeverbänden noch einmal herzlich für ihre aufopfernde Arbeit danken. Ich weiß aus vielen Besuchen, mit wie vielen Hindernissen sie zu kämpfen haben und wie schwer eingefahrene Verwaltungsabläufe oftmals zu überwinden sind. Das machte sich besonders bei der Neueinführung der operativen europäischen Programme für die Periode 2007 bis 2013 bemerkbar. Was man früher mit dem Begriff „Helden der Arbeit“ gemeint hat, trifft in einem persönlicheren Sinn auf die Aktiven in den Landschaftspflegeverbänden heute zu: Sie opfern Zeit, Kraft und auch Geld für ihr Anliegen. Das ist im wahrsten Sinn des Wortes heldenhaft und verdient die Anerkennung der Öffentlichkeit.

Aus diesem Geist heraus eröffne ich den Deutschen Landschaftspflegetag 2008 und lade Sie zur leidenschaftlichen Mitwirkung herzlich ein.