Die Farben der Zukunft

Wie regionales Wirtschaften erfolgreich wird

Mai 2000

Die Globalisierung der Wirtschaft ist unumkehrbar. Sie bringt Vorteile und Risiken gleichermaßen mit sich. In den kommenden Jahren kommt es darauf an, den Prozess der Globalisierung menschen- und naturverträglich zu gestalten.

Ein wesentlicher Beitrag dazu ist die Erhaltung regionaler Kulturen. Es geht um einen Lebensstil, der die Möglichkeiten der weltumspannenden Zivilisation voll nutzt, aber gleichzeitig in überschaubaren Räumen verwurzelt bleibt. Das europäische Kulturmodell der Vielfalt soll den Trend zur Vereinheitlichung stoppen und eine ausgewogene Balance von Globalisierung und Regionalität sichern.

Wirkungen der Globalisierung

Seit 1990 prägt das Schlagwort Globalisierung die wirtschaftliche Entwicklung. Fernhandel und internationale Verflechtungen gab es zu allen Zeiten, aber nun nimmt die Wirtschaft den gesamten Globus als normales Aktionsfeld in den Blick. Konzernbildungen über Kontinente hinweg sind der sichtbare Ausdruck dafür.

Diese neue Form der Globalisierung bringt mehr Menschen als je zuvor zusammen und führt zunächst zu einer Globalisierung von Ideen. Diktaturen haben es schwerer, sich zu behaupten, weil sie sich gegen die Ideen von Freiheit und Gerechtigkeit nicht mehr abschotten können. Schließlich macht die Globalisierung den Frieden durch Handelsverflechtungen sicherer.

Auf der anderen Seite steht die wachsende Ungleichheit durch Globalisierung - Ungleichheit zwischen den Ländern und innerhalb der einzelnen Volkswirtschaften. Der Bericht der Vereinten Nationen über die menschliche Entwicklung 1999 weist nach, dass die Reichen tatsächlich immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Betrug das Verhältnis zwischen dem reichsten und ärmsten Fünftel der Weltbevölkerung 1990 noch 60 : 1, so stieg es zur Jahrhundertwende auf 75 : 1.

Daneben untergräbt die bisherige ungeregelte Globalisierung jede demokratische Kontrolle. Übernationale Konzerne erheben sich über die nationalen Rechtsnormen und spielen Staaten gegeneinander aus. Weltweit agierende, mächtige Riesenunternehmen können ihre Interessen an den nationalen Regierungen vorbei durchsetzen. Der Satz eines entlassenen Arbeiters gegenüber einem deutschen Ministerpräsidenten macht das deutlich: "Sie habe ich gewählt, aber Sie haben keine Macht und diejenigen, die die Macht haben, kann ich nicht abwählen." Entwurzelte Manager verlieren eben ihr soziales und ökologisches Gewissen. Die im globalen Arbeitsleben geforderte räumliche und zeitliche Hypermobilität führt andererseits zu entwurzelten Gesellschaften.

Die eruptiven Proteste gegen die Welthandelskonferenzen in Seattle und Davos zeigen, dass hier eine neue soziale Bewegung mit enormer Sprengkraft heranwächst. Jay Mazur, der Sprecher des Dachverbandes der amerikanischen Gewerkschaften, sagt: "Die Globalisierung in der jetzigen Form schadet zu vielen und nützt zu wenigen." Die Ungleichheit bei den Verdiensten habe in den USA ein Ausmaß angenommen wie zuletzt in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts. Der durchschnittliche leitende Manager verdiene nun 400 mal mehr als ein Arbeiter. Die Menschen müssten länger und härter arbeiten, um ihren Job zu behalten und träten doch auf der Stelle.

Schließlich nimmt der voll liberalisierte Welthandel keine Rücksicht auf gewachsene Strukturen, auf soziales Gefüge und auf intakte Natur. Diese Art von Freihandel ist auch frei von Verantwortung. Freiheit muss aber in allen Lebensbereichen an Verantwortung gebunden sein, sonst gilt bald nur noch das brutale Recht des Stärkeren. Das wäre dann auch das Ende der Freiheit. Die neoliberale Wirtschaftsdoktrin will möglichst keine Regeln. Alles soll der freie Markt bewirken. Diese Denkrichtung übersieht, dass die Hilfsquellen unserer Erde nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen. Auch die Wirtschaft kann sich nicht außerhalb der Naturgesetze stellen. Michail Gorbatschow sagte in einer deutschen Fernsehsendung im Februar 2000: "Der Fundamentalismus der Globalisierer ist genauso gefährlich wie der islamische Fundamentalismus oder der kommunistische."

Globalisierung menschen- und naturverträglich gestalten

Dem blinden Ruf nach immer weiterer Deregulierung tritt die Forderung nach einer wohlstandsmehrenden Zügelung entgegen, damit "das gute Pferd Markt in eine wünschenswerte Richtung zieht". So sieht es der österreichische Wirtschaftsprofessor Heinrich Wohlmeyer und so hat es 1995 schon der club of rome in seinem Bericht "Mit der Natur rechnen" postuliert. Die Behauptung, ein liberaler Welthandel nütze allen, ist unwahr. Je weiter die ungeregelte Liberalisierung voran schreitet, desto größer werden Unterschiede und Ungerechtigkeiten.

