Landschaftspfleger machen Regionen attraktiv

Eröffnungsrede zum 10. Deutschen Landschaftspflegetag am 18. September 2003 in Potsdam

Beim 10. Deutschen Landschaftspflegetag in Potsdam wurde Josef Göppel von den Delegierten der 140 Deutschen Landschaftspflegeverbände mit 120 von 121 Stimmen für weitere fünf Jahre zum Vorsitzenden gewählt. Göppel leitet den Verband seit seiner Gründung im Jahr 1993. Hier sein Rechenschaftsbericht.

Was wurde erreicht?

Als sich am 4. Juni 1993 Vertreter von 37 Landschaftspflegeverbänden in der Ausstellungshalle GrünBerlin am Humboldthafen zur Gründung des DVL zusammenfanden, sagte der damalige Bundesumweltminister KlausTöpfer : „Ich habe die Idee der Landschaftspflegeverbände von Anfang an sehr positiv beurteilt und gefördert, weil sie sich zur Landwirtschaft und zur Kommunalpolitik hin öffnete. Nur wenn diese Öffnung da ist, werden Probleme auch bewältigt. Das hat mich an der Idee und Konstruktion der Landschaftspflegeverbände überzeugt… Ich möchte alles daran setzen, dass die Gesellschaft insgesamt für die Vielfalt der Natur und Landschaft bezahlt und dass wir nicht nur die Berufsgruppe der Landwirte dafür verantwortlich machen und ihnen allein Einkommensverluste zumuten.“

Was wurde in den 10 Jahren seither erreicht?

  • Aus 37 Landschaftspflegeverbänden sind 140 geworden
  • Die Bestände zahlreicher Arten konnten stabilisiert werden
  • Rund 20.000 Landwirte konnten ein Zusatzeinkommen im Naturschutz erzielen und wurden so in ihrer Existenz gestützt
  • Die Regionalvermarktung in Deutschland wurde von den Landschaftspflegeverbänden massiv unterstützt und sichtbar vorangebracht

Das Dreierbündnis aus Naturschützern, Landwirten und Kommunalpolitikern hat sich bewährt. In den Regionen mit Landschaftspflegeverbänden haben Natur, Landwirtschaft und Attraktivität der Landschaft profitiert.

Intakte Landschaften erweisen sich im Wettbewerb der Regionen als wichtiger Standortfaktor. Je attraktiver die Landschaft in den Augen der Menschen, desto mehr Investitionen – das ist inzwischen ein klar ablesbarer Zusammenhang.

Die Leute spüren das. Die bayerische Regierung gab zum Beispiel im Jahr 2002 eine Untersuchung in Auftrag, bei der gefragt wurde „Was gefällt Ihnen an Ihrem eigenen Land am besten?“. Das Ergebnis war für manche überraschend. Mit großem Abstand wurde „Die Schönheit der Landschaft“ als erstes genannt.

Landschaftspfleger leisten einen wichtigen Beitrag zu einer erfolgreichen regionalen Wirtschaftsentwicklung. Die Steuergelder für Landschaftspflege sind Investitionen in die Zukunftsfähigkeit von Regionen.

Der Erfolg der Deutschen Landschaftspflegeverbände blieb in Brüssel nicht unbemerkt. Aufgrund seines großen fachlichen Ansehens konnte der DVL an einigen wichtigen Stellen Einfluss auf die EU-Agrarpolitik nehmen.

  • Hecken, Steinwälle, Sölle oder Einzelbäume in der Feldflur, sogenannte Kleinstrukturen, müssen bei einem wichtigen Teil der Förderprogramme nun nicht mehr herausgerechnet werden, sondern die Landwirte bekommen auch für diese Flächenanteile eine Förderung.
  • Die Agrarumweltprogramme wurden kontinuierlich ausgebaut. In Deutschland haben sie inzwischen einen Stand von 720 Millionen Euro pro Jahr erreicht. Damit verdreifachten sich die Fördermittel in den letzten 10 Jahren.
  • Für die historischen Aprikosenbestände im Mansfelder Land bei Halle wurde sogar eine eigene EU-Verordnung erlassen, damit die dortigen kleineren Früchte, die eigentlich der EU-Handelsnorm widersprochen hätten, erfolgreich vermarktet werden können. Der Landschaftspflegeverband Östliches Harz Vorland kann damit das einzige autochthone großflächige Aprikosenanbaugebiet in Deutschland effektiv für die Regionalvermarktung unterstützen.
  • Der DVL hat mit Hilfe des Umweltbundesamtes ein Netzwerk der deutschen Regionalinitiativen aufgebaut. 1996 startete es mit 143 Teilnehmern. Heute sind 450 Regionalinitiativen darin erfasst.

