Der Triesdorfer Weg

Rede zum 10. Triesdorfer Johannitag am 23.06.1985

I. Landwirtschaft in Triesdorf

Der Triesdorfer Johannitag findet heute zum 10. Mal statt. Er ist eine vielfältige Zusammenschau dessen, was Triesdorf für Landwirte und Verbraucher zu bieten hat. Er wurde von Dr. Schmoll vor 10 Jahren konzipiert. In Triesdorf befinden sich zur Zeit das Lehrgut des Bezirks, die Lehrmolkerei des milchwirtschaftlichen Vereins und 9 Schulen mit 997 Schülern. Der Bezirkstag Mittelfranken hat in den letzten 10 Jahren 30 Mio. DM in Triesdorf investiert. Damit soll zweierlei erreicht werden:

die bestmögliche Ausbildung des landwirtschaftlichen Nachwuchses und
praktische Versuchserfahrungen aus dem Lehrbetrieb an Landwirte, Verbraucher und Hausfrauen weiterzugeben.
Unser Ziel ist es, dem praktizierenden Landwirt konkrete Hilfen für Entscheidungen in seinem heimatlichen Betrieb zu geben über Anbaumethoden, Fütterungsverfahren oder Aufstellungsformen und dem einzelnen Landwirt das Risiko von Neuentwicklungen abzunehmen.

Unser Prinzip ist, verschiedene Verfahren nebeneinander zu zeigen, z.B. werden nach dem Umbau im Rinderstall 3 verschiedene Aufstallungsformen zu sehen sein. Wir achten dabei streng darauf, dass nur gesicherte Erfahrungen weitergegeben werden, die in Triesdorf erarbeitet wurden. Wir haben zu diesem Zweck einen Fachbeirat mit praktizierenden Landwirten berufen. Dort wird die gesamte Versuchstätigkeit behandelt.

Die Leitlinie der Triesdorfer Arbeit ist das Entwicklungskonzept, nach dem seit 5 Jahren gearbeitet wird. Darin heißt es: "Die Bedürfnisse der bäuerlichen Familienbetriebe Frankens sind in den Mittelpunkt der Triesdorfer Arbeit zu stellen. Für sie sind Kosten und energiesparende Anbau- und Arbeitsverfahren zu erproben, die zugleich einen gesunden Naturhaushalt sichern."

Die Leitlinie Triesdorfs ist also ein möglichst naturgemäßer und vor allem kostenbewußter Landbau. Die bisherigen Arbeitsergebnisse können sich sehen lassen.

  • Die Kosten für zugekauften Mineraldünger konnten durch gezielteren Einsatz homogenisierter Gülle halbiert werden. Wenn man bedenkt, dass beim Getreidebau ¾ des Betriebsaufwandes Düngemittelkosten sind, kann man die Bedeutung dieser Einsparung ermessen.
  • Der Aufwand für Pflanzenschutz konnte bei gleichbleibenden Erträgen deutlich vermindert werden. Das war möglich durch konsequente Beachtung des Schadschwellenprinzips, durch die Ausnutzung von Vorfruchtwirkungen und durch gesunde, widerstandsfähige Getreidesorten. Die von der Triesdorfer Saatzuchtanstalt gezüchteten Winterweizensorten Amandus und Argon und die Wintergerste Adonia sind nun bundesweit anerkannt und in den Handel eingeführt. Soweit Pflanzenschutz erforderlich ist, wird in Triesdorf in der Regel mechanisch bekämpft, z.B. durch Striegeln und Hacken. Chemie ist das letzte Mittel.
  • Triesdorf kann inzwischen auf abgesicherte Erfahrungen in der Erosionsminderung bei Mais verweisen und arbeitet auch intensiv an Futterpflanzenmischungen zum Maisersatz, z.B. mit Erbsen-, Ackerbohnen- und Wickengemenge.
  • Unsere Landmaschinenschule arbeitet neben der besseren Gülleausbringungstechnik vor allem an energiesparenden Verfahren in der Bodenbearbeitung, die in erster Linie auch darauf gerichtet sind, den Bodendruck zu mindern.
  • Beim Triesdorfer Flurbereinigungsverfahren wurden Maßstäbe für die dezentrale Wasserrückhaltung, die behutsamere Wasserabführung aus der Flur und die Vernetzung der Landschaft mit Hecken, Feldrainen und bepflanzten Bachläufen gesetzt.
  • Das zugekaufte Kraftfutter wurde weitgehend durch eigenerzeugtes Getreide und Grundfutter ersetzt.
  • Leitlinie in Triesdorfer Tierhaltung sind artgerechte Haltungsformen, die auch vom Arbeitsaufwand her für bäuerliche Betriebe geeignet sind. Artgerechte Haltung und maßvolle Fütterung sind die wichtigsten Voraussetzungen für Gesundheit, Fruchtbarkeit und Langlebigkeit der Nutztiere.
  • In den kommenden Jahren wird sich Triesdorf auch der Erprobung nachwachsender Rohstoffe widmen, um deren Möglichkeiten für die fränkische Landwirtschaft auszuloten.

Diese Erfolge auf der fachlichen Ebene können die großen agrarpolitischen Probleme allerdings nicht lösen. Die derzeitigen Probleme in der Landwirtschaft sind keine vorübergehenden Schwierigkeiten, sondern die unausweichliche Konsequenz des gegenwärtigen Agrarsystems.

