Blühen lassen!

Rechenschaftsbericht vor dem CSU-Umweltarbeitskreis am 21.09.1991 in Nürnberg

Dieser Rechenschaftsbericht bezieht sich auf den Zeitraum von März bis September 1991. Am 16. März fand die Neuwahl des Landesvorsitzenden und eines stellvertretenden Landesvorsitzenden - Herbert Kollmannsberger - statt. 16 Jahre stand Alois Glück an der Spitze unseres Arbeitskreises. Er hat die Umweltpolitik der CSU wie kein anderer geprägt. Seine glaubwürdige Haltung hat der Partei gerade bei kritischen Schichten viel Vertrauen eingebracht. Seine bleibende Leistung ist aber wohl, dass er als einer der ersten in der Politik überhaupt den Zusammenhang zwischen einem gesunden Leben in Freiheit und Wohlstand und der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen offengelegt hat.

Am 15. Juni verabschiedete die Landesversammlung nach 2-jähriger Vorarbeit und intensiver Beteiligung der Parteibasis das Umweltprogramm für die 90er Jahre. Seither sind viele Mitglieder unseres Arbeitskreises damit beschäftigt, in der Gesamtpartei für die Ideen des neuen Programms zu werben. Ausdrücklich bedanke ich mich bei ihnen für ihre lebendige Mitarbeit. Aus den Kreis- und Bezirksverbänden bekam die Programmkommission unter der Leitung von Dr. Rüdiger Schweikl eine große Zahl von Ideen und Anregungen. Die öffentliche Diskussion hat den Umweltarbeitskreis gestärkt. Die Mitgliederzahl erhöhte sich in den letzten drei Monaten von 3.724 auf 4.071. Der Umweltarbeitskreis wird ernst genommen. Auf manche seiner Aussagen hat man wahrscheinlich auch deswegen so heftig reagiert, weil sie wahr sind.

Unser Arbeitskreis ist von seinem Selbstverständnis her Brücke zu den vielen Verbänden und Fachleuten, die sich außerhalb unserer Partei um den Umweltschutz bemühen. Damit öffnen wir die Partei für neue Ideen, wir gewinnen aber zugleich neues Vertrauen für die CSU.

Stellenwert des Umweltschutzes

In einer der Stellungnahmen zum Umweltprogrmm heißt es, der Entwurf gehe über die im Umweltprogramm der Staatsregierung und der Regierungserklärung festgelegt Linie hinaus. Dazu sage ich: Das Programm einer Partei darf nicht nur Dinge enthalten, die die Regierung in nächster Zeit sowieso macht, sonst ist es überflüssig.

Die CSU hat in der Umweltpolitik viele praktische Erfolge vorzuweisen. In manchen Bereichen ist Bayern unbestreitbar führend in Europa. Wir dürfen dieses Zukunftsfeld aber auch programmatisch nicht den anderen überlassen. Wir sollten uns von Überschneidungen im Einzelfall nicht abhalten lassen, Themen selber zu besetzen. Schutz der Schöpfung ist konservative Politik im besten Sinn! Als geschaffene Wesen sind wir letztlich dem Schöpfer verantwortlich. Das ist die geistig-ethische Wurzel unserer Umweltpolitik. Darin unterscheiden wir uns weitgehen von FDP, SPD und Grünen. Wir müssen uns vor reiner Diesseitsbezogenheit und grünem Fundamentalismus ebenso hüten wie vor unkritischer Wirtschaftsfreundlichkeit. Die Mittel der Menschen zu Eingriffen in die Natur sind ins Riesenhafte gewachsen. Die dafür eigentlich notwendige Ethik der Behutsamkeit ist noch kaum entwickelt. Wir brauchen eine neue Art von Demut und Staunen, nicht wie früher wegen der machtlosen Ausgeliefertheit an die Natur, sondern wegen der Größe unserer Macht. "An die Stelle von Naturbeherrschung tritt Einfühlung in die Natur, an die Stelle produktiver Veränderung das Sein - lassen als Ausdruck menschlicher Freiheit", so hat Hans Maier vor kurzem in seinem Aufsatz "Natur und Kultur" geschrieben. Ist es ein Zufall, dass Frauen und ältere Mmenschen diese Zusammenhänge deutlicher spüren als wir Männer zwischen 30 und 60? Der manchmal herbeigeredete Gegensatz zwischen menschlichen Interessen und Naturschutz nach dem Motto "Menschen sind wichtiger als Bäume oder Frösche" ist angesichts der Verwobenheit allen Lebens ein Trugschluss. Franz Josef Strauß hat dazu weitblickend schon 1980 gesagt: "Umweltschutz ist letztlich Lebensschutz und muss deshalb auch die Maxime wirtschaftlichen Handelns sein."