Mit Hilfe des Bundesverbraucherministeriums führt der DVL gemeinsam mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen ein großes Projekt zur fachlichen Qualifizierung regionaler Akteure durch. Das Projekt „Nähe schafft Vertrauen“ bietet über 3 Jahre hinweg den Verantwortlichen in allen Regionalinitiativen Kleingruppenkurse zur profihaften Aufbereitung, Logistik und Vermarktung ihrer Erzeugnisse an.

  • Der europäische Agrarministerrat beschloss am 23.06.2003 in Luxemburg auch, dass künftig lokale Partnerschaften die integrierte Konzepte umsetzen, über die Verordnung für den ländlichen Raum mit 60 % aus der Brüsseler Kasse gefördert werden. Wenn diese Möglichkeit in den Bundesländern umgesetzt wird, bedeutet das den Durchbruch für die Idee und das Modell der Landschaftspflegeverbände.
  • Schließlich ist das Grüne Band zu nennen, der 1.400 Kilometer lange ehemalige innerdeutsche Grenzstreifen. 18 Landschaftspflegeverbände arbeiten dort gemeinsam mit örtlichen Landwirten am Erhalt der in 40 Jahren herausgebildeten nutzungsfreien Lebensräume. Sie unterstützen damit das Engagement des Bundes, der Länder und der großen Naturschutzverbände. Gerade in diesem Projekt fließen ökologische Ziele und die Geschichte unseres Landes sichtbar zusammen.

Initiativen im europäischen Ausland

Die deutschen Initiativen sind angesichts der Aktivitäten in anderen europäischen Ländern auch dringend erforderlich.

Großbritannien

In Großbritannien hat sich die Farming and Wildlife Advisory Group als Bündnis von Landwirten und Naturschützern gegründet. Dieser Verband betreibt inzwischen 90 Regionalbüros, die mit hauptamtlichen Beratern aus den Agrar- und Umweltwissenschaften besetzt sind. Die Regionalbüros werden von ehrenamtlichen Gruppen vor Ort unterstützt. Diese Organisationenarbeiten ebenso wie die deutschen Landschaftspflegeverbände mit dem Prinzip der Freiwilligkeit, das heißt, alle Planungen werden gemeinsam mit den betroffenen Farmern erarbeitet und kommen nur bei deren Einverständnis zur Ausführung.

Niederlande

In den Niederlanden gibt es inzwischen über 70 „Agrarische Natuurverenigingen“. Sie arbeiten als Vereine oder Stiftungen. Mitglieder sind neben landwirtschaftlichen Betrieben auch Naturschutz-aktivisten und kommunale Politiker.

Tätig sind die Agrarische Natuurverenigingen im Randstreifenmanagement, im Artenschutz sowie im Erhalt und der Anlage von Landschaftselementen.

Österreich

Besonders interessant ist die Situation in Österreich. Dort gibt es seit dem Jahr 2000 das „Österreichische Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft“ (ÖPUL 2000).

Der ÖPUL-Beirat koordiniert in Österreich inzwischen die gesamte Programmevaluierung. Das ursprünglich als reines Fachgremium gedachte Gremium entwickelte sich durch die Hereinnahme anderer gesellschaftlicher Gruppen zum Ideenpool, der wichtige Anregungen zur Feinsteuerung der Förderprogramme gibt. Erst durch die Einbindung von Naturschutzinteressen ist es der österreichischen Agrarpolitik gelungen, das ÖPUL als ein weitgehend akzeptiertes Förderprogramm zu etablieren.