Es gibt deshalb immer mehr Kräfte, die die Rechte der Arbeitnehmer und den Umweltschutz in die Handelsabkommen aufnehmen wollen. Ministerpräsident Kurt Biedenkopf brachte das ökologische Problem vor kurzem auf den Punkt: "Was macht es für einen Sinn, so viele gleichartige Güter durch die Welt zu transportieren?" Altbundespräsident Roman Herzog nannte die weltweite Beachtung von Regeln für den Wettbewerb eine zentrale Zukunftsaufgabe. Er sagte: "Wir brauchen soziale und ökologische Leitplanken für den Welthandel." Diese Ziele müssen mit der selben Energie, wie man sie bisher für die Durchsetzung von Eigentumsrechten aufgebracht hat, angesteuert werden. Es darf nicht länger sein, dass jemand einen Wettbewerbsvorteil erringt, wenn er Menschen oder Natur ausbeutet. Es darf nicht länger sein, dass im globalen Spiel der Wirtschaft als erstes der Schiedsrichter vom Platz gestellt wird. Auch die Marktwirtschaft braucht Ordnung, sonst wird die nächste Generation Wohlstand und Freiheit verlieren. Freiheit des Welthandels ist kein Wert an sich. Sie muss sich messen lassen an ihren Wirkungen.

Es gilt anzugehen gegen das schrankenlose Shareholder-Value-Denken, die Zurückdrängung aller anderen Unternehmensziele gegenüber Aktienkurs und Gewinnraten. Dieses Denken ist schick geworden, es nimmt Züge eines Tanzes um das goldene Kalb an. Kaum zu glauben, dass in den 70er Jahren Dinge wie Mitbestimmung die Gemüter bewegten und in den 80ern der Umweltschutz. Jetzt dreht sich alles nur noch ums Geld. Mit der Verengung auf das Materielle gewinnen wir aber die Zukunft nicht.

Für uns Deutsche hat das noch eine besondere Bedeutung. Bei uns wurde das Konzept der sozialen Marktwirtschaft entwickelt, das mehr Menschen als je zuvor wirtschaftlichen Wohlstand und soziale Sicherheit gebracht hat. Auf dem Umweg über die Globalisierung drohen die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft nun wieder über Bord gespült zu werden. Den Rückzug in die alten Volkswirtschaften und Nationalstaaten macht die technologische Verflechtung der Welt unmöglich. Es gibt nur den Weg nach vorn. Die globale Wirtschaftstätigkeit menschen- und naturverträglich zu gestalten, das ist die Aufgabe der jetzigen Generation. Wie lässt sich das aber bewerkstelligen?

Die Regionalbewegung

Je mehr die Globalisierung voranschreitet, desto mehr wächst das Unbehagen. Die Sehnsucht nach Rückhalt in überschaubaren Lebenskreisen steigt. Viele Menschen wollen das Gefühl haben, die Dinge überblicken zu können und nicht einem anonymen Geschehen ausgeliefert zu sein. Es ist kein Zufall, dass seit 1990 überall Regionalinitiativen entstehen.

Der Gedanke des regionalen Wirtschaftens entstand zuerst in ländlichen Räumen. Man wollte nicht mehr nur Zulieferer und Ausgleichsraum für Wirtschaftszentren sein, sondern eine eigenständige Regionalentwicklung in Gang setzen. Strukturdefizite sollten nicht mit gnädigen Subventionen von außen, sondern mit eigenständig erwirtschafteten Kapitalkreisläufen behoben werden. Die Herausarbeitung von Alleinstellungsmerkmalen begriff man als Chance zur Stärkung mittelständischer Strukturen.

Dem gravierenden Strukturwandel der Landwirtschaft folgte nämlich schnell der des ländlichen Mittelstands. Große Einkaufszentren und Factory Outlet Center an Verkehrsknotenpunkten schaffen oberflächlich betrachtet Investitionen und Arbeitsplätze. Inzwischen ist aber durch Untersuchungen am Beispiel Wiens belegt, dass durch einen neuen Arbeitsplatz im Megaeinkaufszentrum durchschnittlich drei bisherige Arbeitsplätze im regionalen Mittelstand wegfallen. Jetzt kommen die ersten "Designer Outlet Center" nach Europa. Sie sehen aus wie schicke Kleinstädte mit romantischen Gassen, aber sie entstehen auf der grünen Wiese und in ihnen ist keine Spur von Mittelstand. "Die Erfüllung aller Shoppingwünsche an einem Tag und das mit bis zu 60 % Rabatt" - jede ausgewogene Landesentwicklung geht da über Bord.