Geschlossenheit und offene Diskussion

Vor diesem Hintergrund sehe ich die in den letzten Monaten häufig beschworene Geschlossenheit der Partei. Geschlossenheit ist ein hohes Gut, aber sie darf nicht zur Abgeschlossenheit führen. Das Ringen um Ziele und Weg muss in einer Volkspartei Platz haben. Wir müssen die Spannung aushalten zwischen dem, was kurzfristig machbar ist, und den fernen Zielen, die wir als richtig erkennen. Von Wahl zu Wahl wird deutlicher: Die Zahl der Stammwähler schrumpft. Immer mehr Menschen müssen neu gewonnen werden. Das ist in einer gereiften Demokratie ganz normal.

Diskussionen über Sachfragen zur rechten Zeit schmälern den Wahlerfolg nicht, sie führen ihn auch nicht von vornherein herbei. Entscheidender für das Bild einer Partei sind die persönliche Glaubwürdigkeit ihrer Repräsentanten vom Gemeinderat bis zum Ministerpräsidenten und die Art, wie unterschiedliche Meinungen ausgetragen werden. In diesem Zusammenhang habe ich Grund, mich beim Parteivorsitzenden und dem Generalsekretär zu bedanken. Trotz unterschiedlicher Meinungen zum Tempolimit konnten die Arbeiten am Umweltprogramm unter Mithilfe der Parteizentrale in einem Klima wohltuender Toleranz abgewickelt werden.

Grundsätze

Das neue Umweltprogramm wird von drei Grundsätzen durchzogen.

  • Umweltverträgliche Politik muss auch sozialverträglich sein. Belastungen, die einzelne Bevölkerungsgruppen wie Familien, alte Menschen, Pendler oder Behinderte unverhältnismäßig stark treffen, sind auszugleichen.
  • Möglichst viel soll dezentral, auf der kommunalen Ebene entschieden werden. Die besten Ideen wachsen in der Praxis.
  • Bei allen Initiativen muss gesagt werden, wie sie zu finanzieren sind. Dabei ist das Verursacherprinzip konsequenter als bisher anzuwenden.


Umwelt und Wirtschaft

Erfreulich viele Betriebe, vor allem aus dem Mittelstand und dem Handwerk, greifen die Herausforderungen des Umweltschutzes konstruktiv auf. Sie sehen nicht nur die Kosten, sondern auch die Marktchancen, die in umweltverträglichen Produktionsverfahren und Erzeugnissen stecken. Darauf weist der letzte Bundesraumordnungsbericht besonders hin. Strenge Umweltschutzauflagen gefährdeten die Standortvorteile und große Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nicht, heißt es dort. Mittel- und langfristig seien höhere ökologische Standards sogar eher ein Vorteil, da andere Staaten die notwendige Anpassung noch vor sich hätten. Auch gingen von hohen Umweltschutznormen neue Wirtschaftsimpulse aus. Entkopplung von Wirtschaftsentwicklung und Umweltbelastung ist möglich. Darin sehe ich einen vielversprechenden Weg.

Das Umweltbundesamt befragte 1990 600 Unternehmen nach den betrieblichen Auswirkungen von Umweltinvestitionen. Zwei Drittel der Firmen sagten, ihre Investitionen in den Umweltschutz hätten zu einer Kostensenkung oder Erlössteigerung geführt.

Trotzdem geht es auf manchen Gebieten sehr mühsam voran.
Ein mittelfränkischer Landkreis will jetzt nach einjähriger Versuchsphase die getrennte Sammlung von Kunststoffen beenden, weil er dafür keine Abnehmer mehr findet. Die Kunststoffbetriebe der Region denken nicht im Traum daran, Altstoffe zurückzunehmen. Einige sagen, wenn sie freiwillig Mehrkosten auf sich nähmen, hätten die Mitbewerber Konkurrenzvorteile. Hier ist eindeutig die Politik gefordert.

