Die Schöpfung bewahren

55. Parteitag der Christlich-Sozialen Union 22./23. November 1991, München. Einführungsrede Josef Göppel am 22.11.1991

Politik für das Leben

Das Umweltprogramm, das wir heute beraten, steht in der Tradition des Positionspapiers "Umweltpolitik in den 80er Jahren", das die CSU zur Bundestagswahl 1980 vorgelegt hat und des Berichts "Fortschritt im Dienste des Lebens" aus dem Jahr 1986.
Der Titel "Politik für das Leben" soll deutlich machen, dass es angesichts globaler Gefährdungen um die Sicherung der natürlichen Grundlagen für alles Leben geht. Der manchmal herbeigeredete Gegensatz zwischen menschlichen Interessen und Naturschutz entspringt kurzfristigem Denken. Franz Josef Strauß hat dazu schon 1980 gesagt: "Umweltschutz ist letztlich Lebensschutz und muss deshalb auch die Maxime wirtschaftlichen Handelns sein.

Über den Tag hinaus

In einer der Stellungnahmen zum Umweltprogramm, die jetzt im Vorfeld des Parteitags entstanden sind, heißt es, der Entwurf gehe über die in der Regierungserklärung festgelegte Linie hinaus. Dazu sage ich, das Programm einer Partei darf nicht nur Dinge enthalten, die die Regierung in nächster Zeit sowieso macht, sonst ist es überflüssig.

Hier geht es außerdem um ein Programm, das ein Jahrzehnt umspannen soll, ein Programm für die 90er Jahre. Wir müssen die Spannung aushalten zwischen dem, was kurzfristig machbar ist und den fernen Zielen, die wir als richtig erkennen. Von Wahl zu Wahl wird deutlicher: Die Zahl der Stammwähler schrumpft bei allen Parteien. Immer mehr Menschen müssen neu gewonnen werden. Entscheidend dafür sind neben der persönlichen Glaubwürdigkeit der Repräsentanten einer Partei Konzepte über den Tag hinaus. Wir betreiben zu viel reagierende Politik und zu wenig vorausschauendes Gestalten.

Zur Programmatik

Die CSU hat in der Umweltpolitik viele praktische Erfolge vorzuweisen. In manchen Bereichen ist Bayern unbestreitbar führend in Europa. Wir dürfen dieses Zukunftsfeld aber auch programmatisch nicht den anderen überlassen. Wir sollten uns von Überschneidungen im Einzelfall nicht abhalten lassen, Themen selber zu besetzen. Schutz der Schöpfung ist konservative Politik im besten Sinn!

Grundsätze

Das neue Umweltprogramm wird von drei Grundsätzen geprägt:

  • Umweltverträgliche Politik muss sozialverträglich sein. Belastungen, die einzelne Bevölkerungsgruppen wie Familien, Pendler oder Behinderte unverhältnismäßig stark treffen, sind auszugleichen. Hierher gehört auch die Beachtung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Eine deutsche Vorreiterrolle ist auf vielen Feldern geboten. Dabei muss aber das Nachziehen unserer Partner in der EG zeitlich absehbar sein.
  • Möglichst viel soll dezentral, auf der kommunalen Ebene entschieden werden. Die besten Ideen wachsen in der Praxis.
  • Bei allen Initiativen muss gesagt werden wie sie zu finanzieren sind. Dabei ist das Verursacherprinzip konsequenter als bisher anzuwenden. Es war ein klarer Auftrag der Parteiführung an den Arbeitskreis, Deckungsvorschläge zu unterbreiten. Ich bitte Sie deshalb, dem Antrag auf Streichung sämtlicher Umweltabgaben nicht zuzustimmen, sonst ist dieses Programm ein wertloses Stück Papier.

Umwelt und Wirtschaft

Die Wirtschaft, vor allem Mittelstand und Handwerk, greifen die Herausforderung des Umweltschutzes zunehmend konstruktiv auf. Viele Unternehmer sehen nicht nur die Kosten, sondern auch die Marktchancen, die in umweltverträglichen Produktionsverfahren und Erzeugnissen stecken. Darauf weist der letzte Bundesraumordnungsbericht besonders hin. Strenge Umweltschutzauflagen gefährden die Standortvorteile und große Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nicht, heißt es dort. Mittel- und langfristig seien höhere ökologische Standards sogar eher ein Vorteil, da andere Staaten die notwendige Anpassung noch vor sich hätten. Auch gingen von hohen Umweltschutznormen neue Wirtschaftsimpulse aus.