II. Wende der Agrarpolitik

Bei Fortsetzung der bisherigen Agrarpolitik werden die Märkte immer mehr überfüllt, der Verdrängungswettbewerb in der Landwirtschaft immer schärfer, die Einkommensunterschiede unter den Bauern immer deutlicher, die Schäden am Naturhaushalt immer größer, das Unverständnis der Verbraucher und Steuerzahler immer offenkundiger. Die Wurzel des Problems ist die produktbezogene Agrarförderung der EG, die zwangsläufig zu dauernden Mengensteigerungen führt, eine Agrarpolitik, die nur die Mehrproduktion honoriert.

Wir brauchen eine grundlegende Reform des Agrarsystems, die die Bauern vor dem mörderischen Druck zur dauernden Mengensteigerung befreit. Wir brauchen eine Umstellung weg von den produktbezogenen Hilfen hin zu flächenbezogenen Hilfen.

Der Landwirtschafts- und Umweltexperte Alois Glück hat im Bayer. Landtag jetzt Vorschläge für die Neuorientierung der Agrarpolitik vorgelegt, die diese Zielrichtung beinhalten. Es ist in dem Zusammenhang nicht unbescheiden, darauf hinzuweisen, dass sich im Triesdorfer Entwicklungskonzept von 1980 der Satz findet: "Die Landwirtschaft muß wegkommen von der Flucht in die Mengesteigerung, den Bauern muß auf andere Weise ein ausreichendes Einkommen ermöglicht werden." Damals wollte das noch niemand hören. Heute wird die Durchsetzbarkeit in der EG bezweifelt. Ich vertraue darauf, dass sich einer vernünftigen, zeitgemäßen Idee auf Dauer niemand widersetzen kann.

Entscheidend wird es dabei auf die Meinung der außerlandwirtschaftlichen Bevölkerung ankommen. Sie muß sich fragen, was längerfristig mehr in ihrem Interesse liegt; möglichst billige Nahrungsmittel, immer weniger Bauern und immer mehr Schäden am Naturhaushalt oder die Erhaltung vieler Bauern durch Honorierung ihrer Leistung für die Erhaltung des Landschaftsbildes bei gleichem Finanzbedarf wie bisher. Ich glaube auch nicht, dass die Umorientierung der Agrarpolitik am Gegensatz zwischen großen und kleinen Bauern in der EG scheitern wird. Denn die heutigen Großen werden bald selbst die Kleinen sein. Der Mechanismus des ständigen Wachsens ist gnadenlos und verschont keinen. Ein amerikanischer Farmer aus Kansas sagte kürzlich deutschen Besuchern: "Mein Großvater konnte seine Familie noch von 80 ha Land ernähren. Wenn heute meine Frau nicht als Lehrerin dazu verdienen würde, könnten wir von 450 ha fast nicht mehr leben." Das Schicksal der 5 % Bauern in der Bundesrepublik kann der übrigen Bevölkerung nicht gleichgültig sein. Zur Entscheidung steht die Frage, welches Gesicht unsere Landschaft in Zukunft haben wird. Es geht um einen ausgewogenen Naturhaushalt und gesunde Nahrungsmittel. Nur die flächenbezogene, bäuerlich betriebene Landwirtschaft ermöglicht den Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie, zwischen Nutzen und Natur. Die Entscheidung zwischen bäuerlicher und industrieller Landnutzung fällt von allein, wenn wir die grundlegende Umorientierung der Agrarpolitik jetzt nicht beginnen.

II. Triesdorfer Tradition

Triesdorf kann hierbei Sprachrohr sein. Seine wichtigste Bedeutung liegt aber darin, praxisbezogene, fachliche Impulse zu geben. Das landwirtschaftliche Zentrum in Franken hat es in seiner 200-jährigen Geschichte immer wieder verstanden, die Strömungen der Zeit frühzeitig aufzugreifen und für die fränkische Landwirtschaft nutzbar zu machen. Rückschauend können wir zwei agrar-historische Höhepunkte feststellen:

Da ist zunächst das ausgehende 18. Jahrhundert, als die landwirtschaftlichen Berater Carl Alexanders erkannten, daß die Aufgabe der Zeit Steigerung der Nahrungsmittelerzeugung durch Verbesserungen in der Tierzucht hieß. So kreuzte man denn Kühe aus Ostfriesland mit Bullen aus dem Berner Oberland und schuf die Rinderrasse Triesdorfer Tiger, man kreuzte fränkische Schafrassen mit spanischen Merinowiddern, englische Vollblutstuten mit Araberhengsten, man schuf das Ökonomiekollegium, eine frühe landwirtschaftliche Fachberatung und richtete eine Schafverbesserungspflanzschule ein.

Einem zweiten Höhepunkt strebte Triesdorf in den 20er und 30er Jahren dieses Jahrhunderts zu, als man sich der Aufgabe Arbeitserleichterung durch Mechanisierung annahm. Triesdorf wurde zu einem bedeutenden Knotenpunkt landwirtschaftlichen Erfahrungsaustausches im Deutschen Reich und beeinflußte die Gesamtentwicklung maßgeblich.

Heute heißt die Aufgabe, Landnutzung im Einklang mit der Natur und Rettung der bäuerlichen flächengebundenen Landwirtschaft, weil nur in ihr eine solche Landnutzung möglich ist. Ob wir insgesamt damit Erfolg haben werden, ist noch offen. Die Wende im europäischen Agrarsystem steht noch aus. Triesdorf kann hierbei nur einen bescheidenen Beitrag leisten, aber wir leisten ihn entschlossen und mit aller Kraft.

Agrarpolitik ist heute nicht mehr nur Politik für die Bauern. Die Weichenstellung, um die es jetzt geht, berührt das ganze Land.