Die Industrie muß alles, was sie produziert, auch wieder zurücknehmen! Wir dürfen nicht länger hinnehmen, daß sich damit die Städte und Landkreise herumschlagen müssen und die Endverbraucher über die Müllgebühren zahlen. Lebenslaufprinzip von Produkten heißt auch, daß die Kosten der Rückführung im Verkaufspreis enthalten sind und die zur Erfassung notwendigen Strukturen tatsächlich bestehen. Das Kreislaufprinzip muß in der Wirtschaftspolitik fest verankert werden. Nachgeben wäre hier ganz falsch.

Energie

In den letzten Wochen hielt uns die Außenpolitik in Atem. Wir sind Zeugen des Zusammenbruchs der kommunistischen Ideologie und ihrer Zwangsherrschaft, unser System hat sich als überlegen erwiesen. Die Union hat daran mit dem Konzept der sozialen Marktwirtschaft ihren geschichtlichen Anteil.

Hüten wir uns aber vor Selbstgefälligkeit. Mit dem jetzigen Energie- und Rohstoffverbrauch wird auch unsere Gesellschaftsordnung nicht überleben können! Ein Viertel der Weltbevölkerung verbraucht drei Viertel der Energie. Was soll geschehen, wenn Menschen in der 3. Welt dieselben Ansprüche stellen wie wir? Mit welchem Recht unterstellen wir, daß es soweit schon nicht kommen wird?

Schnell sind wir geneigt, unsere Verantwortung herunterzuspielen. Aber die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Der Vorsitzende der Enquete-Kommission des Bundestages zum Schutz der Erdatmosphäre, Bernd Schmidbauer, sagte in einem Interview auf die Frage, welchen Anteil das Abbrennen der Tropenwälder am Treibhauseffekt habe. "Die Vernichtung der Tropenwälder schlägt mit etwa 15% zu Buche. Das bedeutet also, daß die Industrienationen die Hauptverantwortung am Treibhauseffekt haben. Sie blasen über 60 % der Emissionen aller klimarelevanten Spurengasse in die Luft."

Dabei ist noch kein Ende abzusehen. Ein von Wirtschaftsminister August Lang Anfang August bekanntgegebenes Gutachten sagt aus, daß der Gesamtenergieverbrauch Bayerns bis 2010 nocheinmal um rund 10 % steigen wird, obwohl sich die Energieausnutzung um ein Drittel verbessert. Hauptverantwortlich dafür ist das steigende Verkehrsaufkommen. In anderen nördlichen Ländern verläuft die Entwicklung ähnlich.

Wir kommen um die Senkung unseres Energieverbrauches nicht herum. Die unaufhörlichen Anzeigenserien der Stromkonzerne zur Kernenergie wären glaubwürdiger, wenn ebenso massiv für Energieeinsparung geworben würde. Bennigsen-Foerder, der verstorbene VEBA-Chef, sprach in seiner letzten Rede davon, daß "Energiesparen und intelligenter Energieeinsatz weltweit den größten Einzelbeitrag zur Problemlösung" leisten müsse.

Der vor wenigen Tagen veröffentlichte neue Bericht des Club of Rome bekräftigt diese Einsicht. Nur rigoroses Energiesparen könne weltweit den Teufelskreis der jetzigen Entwicklungstrends brechen. Ganze Volkswirtschaften sollten mit Energiezahlen gelenkt werden. Auch unser Programm fordert ja, künftig in allen Bereichen - beim Bau von Häusern und Industrieanlagen, in der Produktion und im Verkehr - Energiebilanzen zu erstellen und politische Entscheidungen danach auszurichten.

In den USA schalten Stromversorger auf ungewöhnliche Strategien um. Sie stellen ihren Kunden kostenlos Stromsparlampen zur Verfügung, installieren unentgeltlich Boiler- und Leitungsisolierungen und führen maßgeschneiderte Haus-zu-Haus Beratungen durch. Energie sparen wird für die Stromfirmen lohnend, weil die Aufsichtsbehörden dann höhere Strompreise zulassen. Die Investitionen in Spartechnik rentieren sich damit mehr als der Bau neuer Kraftwerke. Den Stromabnehmern schaden die höheren Preise nicht. Wegen des verringerten Verbrauchs sinkt ihre Rechnung trotz der höheren Kilowattpreise. In 18 amerikanischen Bundesstaaten ist das Programm "Negawatt statt Megawatt" inzwischen gesetzlich verankert.