1994 forderte die Enquetekommission "Schutz der Erdatmosphäre" des Deutschen Bundestages von der Regierung, "auf eine Stärkung der regionalen Wirtschaftskreisläufe gegenüber der internationalen Arbeitsteilung hinzuwirken." 1995 begann der Deutsche Verband für Land¬schaftspflege mit dem Projekt "Initiierung regionaler Wirtschaftskreisläufe" in fünf Bundesländern, das Landschaftspflege und Regionalvermarktung auf eine neue Weise verknüpfte. Inzwischen weist das Ver¬zeichnis der deutschen Regionalinitiativen unter www.reginet.de 286 Adressen auf.

Bei der Frage regional oder global geht es nicht um entweder oder. Horst Köhler, der neue Präsident des Internationalen Währungsfonds fasste die Situation bei der Deutschen Agrarkredittagung 1997 treffend zusammen. Er kritisierte Überlegungen, wonach die absolute Globalisierung die Lösung aller Wirtschaftsprobleme darstelle. Die deutsche Wirtschaft lebe zwar vom Export und sei deshalb auf offene Märkte angewiesen. Es sei aber falsch, das Wirtschaftsgeschehen nur als Exportgeschäft zu betrachten. Lokale und regionale Wirtschaftskreisläufe würden in Deutschland auch in Zukunft für den größten Teil der Menschen die Grundlagen für Arbeit und Einkommen bestimmen. Sowohl als auch lautet also die richtige Antwort auf die Frage nach regional oder global.

Je mehr es gelingt, überall ein Grundmaß an Eigenständigkeit zu wahren, desto besser floriert der Welthandel. Wie das Räderwerk einer Uhr muss der globale Wirtschaftskreislauf mit vielen kleinen, selbständig funktionierenden Kreisläufen unterfüttert sein. Je mehr solcher Kreisläufe es gibt, desto stabiler wird das Gesamtsystem. Fehlt dieses Fundament, so wird das Wirtschaftsgeschehen extrem störanfällig. Wenn es an einer Stelle einknickt, werden auch weit entfernte Handelspartner sofort in Mitleidenschaft gezogen. Funktionierende regionale Wirtschaftskreisläufe stabilisieren das Gesamtsystem. Je besser die Menschen in überschaubaren Beziehungen verwurzelt sind, desto offener wird ihr Blick für das Ganze.

Gewinnerbranchen

Ihren Anfang nahm die Idee der gezielten Regionalvermarktung bei Produkten aus der Landschaftspflege wie Apfelsaft, Lammfleisch und Schafwolle. Bei der Direktvermarktung von Lebensmitteln spielen Frische, unverwechselbarer Geschmack und kontrollierte Herkunft eine besondere Rolle. Naturschutz mit dem Einkaufskorb wurde zum Schlagwort. Das Marktsegment der regionalen Lebensmittel wächst rasch. Jeder Lebensmittelskandal führt ihm neue Kunden zu.

Wer den Menschen die Zusammenhänge zwischen den Besonderheiten der Landschaft, ihrer Nutzung und den Produkten, die daraus entstehen, geschickt nahebringt, wird mit gutem Geschäft belohnt. Je deutlicher eine Region ihre charakteristischen Eigenarten präsentiert, desto besser läuft der Tourismus. So konnte ein Bürgermeister im Erzgebirge vor kurzem stolz davon sprechen, dass ein Birkhuhn jährlich 10.000 DM an Wertschöpfung in seine Gemeinde bringe.

Die Nutzung regional vorhandener Energiequellen steht erst am Anfang. Pflanzliche Biomasse kann 10 % des deutschen Primärenergiebedarfs decken. In dünner besiedelten ländlichen Räumen sind aber Anteile über 50 % erreichbar. Energieversorgung aus dem eigenen Land wird zu einer neuen Wertschöpfungsmöglichkeit für die Land- und Forstwirtschaft.

Izwischen wird auch immer mehr bewusst, dass Handwerk regionalen Boden hat. Individuelle Lösungen, Nähe und zuverlässiger Reparaturdienst sind Stärken des Handwerks. Immer mehr Menschen sehen ein, dass ihnen kurzlebige Wegwerfprodukte über die Zeit hinweg mehr kosten. Regional kaufen heißt Transportenergie sparen und Abfall vermeiden. Je mehr es gelingt, diese Einsichten in der breiten Bevölkerung zu verankern, desto stabiler werden die Marktanteile des Handwerks und des mittelständischen Einzelhandels.

Frühzeitig haben die ländlichen Banken erkannt, dass regionale Wirtschaftskreisläufe die Basis ihres Geschäftes bilden. Sind nämlich die Strukturen in einem Ort einmal zerbrochen, so sinken auch bald die Grundstückspreise und Investitionen verlieren ihren Wert. Baugründe, Wohnungen und Häuser, von mühevoll Erspartem geschaffen, werden von den Kindern nicht mehr bewohnt, wenn das Umfeld nicht mehr stimmt. Das fein gewebte Netz lokaler und regionaler Wirtschaftsverflechtungen ist auch die Grundlage einer ausgewogenen Siedlungsverteilung. Anschwellende Speckgürtel um die Ballungszentren und entleerte ländliche Räume schaffen eine Menge neue Probleme. "Nahversorgung ist Lebensqualität" schrieben die deutschen Genossenschaftsbanken deshalb über ihre Werbeaktion für regionales Wirtschaften.