Das Umweltbundesamt befragte 1990 600 Unternehmen nach den betrieblichen Auswirkungen von Umweltinvestitionen. Zwei Drittel der Firmen sagten, ihre Investitionen in den Umweltschutz hätten zu einer Erlössteigerung geführt.
Trotzdem geht es auf manchen Gebieten sehr mühsam voran. Die ständigen Appelle an die Freiwilligkeit der Wirtschaft sind in Wirklichkeit nicht wirtschaftsfreundlich. Ein mittelständischer Unternehmer aus meinem Stimmkreis sagte mir vor kurzem:
"Wenn ich freiwillig Mehrkosten auf mich nehme, haben die Mitbewerber, die das nicht tun. Konkurrenzvorteile." Hier ist eindeutig die Politik gefordert. Sie muss die nötigen politischen und finanziellen Signale an die Wirtschaft geben. Der Markt kann manche Probleme von sich aus nicht lösen. Dazu gehört neben regional ausgewogenen Lebensbedingungen eben auch die Umweltfrage. Genau diese beiden Ziele stellte Alfred Müller-Armack 1960 in den Mittelpunkt seiner Konzeption zur "Zweiten Phase der sozialen Marktwirtschaft".

Die Hinwendung zu einem Leben und Wirtschaften in Einklang mit der Natur kann nur gemeinsam mit der Wirtschaft gelingen. Die Politik muss nun aber durchgängig die ökologische Ausrichtung der Marktwirtschaft neben der sozialen Begrenzung verankern. Markt-, Sozial- und Naturprinzip sind nach Müller-Armack grundsätzlich gleichrangig. Er nannte das eine Versöhnungsidee, eine friedensstiftende Formel.
In den Kapiteln "Umwelt und Wirtschaft" und "Politischer Rahmen" wird dieses Gedankengut im Programmentwurf konkretisiert und mit praktischen Handlungsanleitungen versehen.

Landwirtschaft

Neben der Wirtschaft im allgemeinen wird im Umweltprogramm der Landwirtschaft breiter Raum gewidmet. Ein Verbundnetz existenzfähiger bäuerlicher Familienbetriebe liegt ganz stark auch im Interesse des Umweltschutzes. Wenn so viele Bauern aufgehört haben, daß die flächendeckende Pflege der gewachsenen Kulturlandschaft gar nicht mehr möglich ist, dann hilft romantisches Verklären des alten Zustandes nicht mehr. Auf diese Schwelle bewegen wir uns beängstigend rasch zu.

Die Landwirtschaft braucht jetzt die Hilfe der Umweltschützer. Die landeskulturellen Leistungen der bodengebundenen Landwirtschaft, die über den Produktpreis nicht abgegolten werden, sind mit einem eigenständigen Entgelt zu honorieren. Es ist ungerecht,. dass die Leistungen der Bauern für die Allgemeinheit von ihnen selber bezahlt werden müssen.

Energie

Im Zentrum eines Umweltprogramms für die 90er Jahre stehen zwangsläufig die Themen Energieverbrauch und Verkehr. Hier ist ein Seitenblick auf den Zusammenbruch der kommunistischen Ideologie und ihrer Zwangsherrschaft angebracht. Unser freiheitliches System hat sich als überlegen erwiesen. Letztlich gab die Strahlkraft unserer wirtschaftlichen Verhältnisse den Ausschlag. Das kann heute niemand mehr leugnen. Die Union hat daran mit dem Konzept der sozialen Marktwirtschaft ihren geschichtlichen Anteil.