Manches wäre auch bei uns kurzfristig möglich. Warum machen wir beispielsweise die Erzeugung von Warmwasser mit Sonnenkollektoren nicht zum Bestandteil der Baugenehmigung, so wie die Einhaltung der Wärmeschutzverordnung? Bei der großen Zahl neuer Gebäude wäre das mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Stattdessen läßt Bonn die steuerliche Abschreibung von Energiesparinvestitionen zum Jahresende 1991 auslaufen. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Wachsamkeit ist bei der nun überall möglichen Konzessionsabgabe der Stromunternehmen an die Gemeinden nötig. Je mehr Stromverkauf, desto besser für die kommunalen Kassen. Ich halte die zweckgebundene Verwendung der Konzessionsabgabe für Energiespartechnologien, regenerative Energiequellen und öffentlichen Nahverkehr für absolut notwendig.

Einen humorvoll klingenden aber nachdenklichen Vorschlag habe ich vor kurzem bei einer Diskussion gehört. "Wir entwickeln immer mehr arbeitssparende Geräte und treiben dann Ausgleichssport. Warum nicht joggen, um abends den Energiespeicher des Hauses aufzufüllen?" Ich will damit nur deutlich machen, daß sich unsere Lebensweise in vielen Punkten ändern muß, wenn wir Wohlstand und Frieden auf Dauer erhalten wollen.

Ein Weg dorthin sind sicher auch die nachwachsenden Rohstoffe und Energieträger.Ich gebe Eberhard Sinner, der sich im Landtag damit verantwortlich befasst, völlig recht, wenn er sagt, der fossile Sonnenschein aus dem Innern der Erde müsse der in Pflanzen gespeicherten Sonnenenergie preislich gleichgestellt werden. Ich wende mich ebenfalls strikt gegen die Auffassung, daß die in den Koalitionsvereinbarungen im Januar 1991 vereinbarte CO²-Abgabe für diese Legislaturperiode gestorben sein soll. Bei der Erhöhung von Steuern und Abgaben aus anderen Gründen wird in Bonn weniger lang gefackelt.

Abschließen will ich das Kapitel Energie und Umwelt mit einem bezeichnenden Schlaglicht: Als ich vor kurzem ein großes bayerisches Unternehmen besuchte, habe ich gefragt: "Warum verlaufen Entwicklungen in der Wehrtechnik im Vergleich zu alternativen Energietechnologien so rasant?" die Antwort muß uns zu denken geben: "Die Aufgaben werden dort von der Politik präziser gestellt und massiver vertreten."

Verkehr

Der Problembereich Verkehr hängt mit der Energiefrage und ihren Klimaauswirkungen eng zusammen. Werfen wir auch hier zunächst einen Blick auf die Zahlen. Eine vom bayerischen Wirtschaftsministerium vor einem Monat veröffentlichte Studie sagt aus, daß der Straßengüternahverkehr bis zum Jahr 2005 um 30 % zunehmen wird, der Fernverkehr mit LKW`s gar um 59 %. Mit Modellversuchen, Appellen und ein bißchen Anreizen werden wir dieser Flut nicht Herr werden. Deutschland ist weltweit zum Transitland Nummer eins geworden. Der Kanaltunnel nach England wird nach der Grenzöffnung zu Osteuropa einen neuen Schub bringen. "Durch die Fortschreibung des Gewohnten können die Probleme nicht gelöst werden." sagte dazu der Bezirksverband Oberpfalz unseres Arbeitskreises völlig richtig. Jetzt helfen nur klare politische Kursänderungen. Das Wahlprogramm der CDU/CSU zur Bundestagswahl 1980 - Franz Josef Strauß war Kanzlerkanditat - forderte im Kapitel Umwelt eine grundlegende politische Wende und nicht nur Randkorrekturen. Haben wir seither genügend getan? Ist uns vor allem der Anspruch dieses Zieles an uns selber bewußt?

Ich halte die Vorabfestlegung des Bundesverkehrsministeriums im ersten gesamtdeutschen Verkehrswegeplan, alle im Plan von 1985 bestätigten Verkehrsprojekte grundsätzlich zu übernehmen, für einen politischen Fehler. Mit immer mehr Straßen öffnen wir die Schleusen für immer mehr LKW-Durchgangsverkehr. Das kann die Schiene mit noch so viel politischen Aufschwüngen nicht ausgleichen.

Die privaten Spediteure brauchen ihrerseits überall den direkten Zugriff auf die Schiene, um Zubringerverkehr und Ferntransport enger und schneller verzahnen zu können. Das wird nur in privater Hand funktionieren. Die Bahn soll sich darauf beschränken, den Fahrweg zur Verfügung zu stellen. Folgerichtig fordern wir im neuen Umweltprogramm, das Schienennetz dann ebenso wie die Fernstraßen vom Bund zu erhalten. Chancengleichheit muß auch hier geschaffen werden.