Neuerdings kommen auch hochkomplexe Systemlösungen mit großem Serviceanteil immer mehr für regional geprägte Märkte in Frage, weil sie Nähe und Vertrautheit mit kulturellen Eigenarten für ihren Erfolg brauchen. Die Produktion von Industriegütern globalisiert sich zwar immer mehr, aber der Konsum bleibt lokal und regional geprägt. Eine Änderung des Lebensstils zu einem naturverträglichen Wohlstand hin muss also beim Konsum ansetzen. Von den Kaufentscheidungen geht die stärkste Lenkungswirkung auf die globalisierte Wirtschaft aus.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die industriellen Massenprodukte weiterhin den Schwerpunkt des globalisierten Handels bilden. Sie werden aber von den Flanken her einerseits von den Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs und andererseits von serviceorientierten Systemlösungen eingegrenzt. Auf beiden Seiten liegen die Chancen regionaler Wirtschaftskreisläufe.

Strategische Allianz

Die Gründer der Regionalbewegung kommen aus der Umweltszene. Ihnen ging es in erster Linie um die Bewahrung der Mannigfaltigkeit. Die Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten unserer Erde soll ebenso erhalten bleiben wie die faszinierende Vielfalt der menschlichen Kulturausprägungen. Die Bewahrung regionaler Eigenarten hat neben der ökologischen auch eine sehr starke soziale und kulturelle Dimension.

Zum zweiten treten für dieses Konzept die Vertreter der Gewinnerbranchen ein: Landwirtschaft, Handwerk, Einzelhandel, Gastronomie, Fremdenverkehrsgewerbe, ländliche Banken. Viele Kommunalpolitiker, bevorzugt aus ländlichen Gebieten, stehen an der Spitze von Regionalinitiativen.

Kein Wunder, dass die Bewahrung regionaler Eigenarten samt ihrer wirtschaftlichen Basis auch bei wertkonservativen Menschen starken Widerhall findet. Gerade konservative Bevölkerungsschichten wollen ihre Tradition nicht zugunsten einer Einheitszivilisation aufgeben.

In jüngster Zeit gesellt sich zu den Befürwortern regionalen Wirtschaftens noch eine vierte Gruppe. Die klassischen Marktwirtschaftler sehen in der Bildung von Großfusionen über Kontinente hinweg eine ernste Gefahr für den freien Wettbewerb. Sie argumentieren, dass Globalisierung nur vorübergehend schärferen Wettbewerb bringt und dann bald in marktbeherrschende Oligopole von wenigen Giganten mündet. Deshalb ertönt immer stärker der Ruf nach weltweiter Fusionskontrolle.

Das Konzept der Balance zwischen regionaler und globaler Wirtschaft ist politisch tragfähig. Es hat eine breite potentielle Basis im Volk. Es braucht aber noch klare und eingängige Hand¬lungsmuster.

Was ist zu tun?

Im 19. Jahrhundert errangen Barrikadenkämpfe die bürgerlichen Freiheiten und trieben so die Entwicklung voran.In den Demokratien des 20. Jahrhunderts benützten die neuen sozialen Bewegungen Großdemonstrationen, um ihre Ziele durchzusetzen. In der globalisierten Wirtschaft des 21. Jahrhunderts ist die Ladenkasse der Ort, an dem über zukünftige Lebensformen entschieden wird. Der von dem Frankfurter Ökomanager Rudi Schreiber geprägte Begriff der "Konsumdemokratie" taucht immer häufiger auf. Vom Verhalten der Konsumenten geht die stärkste Lenkungswirkung auf die globalisierte Wirtschaft aus. Der erste Schritt dazu ist die Weckung des Regionalbewusstseins durch aktive Bürger. Nur wer glaubt, dass die eigene Region etwas besonderes zu bieten hat, wer stolz auf sie ist, der kauft auch entsprechend.

Das Bewusstsein für den Wert der Nahversorger zu schärfen ist die Aufgabe der Kommunalpolitiker und der regionalen Medien. Jedem Bürger muss klar werden, dass er selbst durch sein Engagement und sein Konsumverhalten über die künftige Wirtschaftsentwicklung seiner Gemeinde und Region mit entscheidet. Diese Basismobilisierung ist nicht ein möglicher, sondern der einzige Weg zur nachhaltigen Sicherung regionaler mittelständischer Strukturen.

Wir brauchen sodann ein erdumspannendes Netzwerk aktiver Menschen, das die Balance zwischen regionalen und globalen Wirtschaftsformen zum Ziel hat und strategische Verbindungen schmiedet. Eine Vorstufe könnte die Arbeitsgemeinschaft Allianz 21 sein, die auf europäischer Ebene zur Zeit gegründet wird. Nur so wird die Regionalbewegung den Multis ebenbürtig. Hermann Scheer sagte bei der Verleihung des alternativen Nobelpreises 1999: "Jede Alternative beginnt damit, dass sie den Menschen gezeigt wird."

