Grundzüge des neuen bayerischen Naturschutzgesetzes

Grundzüge des neuen bayerischen Naturschutzgesetzes

Rede von Josef Göppel im Bayerischen Landtag am 23.06.1998
Vizepräsidentin Fischer: Das Wort hat Herr Kollege Göppel.

Göppel (CSU): Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Nach den Ausführungen der beiden Oppositionsrednerinnen ist es am besten, die neuen Regelungen des Naturschutzgesetzes aufzulisten.

(Frau Lödermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Und das Falsche!)

Jeder, der dieses Gesetz objektiv liest, kann sich dann ein Bild machen. Der Gesetzentwurf enthält ein glattes Dutzend Verbesserungen:

  • Die wichtigste Neuerung ist zweifellos die Verankerung des Eigenwertes der Natur und die Betonung der Verantwortungsethik in Artikel 1 des Gesetzes. Diese Formulierung muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: Aus der Verantwortung des Menschen für die natürlichen Lebensgrundlagen sind Natur und Landschaft aufgrund ihres eigenen Wertes und als Lebensgrundlage des Menschen im besiedelten und unbesiedelten Bereich zu schützen, zu pflegen und zu entwickeln.
  • Das Nachhaltigkeitsgebot wurde in die Ziele und Grundsätze des Gesetzes aufgenommen.
  • Alleen, Auwälder und Talauen wurden als neue Schutzkategorien anerkannt.
  • Auch die Pflicht zur Förderung einer naturschutzbezogenen Bildungsarbeit wurde in das Gesetz aufgenommen.
  • Der Aufbau eines Biotopverbundsystems ist nun als verpflichtendes Ziel im Gesetz festgeschrieben.
  • Zur Durchführung der Landschaftspflege werden die Landschaftspflegeverbände gesetzlich verankert, in denen kommunale Gebietskörperschaften, Landwirte und Naturschutzverbände gleichberechtigt zusammenarbeiten. Damit wird die 1986 in Bayern entstandene Idee des gruppenübergreifenden Arbeitens im Naturschutz in das Gefüge der öffentlichen Aufgabenerfüllung eingebaut. Natürlich ist auch die Finanzierung dieser Aufgabe sicherzustellen. Die CSU-Fraktion ist sich dessen bewußt. Ich habe soeben noch einmal mit unserem Finanzminister Erwin Huber gesprochen. Deshalb kann ich Ihnen sagen, daß noch in dieser Woche die Beteiligung des Naturschutzes und der Landschaftspflege an den Erträgen der Glücksspirale unter Dach und Fach gebracht werden wird.

(Frau Biedefeld (SPD): Was ist mit den Kürzungen?)

Der Finanzminister steht zu seinem Wort. Dafür möchte ich ihm ausdrücklich danken.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Biedefeld, wenn Sie nach Norddeutschland schauen, werden Sie feststellen, daß dort etwas Vergleichbares nicht erreicht wurde. Ich habe mir vor kurzem in der niedersächsischen Naturschutzakademie in Schneverdingen die Klagen der Landschaftspfleger angehört. Für das gesamte Land Niedersachsen stehen in diesem Bereich nur 5 Millionen DM zur Verfügung.

(Frau Biedefeld (SPD): Nehmen Sie die Kürzung für die Landschaftspflege auch zurück?)

  • Die Abwicklung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen bei Eingriffen in die Natur wird deutlich verbessert. Künftig können von den Verursachern Sicherheitsleistungen verlangt werden. Für die Ausgleichsmaßnahmen sind Ökoflächenkataster zu erstellen, um die Durchführung später noch kontollieren zu können.
  • Der Vermeidungsgrundstz wird gestärkt. Beeinträchtigungen gelten künftig auch dann als vermeidbar, wenn das mit dem Eingriff verfolgte Ziel auf andere zumutbare Weise erreicht werden kann.
  • Die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie wird in Bayern komplett umgesetzt.
  • Der Einsatz der Grabenfräsen wird künftig für alle wasserführenden Gräben untersagt sein. Für alle übrigen Fälle ist eine Anzeigepflicht eingeführt worden.
  • Die Aufgaben der Naturschutzbehörden und des Landesamtes für Umweltschutz wurden erweitert und rechtlich klar abgesichert.