Hüten wir uns aber vor Selbstgefälligkeit. Mit dem jetzigen Energie- und Rohstoffverbrauch werden auch wir nicht auf Dauer in Wohlstand und Frieden leben können! Ein Viertel der Weltbevölkerung verbraucht drei Viertel der Energie. Was soll geschehen, wenn die Menschen in der dritten Welt dieselben Ansprüche stellen wie wir? Mit welchem Recht unterstellen wir, dass es soweit schon nicht kommen wird?
Schnell sind wir geneigt, unsere Verantwortung herunterzuspielen. Aber die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Der Vorsitzende der Enquete-Kommission des Bundestags zum Schutz der Erdatmosphäre, Staatssekretär Bernd Schmidbauer, sagte in einem Interview auf die Frage, welchen Anteil das Abbrennen der Tropenwälder - abgesehen von der Auslöschung vieler Pf lanzen- und Tierarten - am Treibhauseffekt habe: "Die Vernichtung der Tropenwälder schlägt mit etwa 15 Prozent zu Buche. Das bedeutet also, dass die Industrienationen die Hauptverantwortung am Treibhauseffekt haben. Sie blasen über 60 Prozent der Emissionen aller klimarelevanten Spurengase in die Luft."

Dabei ist noch kein Ende abzusehen. Ein von Wirtschaftsminister August Lang Anfang August bekannt gegebenes Gutachten sagt aus, dass der Gesamtenergieverbrauch Bayerns bis zum Jahr 2010 noch einmal um rund 10 Prozent steigen wird, obwohl sich die Energieausnutzung um ein Drittel verbessert. Hauptverantwortlich dafür ist das steigende Verkehrsaufkommen. In anderen nördlichen Ländern verläuft die Entwicklung ähnlich.

Wir kommen um die Senkung unseres Energieverbrauches nicht herum. Dafür gibt es einen gewichtigen Zeugen, Benningsen-Foerder, den verstorbenen VEBA-Chef. In einer Rede für den Wirtschaftsbeirat der Union, die nach seinem plötzlichen Tod dort verlesen wurde, sagte er: "Die heutige Art der Weltenergieversorgung kann keine lange Zukunft mehr haben. Wir müssen den Zuwachs des Weltenergieverbrauchs ganz erheblich unter die bisherigen Prognosen drücken. Mit anderen Worten: Das erheblich verstärkte Energiesparen muss weltweit den größten Einzelbeitrag zur Problemlösung leisten. Jede Politik braucht Visionen. In unserem Fall heißt das, die Energieversorgung verträglich in die Kreisläufe der Natur zu integrieren."

Müssen wir uns das von einem Wirtschaftsführer sagen lassen? Haben wir als Partei unsere Ziele hier weit genug gesteckt? Der neue Bericht des Club of Rome enthält an mehreren Stellen dramatische Appelle: "In den Industrieländern werden sich Lebensstil und Konsumverhalten ändern müssen. Nur rigoroses Energiesparen kann weltweit den Teufelskreis der jetzigen Entwicklungstrends brechen. Der Druck der Tatsachen ist so groß, dass wir uns entweder ändern müssen oder von der Erde verschwinden werden."

Wir haben es mit in der Hand, wie die Welt von morgen aussehen wird. Ich bitte Sie deshalb um Ihre Zustimmung zu den deutlichen Gewichtsverlagerungen im Energieteil des neuen Umweltprogramms. Ich wende mich auch strikt gegen die Auffassung, dass die in den Koalitionsverhandlungen im Januar 1991 vereinbarte C02-Abgabe für diese Legislaturperiode gestorben sein soll. Das hieße, die Augen vor klaren Zukunftsaufgaben zu verschließen.

Verkehr

Der Problembereich Verkehr hängt mit der Energiefrage eng zusammen. Werfen wir auch hier zunächst einen Blick auf die Zahlen. Nach den Prognosen des Bundesverkehrsministeriums werden sich die Fahrleistungen beim Gütertransport auf der Straße bis zum Jahr 2010 um 95 Prozent erhöhen. Die Zahl der Pkw wird von 33 auf 46 Millionen steigen. Dazu kommen noch die ausländischen Fahrzeuge.
Mit Modellversuchen, Appellen und ein bisschen Anreizen, auch mit mehr Straßen, werden wir dieser Flut nicht Herr werden. Deutschland ist weltweit zum Transitland Nummer eins geworden. Nach der Grenzöffnung zu Osteuropa wird der Kanaltunnel von England her noch einmal einen neuen Schub bringen. Mehr Straßen öffnen die Schleusen für immer mehr Lkw-Durchgangsverkehr. Durch die Fortschreibung des Gewohnten können diese Probleme nicht mehr gelöst werden. Jetzt helfen nur klare politische Kursänderungen. Das Wahlprogramm der CDU/CSU zur Bundestagswahl 1980 - Franz Josef Strauß war Kanzlerkandidat - forderte im Kapitel Umwelt "eine grundlegende politische Wende und nicht nur Randkorrekturen". Haben wir im Verkehrsbereich seither genügend getan? Ist uns vor allem der Anspruch dieses Zieles an uns selber immer bewusst?