Trotzdem kann die offizielle Politik nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Die Rahmenbedingungen tragen entscheidend zum Konsumentenverhalten bei. Sie müssen so gesetzt werden, dass naturverträgliches Verhalten finanziell lohnender wird als eingefahrene Gewohnheiten. Davon sind wir noch weit entfernt. Die Steuerfreiheit des gewerblichen Luftverkehrs zum Beispiel ist einer der schlimmsten Verstöße gegen die Marktwirtschaft. Diese Subvention muss schnellstens beendet werden! Internationale Flüge sind heute nicht nur von der Mineralölsteuer befreit, sondern auch von der Mehrwertsteuer.

Auch wenn es utopisch klingt, die Besteuerung der internationalen Finanztransfers muss über kurz oder lang kommen. Das gleiche gilt für die Besteuerung von Informationsflüssen im Internet. Natürlich ist es schwierig, dafür einen koordinierten internationalen Einstieg zu finden. Nachdem aber alle Staaten vor dem gleichen Problem stehen, nämlich die Daseinsvorsorge ihrer Bürger finanzieren zu müssen, obwohl inzwischen der größte Teil der Wertschöpfung an ihren Kassen vorbei läuft, könnte die Aufnahme solcher Regelungen in die internationalen Finanzabkommen gelingen. Die Besteuerung des Verbrauchs aller endlichen Ressourcen auf die Höhe der Recyclingkosten oder des Aufwands für Ersatztechniken wird eine breitflächige Kreislauforientierung der Stoffströme bewirken und die Ausrichtung der Wirtschaft auf Nachhaltigkeit fördern.

Auf der WTO-Ebene bleibt die schon erwähnte Verankerung sozialer und ökologischer Grundregeln unabdingbar. Die auf Freihandel ausgerichtete WTO muss um Aspekte der Nachhaltigkeit erweitert werden. Das kommt voran, wenn auch mit kleinen Schritten. Im Januar 2000 einigten sich 135 Staaten auf ein neues "Biosafety-Protokoll", das den Handel mit gentechnisch veränderten Produkten regelt. Jeder Staat kann danach künftig solche Importe zurückweisen.

Europa muss integrierte regionale Lösungen gezielter fördern. Der Globalzuschuss, über den die Leute vor Ort selbst bestimmen können, ist dafür das richtige Instrument. Die lokalen und regionalen Gemeinschaften brauchen eine ausreichende Finanzbasis, über die sie selbst verfügen. Das alte Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung bekommt im großen Europa eine ungeahnte Aktualität.

Wirkungen der Regionalisierung

Ein vernünftiger Anteil regionaler Wirtschaftskreisläufe bringt klar bezifferbare Umweltentlastungseffekte.

  • Transportenergie und damit klimaschädliche Schadgase werden eingespart.
  • Langlebigere Handwerksprodukte sparen im Vergleich zu kurzlebigen Wegwerfprodukten Rohstoffe und Herstellungsenergie ein. Abfälle werden vermieden.
  • Eine ausgewogene Bevölkerungsverteilung zwischen städtischen und ländlichen Räumen führt zu einer gleichmäßigeren Belastung der natürlichen Ressourcen und verbessert damit deren Regenerationsfähigkeit.
  • Die Erhaltung intakter Landschaften stabilisiert den Bestand an wildlebenden Tier- und Pflanzenarten.

So wichtig die Umweltentlastungseffekte der Regionalisierung sind - noch weiter reichen die sozialen und kulturellen Wirkungen.

Regionalisierung stärkt die Demokratie durch Überschaubarkeit - davon war schon die Rede. Die direkten Folgen des eigenen Handelns werden plötzlich wieder spürbar. Die Überblickbarkeit der Lebensumstände des einzelnen Menschen wird größer. Er kann Chancen- und Verteilungsgerechtigkeit leichter kontrollieren. Gegenseitige Abhängigkeit und Verantwortung tritt klarer zu Tage. Das hilft, Konkurrenz durch Kooperation zu ersetzen. Wettbewerb und Zusammenarbeit kommen in ein neues Verhältnis zueinander. Gemeinsames Verbundmarketing entlang einer Produktkette tritt zum Beispiel an die Stelle von Konkurrenzmarketing. Gerade wer die Interessenlage des anderen kennt, hat den Blick frei für unerwartete Gemeinsamkeiten. Plötzlich werden wieder Chancen der Nachbarschaftshilfe und der Eigenarbeit sichtbar, wichtige Elemente in Gesellschaften mit größerer Selbstverantwortung. Tauschringe werden ein Merkmal des 21. Jahrhunderts sein.