Schließlich weitet das Gesetz den Aufgabenkatalog des Bayerischen Naturschutzfonds beträchtlich aus. Neu eingeführt wurde die Förderung von Maßnahmen zum Aufbau eines landesweiten Biotopverbundsystems einschließlich der erforderlichen Vorbereitung und Abwicklung. Dies wurde durch die Aufstockung des Stammkapitals für den Naturschutzfonds von 25 auf 125 Millionen DM ermöglicht. Die Mittel wurden demnach verfünffacht. Damit kann man arbeiten.

(Beifall der CSU)

Frau Kollegin Biedefeld, den fünf Anträgen, die Sie heute erneut zur Abstimmung stellen, können wir nicht zustimmen. Sie sind bezüglich der Nachhaltigkeit und des Eigenwerts der Natur ohnehin im Gesetz enthalten. Im übrigen wurden diese Anträge in der Einzelberatung bereits abgelehnt.

Wir können heute mit Fug und Recht sagen, daß wir nach dem bahnbrechenden Naturschutzgesetz von 1973 wieder ein Naturschutzgesetz haben, das im europäischen Vergleich beispielhaft ist. Es reiht sich würdig in die Tradition des Gesetzes aus dem Jahre 1973 ein. Damals hat der legendäre Abgeordnete Nikolaus Asenbeck im Landwirtschaftsausschuß gesagt:

Das neue Gesetz soll nicht nur das eine oder andere verhindern, sondern es soll die Grundlage dafür schaffen, um in Zukunft aktiv das Gefüge der Natur in Ordnung zu halten.

Heute ist die Frage zu stellen, ob dies gelungen ist. Ich glaube, daß die Balance zwischen Wandel und Bewahrung, zwischen Ökonomie und Ökologie in Bayern besser als in den meisten anderen Ländern gelungen ist. Dennoch ist festzustellen, daß die natürlichen Lebensgrundlagen in den letzten 25 Jahren auch in Bayern unverkennbar stärker in Anspruch genommen wurden. Das haben noch nicht alle bei uns verstanden. In einer Informationsgesellschaft stellt eine hohe Naturqualität einen entscheidenden Standortfaktor für den wirtschaftlichen Erfolg dar. Wir wissen, daß ein hochentwickeltes Land wie Bayern auf die Dauer nur dann in der Weltspitze bleiben kann, wenn seine natürlichen Lebensgrundlagen in Ordnung sind.

(Frau Biedefeld (SPD): Die CSU sollte nicht nur reden,
sondern auch handeln!)

Ein High-Tech-Land ist nur denkbar, wenn es eine intakte Natur hat. In der Dienstleistungsgesellschaft sind intakte Landschaften ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Die Sicherung der Naturqualität Bayerns im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung ist die Aufgabe des neuen Naturschutzgesetzes. Es soll dazu beitragen, die "Agenda 21" in Bayern umzusetzen. Wir brauchen eine Zusammenschau ökologischer, sozialer und ökonomischer Belange. Jede einzelne Entscheidung muß künftig diese drei Gesichtspunkte im Auge haben und ihnen gerecht werden. So ist auch das von Ihnen zitierte Wort von Ministerpräsident Stoiber zu verstehen, der gesagt hat:

Klassischer Naturschutz ist wichtiger denn je.

Warum? Naturschutz hält die Verbindungen zu unseren natürlichen Wurzeln offen. Die Zivilisationswelt darf die natürlichen Abläufe nicht völlig zudecken, sie müssen sichtbar bleiben. Gerade Kinder brauchen die natürliche Welt, um ihr Auge an dem schulen zu können, was sich außerhalb der technischen Welt abspielt, um einen Maßstab zu finden, wo sie selbst im Gefüge des Lebens stehen.

Unser Fraktionsvorsitzender Alois Glück wies immer wieder darauf hin, dass es der Naturschutz in der politischen Diskussion schwrer hat als andere Bereiche -

(Schläger (SPD): Bei dieser Regierung schon!)

das spiegelt sich auch in dem einen oder anderen Kompromiß wider -, weil es dabei um Dinge geht, die man nicht zählen und nicht messen kann. Was ist der Gesang eines Vogels wert oder das Plätschern eines Baches? Das sind aber gerade oft die Dinge, die Freude in unser Leben bringen und gemüthaftes Wohlbefinden, das so wichtig ist.