Hohe Mobilität ist die Voraussetzung für unseren Wohlstand - stimmt das heute noch? Ersticken wir nicht allmählich an der übersteigerten Mobilität? Seit 1960 wuchsen die Fahrleistungen dreimal so stark wie das Bruttosozialprodukt. Am stärksten war der Anstieg im Freizeitverkehr.

Ich schlage Ihnen vor, eine breit angelegte politische Initiative der CSU zur Entkoppelung von Mobilität und Wirtschaftsentwicklung einzuleiten, wie sie beim Energieverbrauch erfolgreich angelaufen ist.

Mobilität muss im Zeitalter der Telekommunikation nicht immer physische Mobilität heißen. Die Betriebsvereinbarung "Arbeit zu Hause" von IBM deutet hier die Richtung an. Güterverteilzentren mit Lieferung auf Bestellung oder Telestuben auf dem Land sind weitere Beispiele dafür.

Eine große Aufgabe kommt auf die Landesplaner und Kommunalpolitiker zu. Die weitgehend am Auto orientierte Siedlungsstruktur muss auf öffentliche Verkehrsanbindungen ausgerichtet werden. Fabriken rauchen überdies nicht mehr wie in früheren Jahrzehnten. Die strikte Trennung von Arbeiten, Wohnen und Erholen muss zugunsten einer engeren Durchmischung überdacht werden. Das alles lässt sich nur allmählich und langfristig ändern. Gerade deswegen müssen wir jetzt die Weichen richtig stellen.

Wie beim Abfall muss auch beim Verkehr die Vermeidung erste Priorität bekommen. Danach kommt dann die Frage nach der umweltverträglichen Bewältigung des Verkehrs. Wir dürfen die vorausgesagten Verkehrszuwächse nicht als gottgegebene Naturereignisse hinnehmen, sondern müssen sie kritisch hinterfragen.
Für den Bonner Verkehrsminister Krause ist Verkehrsvermeidung ein "hässliches Wort". Mit diesem Denken geraten wir politisch gefährlich in die Defensive. Das blaue Auge, mit dem wir beim Müll-Volksentscheid davongekommen sind, sollte uns eine Lehre sein. Staatssekretär Herbert Huber aus dem Innenministerium hat im Bayernkurier vor kurzem völlig richtig davon gesprochen, dass der Staat keine schrankenlose Mobilität garantieren könne. Jeder Bürger müsse sich überlegen, ob wirklich alle Fahrten notwendig seien. und ob wir die Straßen durch "just-in-time"-Anlieferung weiter zum Lagerplatz werden lassen könnten.

In diesen Gesamtzusammenhang ist auch das Tempolimit einzuordnen. Es ist sicher nicht der einzige Bestandteil einer neuen Verkehrspolitik, aber es gehört um der Glaubwürdigkeit willen dazu.

Aus der Sicht des Umweltarbeitskreises sprechen vor allem drei Gründe für eine generelle Geschwindigkeitsbeschränkung:

  • Geringere Geschwindigkeit spart Energie und verursacht weniger Schadstoffe. Der von keinem Katalysator zurückhaltbare C02-Ausstoß steigt mit der Geschwindigkeit exponentiell an. Der Streit, ob ein Tempolimit den C02-Ausstoß insgesamt um 2, 3 oder 5 Prozent senkt, ist müßig. Jedes Prozent zählt, wenn wir das von der Bundesregierung beschlossene Ziel, den C02-Ausstoß bis zum Jahr 2005 um 25 Prozent zu senken, überhaupt erreichen wollen.
  • Die sogenannten intelligenten Verkehrsleitsysteme sind sicher gut, aber ihr flächendeckender Aufbau erfordert mehr als ein Jahrzehnt, und sie bringen einen Aufschub, lösen aber das Grundproblem nicht.
  • Eine Geschwindigkeitsbeschränkung bringt mehr Verkehrssicherheit und gleichmäßigeren Verkehrsfluss. Nach einer Zusammenstellung der Bundesanstalt für Straßenwesen von 1991 kommen "alle bisher vorliegenden Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass eine Dämpfung der Geschwindigkeiten in der Regel zu Sicherheitsgewinnen führt. Das wirkt einer aggressiven, risikoreichen Fahrweise entgegen". Insgesamt wirkt sich ein generelles Tempolimit dämpfend und beruhigend auf den gesamten Verkehr aus, es erzeugt ein "gelasseneres Verkehrsumfeld". Davon profitiert vor allem die immer größere Zahl älterer Fahrer.