Weichenstellungen für die nächsten Jahre

Diese Beispiele aus anderen europäischen Ländern zeigen, in welche Richtung sich die deutschen Landschaftspflegeverbände entwickeln müssen, wenn sie ihrer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe optimal gerecht werden wollen.

  • Zuarbeit für die staatlichen und kommunalen Behörden
  • Eindeutige Kundenausrichtung
  • Welche Aufgaben stehen an?
  • Welche Leistungen erwarten unsere Partner von uns?
  • Wie können wir diese Leistungen möglichst effizient erbringen?
  • Weitere Verbreiterung unseres Tätigkeitsfeldes. Landschaftspflegeverbände müssen zu Generalagenturen für alle gesetzlichen Aufgaben aus dem Bereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege werden.

Welche Aufgaben stehen im Einzelnen an?

  • Die klassische Landschaftspflege wird der Kernbereich bleiben. Hier geht es um die fachlich einwandfreie aber auch kostenbewusste Umsetzung der Naturschutzgesetze des Bundes und der Länder. Dabei ist die Verankerung der Landschaftspflegeverbände in den Landesnaturschutzgesetzen ein wichtiger Schritt, damit die gleichberechtigte Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen rechtlich gesichert wird. Brandenburg und Sachsen-Anhalt stehen jetzt konkret an.
  • Umsetzung der Pflege- und Entwicklungspläne in europäischen Natura-2000-Gebieten in Kooperation mit den Landnutzern. Die Landschaftspflegeverbände werden selbst keine solchen Pläne erstellen, sondern sich ganz auf die kooperative Umsetzung konzentrieren.  
  • Die europäische Wasserrahmenrichtlinie nimmt viel mehr als das alte deutsche Recht das gesamte Einzugsgebiet der Flüsse und Bäche in den Blick. Auch hier hängt der Erfolg entscheidend von der Bereitschaft der Landnutzer ab mitzuwirken. Freiwilligkeit und aufeinander zugehen wird hier viele Türen schneller öffnen als hoheitliches Vorgehen!
  • Zahlreiche kommunale Landschaftspläne harren noch der Umsetzung. Damit ließen sich viele Ziel­konflikte in den Gemeinden positiv lösen. Der Mensch mit seiner Zivilisation braucht Platz, aber bei etwas gutem Willen findet sich überall auch noch Raum für die Mitgeschöpfe des Menschen. Gerade diese Rücksichtnahme macht aber auch die Lebensqualität für die Menschen aus. Die fußläufig oder mit dem Fahrrad gut erreichbaren Erholungsstrecken, naturnahe Flächen im näheren Wohnumfeld der Siedlungen, sind gut für wildlebende Pflanzen und Tiere, aber auch entscheidend für die subjektiv erlebte Wohnqualität.
  • Der Ausbau von Agrarumweltmaßnahmen im Zug der Agrarreform 2003 wird ein gewaltiges neues Aufgabenfeld eröffnen. Einerseits geht es darum, die der Landwirtschaft über die Modulation abgezogenen Mittel möglichst vollständig wieder zukommen zu lassen. Dazu sind Landschaftspflegeverbände durch die Konstruktion der Drittelparität besonders gut geeignet. Alle Bundesländer haben überdies die Planstellen in der Agrarverwaltung massiv abgebaut. Die Zuarbeit an staatliche Behörden über lokale Partnerschaften ist also auch aus diesem Grund sinnvoll.
  • Damit die neuen Chancen auch ergriffen werden können, müssen Einsatz und Benennung lokaler Partnerschaften von jedem einzelnen Bundesland in seine Rahmenplanung gegenüber Brüssel aufgenommen werden. Eine nachhaltige ländliche Entwicklung kann nur dann erfolgreich sein, wenn die unterschiedlichen Interessen aus der Land- und Forstwirtschaft, der Teich- und Wasserwirtschaft, der Jagd sowie dem Naturschutz und Tourismus aufeinander abgestimmt werden. Der DVL bietet hierfür die Mithilfe der Landschaftspflegeverbände und aller vergleichbaren Organisationen wie den biologischen Stationen in Nordrhein-Westfalen an. Das Modell der gleichberechtigten Zusammenarbeit unterschiedlicher Gruppen auf freiwilliger Basis hat sich nun 15 Jahre lang in der Praxis bewährt. Deshalb ist es an derZeit, dieses Modell offiziell in die Politik für die ländlichen Regionen einzubauen.