Die Bewahrung der Heimatnatur und die Sicherung der Lebensmöglichkeiten für die Mitgeschöpfe des Menschen sind im Kern bewahrende Aufgaben. Deswegen wissen wir, dass das gerade für eine konservative Partei eine Verpflichtung ist. Was den Eigenwert der Natur angeht, möchte ich Ihnen eines sagen: Im Grundsatzprogramm der CSU aus dem Jahr 1993 steht:

Der Wert eines Geschöpfes misst sich nicht an seinem Nutzen für den Menschen. Alles Lebendige hat im Rahmen der Schöpfungsordnung seinen eigenen Wert.

(Frau Biedefeld (SPD): Das hat keiner bestritten!)

Vorsitzender der Programmkommission war damals Edmund Stoiber.

Schläger (SPD): Das sind bloß Sprüche!)

Wir brauchen da nicht Ihren Nachhilfeunterricht. Das, was wir in das neue Gesetz geschrieben haben, ist die logische Fortentwicklung des Grundsatzprogramms der Christlich-Sozialen Union.

(Schläger (SPD): An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen, nicht an ihren Sprüchen!)

Ich denke, das kann auch nicht durch Ihre Kritik an einzelnen Punkten geschmälert werden.

(Frau Biedefeld (SPD): Doppelstrategie!)

Die Betonung des eigenen Werts ist unerlässlich. Denn durch die riesigen Fortschritte der Technik sind auch die Eingriffsmöglichkeiten des Menschen ins Riesige gewachsen. Das Bild vom "untertan machen" wird dem nicht mehr gerecht, weil es aus einer Zeit stammt, in der der Mensch der Natur alles mühsam abringen musste und ihr von gleich zu gleich gegenüberstand.

Wir sind der Meinung, dass heute das Behütende in den Vordergrund treten muss. Wir brauchen eine Ethik des behütenden Umgangs mit der Natur. Sie ist in dem Schöpfungsauftrag "bebauen und bewahren" vorgezeichnet. Von daher berührt der Naturschutz ein zentrales Politikfeld der CSU.

Meine Damen und Herren, dieses Gesetz sieht die Natur aber auch mit den Augen derjenigen, die von den Erträgen der Landnutzung leben müssen. Es setzt wohl einen ordnungspolitischen Rahmen, aber es lässt viel Spielraum für freiwilliges Handeln. Ich möchte darstellen, dass es auch für die Landwirtschaft entscheidende Verbesserungen und Vorteile bringt:

einen gesetzlichen Ausgleichsanspruch für erhöhte Anforderungen an die Bodennutzung,

(Beifall des Abgeordneten Loscher-Frühwald (CSU)


einen Rechtsanspruch auf die Rückumwandlung von Biotopen, wenn der Staat seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommt. Anders als Sie bin ich davon überzeugt, dass dieser Vertrauensschutz mehr Flächen für den Naturschutz bringen wird, weil viel mehr Grundeigentümer bereit sind, Flächen für die Natur zur Verfügung zu stellen.

(Beifall des Abgeordneten Loscher-Frühwald (CSU) - Frau Biedefeld (SPD): Wir warnen Sie!)


den Ausgleich von Beeinträchtigungen auch im Wege des Vertrags.


eine Landwirtschaftsklausel, die praktisch voll auf die Vorstellungen der Landwirtschaft eingeht. Sie findet ihre Entsprechung in § 17 des Bodenschutzgesetzes, in dem die gute fachliche Praxis definiert ist.


ein Punkt, den Sie überhaupt nicht erwähnt haben, nämlich die Verpflichtung aller Erholungssuchenden, auf die Belange der Grundeigentümer und Nutzungsberechtigten Rücksicht zu nehmen. Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt im neuen Naturschutzgesetz.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU - Kaul (CSU): Aber das ist Sozialisten völlig wurscht!)


Schließlich die Verpflichtung der Behörden, den Eigentümern die Ergebnisse der Biotopkartierung bakanntzugeben.
(Frau Biedefeld (SPD): Sonntagsrede!)

Abschließend sage ich noch einmal: Dieses Gesetz lässt viele Freiräume. Das verlangt aber von Eingriffsverwaltungen, von der Landwirtschaft, der Fischerei, der Grundstoffindustrie und auch allen erholungssuchenden Bürgern mehr freiwillige Verantwortung und Rücksichtnahme. Der Bayerische Landtag gibt mit diesem Gesetz vielen Bevölkerungsgruppen einen Vorschuss an Vertrauen. Sie alle bleiben deshalb aufgerufen, auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung aufeinander zuzugehen und gemeinsam zu handeln.

(Beifall bei der CSU)