Im Zusammenhang mit der Attraktivität von Straße und Schiene ein Wort zum heiß umstrittenen Tempolimit. Es ist sicher nicht der einzige Bestandteil einer neuen Verkehrspolitik, aber es gehört um der Glaubwürdigkeit willen dazu. wir haben überhaupt keinen Grund, hier einen Rückzieher zu machen. Kommen wird es sowieso. Dem deutschen Veto bläst in der EG immer mehr der Wind ins Gesicht. Ich bin Bundesumweltminister Töpfer für seinen Vorstoß in dieser Frage sehr dankbar. Er wird seine Haltung heute Nachmittag mit uns diskutieren.

Der öffentliche Personennahverkehr wird nach der schon erwähnten Studie bis 2005 nur um 3 % zunehmen. Auch auf diesem Sektor wird der Trend nur mit einer Mischung aus Attraktivitätssteigerung des öffentlichen und Erschweren des individuellen Verkehrs zu brechen sein. Noch etwas vorsichtig sprach Wirtschaftsminister August Lang davon, daß man die Wahl des Verkehrsmittels stärker beeinflussen müsse. Mir ist wichtig, daß bei all dem die ländlichen Räume nicht auf der Strecke bleiben. Natürlich wird ein besseres Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln Geld kosten. Die Kommunen werden sich stärker beteiligen müssen. Meine Heimatgemeinde mit 6000 Einwohnern wendet z.B. in diesem Jahr 900.000 DM für den Straßenbau auf, aber keinen Pfennig für den öffentlichen Personennahverkehr. Der Großteil der Kosten für den öffentlichen Personennahverkehr wird jedoch vom Staat zu erbringen sein. Die Forderung der CSU-Landtagsfraktion, ab 1993 einen Teil der Mineralölsteuer für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs einzusetzen, ist eine seriöse und kurzfristig gangbare Lösung.
Das Ringen um die umweltverträgliche Bewältigung des Verkehrs darf den Blick auf Verkehrsvermeidung nicht verstellen. IBM Deutschland hat mit der Betriebsvereinbarung "Arbeit zu Hause" einen interessanten Weg eröffnet. Die 31.000 Mitarbeiter des Konzerns können künftig einen Teil ihrer Arbeit von zu Hause aus erledigen. Der schnelle Zugriff auf das Datennetz sei wichtiger, als stets persönlich im Büro anwesend zu sein, sagte IBM-Personalchef Hans-Werner Richter. Güterverteilzentren mit Lieferung auf Bestellung oder Telestuben auf dem Land sind weitere Beispiele, wie durch Telekommunikation Verkehr vermieden werden kann.

Eine große Aufgabe kommt bei der Verkehrsvermeidung auf die Kommunalpolitiker zu. Die weitgehend am Auto orientierte Siedlungsstruktur muß auf öffentliche Verkehrsanbindungen ausgerichtet werden. Fabriken rauchen überdies nicht mehr wie in früheren Jahrzehnten.Die strikte Trennung von Arbeiten, Wohnen und Erholen muß zugunsten einer engeren Durchmischung überdacht werden. Das alles läßt sich nur allmählich und langfristig ändern. Gerade deswegen müssen wir jetzt die Weichen stellen.

Landwirtschaft

Zum Erholen in der Nähe gehört eine gesunde und gepflegte Landschaft. Landschaftspflege durch Bauern ist ein Leitbild der bayerischen Agrarpolitik. Ein Verbundnetz existenzfähiger bäuerlicher Familienbetriebe liegt ganz stark auch im Interesse des Umweltschutzes. Das erlebe ich als Vorsitztender eines Landschaftspflegeverbandes täglich. Wenn so viele Bauern aufgehört haben, daß die flächendeckende Pflege der gewachsenen Kulturlandschaft gar nicht mehr möglich ist, dann hilft romantisches Verklären des alten Zustandes nicht mehr. Auf diese Schwelle bewegen wir uns beängstigend rasch zu. 35 % Preissenkung bei Getreide, das fängt keine Ausgleichszulage mehr auf.