  • Inhaltlich fordert der DVL die Einführung einer einheitlichen Flächenprämie für alle Landwirte, um die Benachteiligung des Grünlandes und der ungünstigen Ertragslagen bei der Agrarförderung endlich zu beenden. Für die grünlandgebundene Milchviehhaltung ist darüber hinaus eine zusätzliche Unterstützung nötig. Der DVL hat seine Vorschläge dafür in 6 Punkten an die kommende Agrarministerkonferenz in Rostock detailliert dargelegt.


  • Eine Aufgabe, die in den nächsten Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnen wird, ist die naturschutzfachlich einwandfreie Umsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach Eingriffen in die Landschaft. Auch Maßnahmen für das Ökokonto der Gemeinden sind hier zu nennen. Bundesweit am besten organisiert hat das die Naturlandstiftung Saar, die ich heute als neues Mitglied im DVL herzlich begrüßen darf. Für Gemeinden ist gerade die Kombination der Landschaftsplanumsetzung mit dem Sammeln von Punkten für das Ökokonto eine hochinteressante Perspektive!
  • Schließlich wird die Organisation von Umweltbildung und Naturerlebnissen vor der Haustür ein immer wichtigeres Aufgabenfeld. Es wächst eine Generation heran, die über Fernsehen, Video und Internet die tollsten Naturwunder gezeigt bekommt, aber zur gewöhnlichen Natur in ihrer nächsten Nähe kaum mehr Kontakt hat. Wie denn auch, wenn der Durchschnittsdeutsche heute weniger als eine Stunde pro Tag im Freien verbringt!

Das alles zeigt, wie groß das Feld ist, das wir bearbeiten können. Bei allen finanziellen Sorgen dürfen wir nicht fragen was wir als Verbände brauchen, sondern welchen Beitrag wir zur Erledigung dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgaben leisten können – und zwar besser als andere.

Ihnen, den Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern der Landschaftspflegeorganisationen danke ich herzlich für den Idealismus und die zum Teil unendliche Mühe, die Sie bis heute aufgewandt haben. Nur durch Ihre beständige Arbeit können wir der Politik heute ein Modell anbieten, das sich in der Praxis nachweislich bewährt hat.

Der DVL wird als nächsten Schritt eine Vernetzung mit gleich gesinnten Organisationen im europäischen Ausland anstreben, um in der erweiterten europäischen Union gezielt Einfluss auf eine nachhaltige Agrarumweltpolitik ausüben zu können. Das soll auch dem Ziel dienen, immer an der Spitze zu bleiben, sowohl bei der fachlichen Qualität wie auch bei der effizienten Umsetzung aller Maßnahmen.

Lebens(t)räume

Die Landschaftspflegeverbände in meiner bayerischen Heimat trafen sich vor genau 3 Monaten in Laufen an der Salzach, um über all diese neuen Chancen und Herausforderungen zu diskutieren. Als symbolische Metapher für das Modell der Landschaftspflegeverbände nannte einer das Bild eines Flusses.

Der Fluss

  • wird von verschiedenen Quellen gespeist,
  • bündelt Strömungen,
  • umfließt Hindernisse,
  • hat unterschiedliche Strömungsgeschwindigkeiten im Innern und unterschiedliche Seitenarme,
  • ist mitreißend, bewegend, unaufhaltsam.

Aus dem Strom der Zeit das Richtige zu erkennen und aufzugreifen lohnt viele Mühen im Kleinen. Das Motto, das die Bayern am Schluss entwickelten, möchte ich auch über unser Treffen in Potsdam stellen:

Gemeinsam Lebens(t)räume schaffen!