Wer das nicht gelten lassen will, der müsste konsequenterweise auch die Abschaffung der Richtgeschwindigkeit 130 fordern. Sie wurde 1974 aus ebendiesen Gründen eingeführt.
Eine Geschwindigkeitsobergrenze macht den Weg frei für eine Automobilentwicklung, die wegführt von immer mehr Tempo und PS und hinführt zu mehr Umweltverträglichkeit, mehr Sicherheit und auch mehr Bedienungskomfort.
Ich wünsche mir z.B. ein Auto mit elektronischer Abstandssicherung, die Auffahrunfälle vermeiden hilft.
Die Argumente einiger Vertreter der Autoindustrie erinnern mich an die Diskussion bei der Einführung des Katalysators. Damals hieß es auch, das bringt uns um, und dann - urplötzlich - wenn die Politik nur eher gehandelt hätte, dann hätten wir es schon viel früher gemacht.
Die allzu starke Betonung des Wettbewerbsvorteils deutscher Fahrzeuge ruft bereits die EG-Kommission und andere Mitgliedsstaaten auf den Plan, die ein EG-einheitliches Tempolimit wegen der Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen fordern.
Kommen wird es sowieso durch den Druck der EG und den Zwang der Verhältnisse, ob nun mit oder ohne uns. Wir sollten uns die Entscheidung nicht von anderen aus der Hand nehmen lassen.
Der Umweltarbeitskreis hat im übrigen nicht 120 gefordert, sondern es gilt die Formulierung im Programmentwurf. Sie lässt auch 130 zu. Das ist eine schöne Reisegeschwindigkeit.
Ich bitte Sie, dem Antrag auf Streichung dieser Passage nicht zuzustimmen. Hier zeigt sich die Ernsthaftigkeit unseres Willens, wirklich etwas zu ändern, und zwar auch in unserem eigenen Verhalten. Eine Geschwindigkeitsgrenze ist das ehrliche Signal, dass die Lösung der Verkehrsprobleme mit technischen Mitteln allein nicht erreichbar ist, sondern auch Verhaltensänderungen verlangt. Die Mehrzahl der Menschen spürt doch ohnehin, dass es so nicht weitergeht.
Neue Herausforderungen verlangen neue Antworten. Da verliert niemand sein Gesicht, ganz im Gegenteil. Wer angesichts neuer Verhältnisse eine frühere Haltung aufgeben kann, der beweist Mut und Weitblick. Darum bitte ich Sie.

Aufbruch unserer Politik

Wir brauchen wieder eine Aufbruchstimmung in unserer Politik wie zu Beginn der 70er Jahre als Hans Eisenmann den bayerischen Weg in der Agrarpolitik konzipierte und Max Streibl das erste Umweltministerium Europas übernahm. Das war der Weg zu unserem größten Wahlerfolg 1974 mit 62 Prozent.

Mit dem Sieg über den Kommunismus und der deutschen Wiedervereinigung sind wesentliche Ziele unserer Politik erreicht. Die Kompetenz in Wirtschafts- und Finanzfragen ist zu schmal, um langfristig Mehrheiten zu sichern. Auf unserem ureigenen Feld, dem Schutz der Schöpfung, sollten wir uns von niemandem übertreffen lassen. Mit diesem Umweltprogramm erringen wir die Meinungsführerschaft in der Umweltpolitik.

Der konservative Historiker Albert Mirgeler hat 1953 im Schlusskapitel seiner "Geschichte Europas" geschrieben: "Die dringendste Aufgabe Europas ist zweifellos die Bändigung des technischen Fortschritts." Mirgeler forderte die Freilegung der Quellen des Daseins und den Einbau der Technik in das menschliche Gesamtgefüge.
In diesem historischen Prozess, der von der Größenordnung her mit der Lösung der sozialen Frage nach der Industrialisierung vergleichbar ist, stehen wir heute an einem wichtigen Markstein.