Die gemeinsame Bindung an eine Region setzt überraschende Kräfte frei. Die Bündelung der Eigenkräfte führt zu neuem Selbstbewusstsein und einer neuen Form von Heimatverbundenheit. In aller Regel wächst aus dem Einssein mit dem Land auch der Zusammenhalt der Bewohner. Gerade in der globalisierten Technikwelt brauchen die Menschen Haltepunkte für das Gemüt.

Zurück unter den Kirchturm?

Kritiker werfer der Regionalbewegung vor, sie fördere den Rückzug in heimelige Nischen und übersähe die Realität. Manche befürchten gar die Wiedergeburt einer "Blut und Boden"-Mentalität. Vor solchen Tendenzen gilt es natürlich immer auf der Hut zu sein.

Toleranter Umgang mit anderen Lebensstilen muss angesichts der Verflechtung
der Welt zu einer selbstverständlichen Verhaltensweise werden. Wer weiß, woher er kommt und wo er steht, tritt anderen Kulturen in aller Regel unbefangener und offener gegenüber.

Der ganze Globus ist als Heimatraum für den einzelnen Menschen zu groß, zu fremd. Wir brauchen einen überblickbaren Lebenskreis, um uns den Dingen gewachsen zu fühlen. Regionale Vorgänge bleiben demokratisch kontrollierbar, gobale Entscheidungen verursachen immer häufiger ein ohnmächtiges Ausgeliefertsein. Regionalbewusstsein ist deshalb Heimatverbundenheit in einer zeitgemäßen Form. Es ist eine konstruktive Antwort auf die globalen Veränderungen.

Regionale Strategien sind nicht nur etwas für ländliche Gebiete. Die Erhaltung des typischen Münchner oder Hamburger Flairs ist davon genauso berührt, wie die Identität der Rhön oder des Spreewaldes. Überall geht es um den Erhalt regionaler Kulturausprägungen.

Das Land bekommt durch die neuen Informationstechnologien nun allerdings besondere Chancen zu einer eigenständigeren Entwicklung. Früher brauchte man von dort aus mehr Zeit und Geld, um an die Märkte zu kommen. Das Internet beseitigt diesen Nachteil auf einen Schlag. Damit erhält die ökologisch wichtige ausgewogene Siedlungsverteilung einen neuen ökonomischen Boden eingezogen.

Vom Reiz der Vielfalt - das europäische Kulturmodell

Europa ist von seinem Wesen her auf Vielfalt angelegt. Die Vielfalt der Sprachen, Kulturen und des wirtschaftlichen Lebens macht das europäische Kulturmodell aus. Es ist ein Gegenmodell zur Einheitszivilisation jedweder Prägung. Das europäische Kulturmodell besitzt hohe Attraktivität, weil der Reiz des Reisens, des Essens, ja des Lebens generell im Entdecken des immer wieder Neuen liegt. Die Erhaltung von Mannigfaltigkeit hat aber noch eine ganz andere Bedeutung. Vielfalt der Lebensformen bewirkt auch eine Vielzahl unterschiedlicher Herangehensweisen an Probleme und viele unterschiedliche Lösungen. Je mehr sich die Dinge zentralisieren, desto schmäler wird der Korridor der Evolution.

Und weltweit?

Innerhalb der Europäischen Union wurde der Regionalgedanke in den letzten Jahren zu einer breiten Bewegung. Regionalinitiativen der beschriebenen Art arbeiten heute auch in Skandinavien, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien und Österreich.

Gerade die Franzosen, denen gutes Essen wichtiger ist als vieles andere auf der Welt, engagieren sich gegen "la mal bouffe" der globalen Agroindustrie. Der Bauernrebell José Bové, Mann des Jahres 1999 in Frankreich, sagt: "Wir wollen andere Spielregeln für den Welthandel. Die jetzigen sind für niemanden gut, nicht für die Bürger in Europa, nicht für die Entwicklungsländer. Sie nutzen nur den Multis."

In fast allen Kulturkreisen der Erde gibt es inzwischen Regionalinitiativen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie das kulturelle Erbe ihrer Heimat erhalten, einen Freiraum für regionales Wirtschaften sichern und die natürlichen
Lebensgrundlagen unversehrt bewahren wollen. Sie wollen die Dynamik des Marktes mit dem Schutz der Umwelt und sozialer Gerechtigkeit verbinden. Vor diesem Hintergrund arbeiten alle, die sich in Regionalinitiativen engagieren, an einem weltumspannenden Zukunftswerk. Die überlegte Nutzung des globalen Handels, seine Bindung an gerechte Regeln für alle bei gleichzeitiger Sicherung regionaler Freiräume - das ist eine vordringliche Aufgabe unserer Generation. Dem Internet-Zeitalter entspricht ein Leitbild, in dem der Mensch wachen Anteil nimmt an allem was in der Welt vorgeht und die technischen Möglichkeiten überlegt nutzt aber gleichzeitig verankert ist in unverwechselbaren Regionen mit Überschaubarkeit und Nähe.