Die Landwirtschaft braucht jetzt die Hilfe der Umweltbewegung. Ich befürworte die rasche Einführung eines allgemeinen Bewirtschaftungsentgelts in Bayern, das die landeskulturellen Leistungen der bodengebundenen Landwirtschaft honoriert. Baden-Württemberg bereitet zur Zeit ein solches Programm vor. Das vom Bayerischen Bauernverband dazu vorgelegte Konzept halte ich für eine realistische Grundlage, sowohl von den Anspruchsvoraussetzungen wie von der Höhe her. Es ist ungerecht, daß die Leistungen der Bauern für die Allgemeinheit von ihnen selber bezahlt werden müssen.

Ständige Preissenkungen sind der falsche Weg zur Beseitigung der Überschüsse. Sie setzen eine unheilvolle Spirale in Gang: Vergrößern, intensivieren und mehr produzieren, um doch noch überleben zu können! Das Schielen auf den sogenannten Weltmarktpreis, der in Wirklichkeit ein politisch herbeigeführter Dumpingpreis ist, ruiniert unsere Landwirtschaft und die der 3. Welt.

Was können wir tun?


In Briefen, die mich in den letzten Monaten erreicht haben, steht immer wieder, der Umweltarbeitskreis habe zwar einiges in Bewegung gebracht, aber insgesamt gehe doch alles viel zu langsam. Das ist wohl wahr, aber davon sollten wir uns nicht entmutigen lassen. Die Lösung der ökologischen Frage ist eine Aufgabe mehrerer Generationen, so wie es bei der Lösung der sozialen Frage auch war. Kein Schritt ist hier zu klein, um nicht getan werden zu müssen. Dirk Maxeiner, der Chefredakteur der Zeitschrift natur, hat kürzlich in einem Leitartikel die Arroganz derjenigen kritisiert, die Ansätze zur Besserung sogleich durch den Blick auf das Maximalziel denunzieren.

Sicher, von selber bewegen sich die Dinge nicht vorwärts. Unser Arbeitskreis als Ganzes hat die Aufgabe, seine drängende Rolle in der Politik engagiert wahrzunehmen. Öffentliche Meinung bildet sich auch aus der Summe vieler einzelner Meinungen. Ich bitte Sie deshalb alle, wo auch immer Sie tätig sind, Anstöße zu geben und selber mit gutem Beispiel voranzugehen.

Ich wünsche mir, daß die CSU in der Umweltfrage bald ebensoviel Profil zeigt, wie beim Schutz des ungeborenen Lebens, der inneren Sicherheit oder in der Vergangenheit beim Beharren auf die deutsche Einheit. Der Kommunismus ist zusammengebrochen. Freiheit und Marktwirtschaft haben gesiegt. Die Union hat Recht behalten. Das reicht aber nicht aus, um Wahlen in der Zukunft zu gewinnen. Nutzen wir die wahlfreien Jahre zur offenen Diskussion miteinander und zur neuen Standortbestimmung.

Proffessor Eugen Biser hat in seiner Grundsatzrede bei unserer Landesversammlung in Neumarkt zum Thema Bebauen und Bewahren gesagt: "Die Arbeit des Bebauens hat in erster Linie den Sinn, die im Garten schlummernden Keimkräfte freizusetzen und zum Blühen und Reifen zu bringen. Wie das Auftauchen der Schlange zeigt, ist der Garten Gefahren ausgesetzt. Nicht umsonst wird er von Cheruben bewacht. Ihrem Wächterdienst muß sich der Mensch anschließen, um die drohenden Gefahren fernzuhalten. In dieser Doppelaufgabe des Bebauens und Bewahrens besteht sein Auftrag."

In Zürich ist bis Ende Oktober die Forschungsausstellung "Heureka" zu sehen. Zum ersten Mal findet eine Ausstellung im internationalen Maßstab ohne einen einzigen Parkplatz statt. Die Veranstalter bieten kaum Gelegenheit, Abfall zu erzeugen. Sogar die Speisereste werden auf dem Gelände vergoren und zur Energiegewinnung verwendet. Hölzerne Laufstege führen über grüne Wiesen. Es soll nicht sein, daß kein Gras mehr wächst, wo der Mensch hintritt, weder im wörtlichen, noch im sprichwörtlichen Sinn.
Eine neue Art dem Leben gegenüberzutreten, wird dort spürbar; Menschen, die sich aktiv mit den Problemen der Zeit auseinandersetzen aber dabei nicht die Natur in die Knie zwingen. Ich wünsche uns allen bei dieser großen und schönen Aufgabe viel Phantasie und immer den nötigen Mut.