Die Bewahrung von Erbe ist etwas elementar menschliches. Es geht um Naturerbe, ethisches Erbe, kulturelles Erbe und auch materielles Erbe. Bewusst wurde die Bewahrung des menschlichen Erbes als Ziel in die europäischen Verträge aufgenommen. Die europäische Regionalbewegung trifft sich mit Fair Trade Organisationen und den Regionalinitiativen der südlichen Hemisphäre im selben Ziel - der Bewahrung der Mannigfaltigkeit unserer Erde.

In den Ländern des Südens hat das eine noch viel existentiellere Bedeutung als in wohlhabenden Industriegesellschaften. Nahezu alle Entwicklungsexperten sind sich heute einig, dass die Stärkung traditioneller regionaler Wirtschaftsformen besser gegen die Armut wirkt, als die Übernahme nördlicher Großtechnologien. So verstandenes Regionaldenken ist alles andere als ein Rückzug in die Kuschelecke. Es ist ein wichtiger Baustein der vielzitierten nachhaltigen Entwicklung.

Zusammenfassung

Das Antlitz der Globalisierung ist zwiespältig. Sie führt einerseits zu einer Globalisierung von Ideen und führt Menschen unterschiedlicher Kulturen zusammen. Manche Länder kommen zu Wohlstandsgewinnen. Auf der anderen Seite steht die wachsende Ungleichheit durch Globalisierung. Daneben untergräbt sie demokratische Kontrollmöglichkeiten. Konzerne über Kontinente hinweg erheben sich über die nationalen Rechtsnormen und spielen Staaten gegeneinander aus. Schließlich nimmt der voll liberalisierte Welthandel keine Rücksicht auf gewachsene Strukturen, auf soziales Gefüge und auf intakte Natur.

Es gibt weltweit drei Ansätze, um die Globalisierung menschen- und naturverträglicher zu gestalten. Der Umweltschutz und die Arbeitnehmerrechte sollen in die Handelsabkommen aufgenommen werden. Daneben entsteht in vielen Ländern ein neues Regionaldenken. Regionale Kulturen und Traditionen sollen auch unter den Bedingungen der Globalisierung erhalten bleiben. Die Frage: "Was steckt hinter der Regionalbewegung?" bildet den Kern dieses politischen Aufsatzes.

Der Gedanke eines eigenständigen regionalen Wirtschaftens entstand zuerst in ländlichen Räumen. Man wollte nicht mehr nur Zulieferer und Ausgleichsraum für Wirtschaftszentren sein, sondern eine eigenständige Regionalentwicklung in Gang setzen. Strukturdefizite sollten nicht mehr mit Subventionen von außen, sondern mit eigenständig erwirtschafteten Kapitalkreisläufen behoben werden. Die Herausarbeitung von Alleinstellungsmerkmalen begriff man als Chance zur Stärkung mittelständischer Strukturen. Der Mittelstand auf dem Land, Landwirtschaft, Tourismus, Handwerk, Dienstleister bis hin zu den ländlichen Banken versteht sich zunehmend als strategische Allianz, die gemeinsam besteht oder gemeinsam untergeht.

Regionale Wirtschaftskreisläufe beginnen bei der Urproduktion der Land- und Forstwirtschaft. Typische regionale Spezialitäten sollen über die Direktvermarktung der Bauern und über Regionaltheken in den Geschäften offensiver angeboten werden. Holz und nachwachsende Rohstoffe sollen verstärkt als Energiequellen aus dem eigenen Land genutzt werden. Das Handwerk will seine Stärken gegenüber der Massenware betonen: Individuelle Lösungen, verlässlicher Reparaturdienst, Rücknahmeangebote für Altprodukte. Für den Einzelhandel ist die Interessenlage klar. Ein Arbeitsplatz im Mega-Einkaufszentrum führt zum Wegfall von drei Arbeitsplätzen im regionalen Einzelhandel. Inzwischen haben auch die ländlichen Banken erkannt, dass regionale Wirtschaftskreisläufe die Basis ihres Geschäftes bilden. Sind nämlich die Strukturen in einem Ort einmal zerbrochen, so gehen auch die Investitionen zurück. Grundstückspreise sinken, Baugründe und Häuser verlieren an Wert. Neuerdings kommen sogar hochkomplexe Systemlösungen mit großem Serviceanteil immer mehr für regional geprägte Märkte in Frage, weil sie Nähe und Vertrautheit mit den kulturellen Eigenarten der Region für ihren Erfolg brauchen.

Das fein gewebte Netz lokaler und regionaler Wirtschaftsverflechtungen ist auch die Grundlage einer ausgewogenen Siedlungsverteilung. Anschwellende Speckgürtel um die Ballungszentren und entleerte ländliche Räume schaffen eine Menge neuer Probleme.

Ein dicker Pluspunkt der Regionalidee ist die größere Stabilität des gesamten wirtschaftlichen Geschehens. Ein globaler Wirtschaftskreislauf, der mit zahlreichen regionalen Kreisläufen unterfüttert ist, hat insgesamt mehr Stabilität. Störungen an einer Stelle wirken sich nicht gleich auf das Gesamtsystem aus. Die hektische Nervosität des voll globalisierten Börsenhandels oder spanische Lkw-Streiks, die deutsche Automobilwerke lahmlegen, sind beredte Zeugnisse dafür.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Schwerpunkt des globalisierten Handels weiterhin von den industriellen Massenprodukten gebildet wird. Von den Flanken her grenzen aber einerseits die Güter und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs und andererseits die serviceorientierten Systemlösungen den globalisierten Handel ein. Auf beiden Seiten liegen die Chancen regionaler Wirtschaftskreisläufe.

Unterstützung findet der Regionalgedanke mehr und mehr bei den klassischen Markwirtschaftlern. Sie sehen in der Bildung von Großfussionen über Kontinente hinweg eine ernste Gefahr für den Wettbewerb. In ihren Augen bringt Globalisierung nur vorübergehend schärferen Wettbewerb, weil sie bald in die marktbeherrschenden Oligopole weniger Giganten mündet.

Was ist zu tun? Die Strategie der Balance zwischen regional und global muss beim Konsum ansetzen. Von den Kaufentscheidungen geht die stärkste Lenkungswirkung auf die globalisierte Wirtschaft aus. Die Ladenkassen sind der Ort, an dem über die Lebensformen des 21. Jahrhunderts entschieden wird.

Der erste Schritt dazu ist die Weckung des Regionalbewusstseins. Nur wer glaubt, dass die eigene Region etwas besonderes zu bieten hat, der kauft auch entsprechend. Das Bewusstsein für den Wert der Nahversorger zu schärfen, ist die Aufgabe der Kommunalpolitiker und der regionalen Medien. Wir brauchen sodann ein erdumspannendes Netzwerk aktiver Menschen, das strategische Verbindungen schmiedet und damit den Multis ebenbürdig wird. Die Arbeitsgemeinschaft "Allianz 21 für nachhaltige Lebenskultur", die zur Zeit in Europa aufgebaut wird, könnte ein Baustein dazu werden. Sodann muss die Steuerfreiheit des Flugbenzins als schlimme Marktverzerrung endlich beseitigt werden!

Europa ist von seinem Wesen her auf Vielfalt angelegt. Die Vielfalt der Sprachen , Kulturen und des wirtschaftlichen Lebens macht das europäische Kulturmodell aus. Diese Vielfalt der Lebensformen bewirkt auch eine Vielzahl unterschiedlicher Herangehensweisen an Probleme und viele unterschiedliche Lösungen. Je mehr sich die Dinge zentralisieren, desto schmäler wird der Korridor der Evolution.

Manche Kritiker werfen der Regionalbewegung vor, sie fördere den Rückzug in heimelige Nischen und übersähe die Realität. Einige befürchten gar die Wiedergeburt einer Blut- und Bodenmentalität. Vor solchen Tendenzen gilt es auf der Hut zu sein, trotzdem ist der ganze Globus als Heimatraum für den einzelnen Menschen zu groß, zu fremd. Wir brauchen einen überblickbaren Lebenskreis, um uns den Dingen gewachsen zu fühlen. Regionale Vorgänge bleiben demokratisch kontrollierbar, globale Entscheidungen verursachen immer häufiger ein ohnmächtiges Ausgeliefertsein. Regionale Strategien sind Heimatverbundenheit in zeitgemäßer Form und - sie sind nicht nur etwas für ländliche Gebiete. Bei der Erhaltung des typischen Münchner oder Hamburger Flairs geht es genauso um die Bewahrung regionaler Kulturausprägungen wie bei der Wiederbelebung landschaftlicher Eigenarten in der Rhön oder im Spreewald.

Belegbar sind die Umweltentlastungseffekte der kombinierten Regionalwirtschaft: Verkehrsvermeidung, Rohstoffeinsparung, gleichmäßigere Belastung der natürlichen Ressourcen und damit Erhalt ihrer Regenerationsfähigkeit sowie die Bewahrung intakter Landschaften. Entscheidend werden aber die sozialen und kulturellen Wirkungen der Regionalisierung sein. Konkurrenz kann ein Stück weit durch Kooperation ersetzt werden. Gerade in solchen Stützungsstrategien liegt ein wesentliches Merkmal nachhaltigen Wirtschaftens.

Das Leitbild der Regionalbewegung ist ein Lebensstil, in dem der Mensch wachen Anteil nimmt an allem was in der Welt vorgeht und die technischen Möglichkeiten unserer Zeit überlegt nutzt aber gleichzeitig verankert bleibt in unverwechselbaren Regionen mit Überschaubarkeit und Nähe.

Zum Autor:

Josef Göppel (49) ist Mitglied des Bayerischen Landtags und Vorsitzender des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege.

Seit den 70er Jahren engagiert sich der gelernte Förster in der Umweltpolitik. 1991 wurde er zum Vorsitzenden des Umweltarbeitskreises der Christlich Sozialen Union in Bayern gewählt.