Mit den Rhythmen der Natur

Die Energiewende ist eine Chance für Bayerns Mittelstand
- Gefahr durch Sigmar Gabriel -

Von Josef Göppel

Neue Technologien, lebendige ländliche Räume und starke mittelständische Unternehmen sind die Grundlage für Bayerns wirtschaftlichen Erfolg - und für unsere künftige Energieversorgung. Die Energiewende sichert unserem Land eine technologische Spitzenstellung und öffnet gerade kleinen und mittleren Unternehmen attraktive Exportchancen in zahlreiche Länder der Erde. Gesellschaftspolitisch ermöglichen die erneuerbaren Energien die aktive Teilhabe breiter Bevölkerungsschichten. In Bayern gibt es 240 Energiegenossenschaften und eine halbe Million Photovoltaikanlagen.

Das Wesen der erneuerbaren Energien ist kleinteilig und dezentral. Sie sind wirtschaftsgeschichtlich mit dem Internet verbunden. Nur durch die Computertechnologie können Millionen von Erzeugern und Verbrauchern netzartig miteinander verbunden werden. Früher war das technisch nicht möglich und da hatten Großkraftwerke auch ihren Sinn.

Heute ist am Strommarkt derjenige am erfolgreichsten, der die präzisesten Wetterprognosen und eine bedarfsgerechte Mischung aus Wind, Solar, Biogas und Wasserkraft bereitstellen kann. Daraus erwachsen neue Chancen für Stadtwerke und regionale Verbünde, bei denen die Stromüberschüsse ländlicher Gebiete im Mittelspannungsnetz direkt zu den Endverbrauchern der Städte geleitet werden.

So entstehen neue Stadt-Land-Partnerschaften auf einer stabilen wirtschaftlichen Grundlage. Im Vorteil sind dann regionale Stromanbieter, die ihre Kunden kennen und durch Lastverschiebungen auch einen Teil des Verbrauchs an die Erzeugung anpassen können.

Ein Beispiel ist die neugegründete Regionalstrom Franken Genossenschaft im Raum um Nürnberg. Sie bündelt den Strom der Kleinerzeuger und liefert ihn bedarfsgerecht an die Stadtwerke.

Deutschlandweit integrieren bisher noch keine anderen Regionalversorger die Erzeugung vor der Haustür in die eigene Beschaffung. Der physikalische Weg des Stroms, der von der Erzeugung immer in die nächste Verbrauchsstelle führt, wird so auch kaufmännisch nachvollzogen. Das macht die Energiewende glaubwürdig.

Dezentrale Speicher sind die Brücke zur Verknüpfung von Strom, Wärme und Mobilität. Gerade hier haben bayerische Unternehmen viel zu bieten. Nur zwei Beispiele: Erlanger Forscher fanden einen Weg, um Wasserstoff in einem flüssigen Träger zu fixieren, der wie Diesel gelagert und transportiert werden kann. Ein bayerisches Unternehmen bringt diese Innovation an den Markt.

In Bayern ist auch der Weltmarktführer von Solar-Freiflächenanlagen beheimatet. Er entwickelt gemeinsam mit der Main-Donau-Netzgesellschaft netzgekoppelte Speicherlösungen. Überflussstrom treibt auch Elektroautos an oder erzeugt Wärme. Es ist ein hinund herflutendes System in den Rhythmen der Natur. Das Energiekonzept der Staatsregierung von 2011 ist nach wie vor richtig: 50 Prozent des Strombedarfs erneuerbar bis 2021 auf der eigenen Landesfläche erzeugen! Die traditionelle Verlässlichkeit der CSU muss auch hier gelten. Die anvisierten sieben Prozent Windstrom brauchen wir auch als Ergänzung zu den Solaranlagen. Wind weht mehr im Winter und in der Nacht. Ausgewogene Anteile der erneuerbaren Quellen stabilisieren die Eigenerzeugung im Freistaat.

Dann genügt ein zentraler Stromkorridor entlang der Autobahn A 7 von Schleswig-Holstein an die Donau, um den Spitzenbedarf zu decken. Die von der Strecke betroffenen Bundestagsabgeordneten der Union haben sich zusammengeschlossen und fordern die weitgehende Verlegung in die Erde. Bayern hat bisher schon ein intaktes Höchstspannungsnetz. Es kann durch neue Leiterseile ein Drittel mehr Strom

transportieren. Damit ist der Süd-Ost-Korridor, die umstrittene Leitung quer durch den Freistaat, nicht mehr nötig. Gefahr für die Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten an der Energiewende droht von ganz anderer Seite. Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet an der umfassenden Ausschreibung aller erneuerbaren Energien. Erfahrungen in Großbritannien, Spanien und Brasilien bei der Förderung erneuerbarer Stromerzeugung zeigen, dass .Bürgerprojekte mit vielen Kleininvestoren bei Ausschreibungen keine Chance mehr haben. Selbst die EU-Kommission ließe in ihren Beihilfeleitlinien eine Ausnahme für kleine Anlagen zu.

Die Staatsregierung muss deshalb bei der Einführung von Ausschreibungen eine starke Beteiligung der Bundesländer und eine breite Bürgerbeteiligung einfordern. Bayern könnte in Ausschreibungen auf Landesebene gezielt Gebiete ausweisen und damit den Ausbau steuern. Die Vorentwicklung der Flächen könnte über die Regionalplanung laufen.

E.on hat seine alten Kraftwerke ausgegliedert und will sich nur noch den erneuerbaren Energien widmen. Manche Kommentatoren sahen darin den endgültigen Sieg der neuen Techniken. Das darf aber nun nicht zum Hinausdrängen von Handwerkern, Landwirten, Hausbesitzern oder Mietervereinigungen aus dem Energiemarkt führen.

Eine Wirtschaftsordnung mit überschaubaren Kreisläufen bietet dem Einzelnen mehr aktive Mitwirkung und löst ihn aus der Anonymität des bloßen passiven Konsums. Hier schimmert die christlichsoziale Werteordnung einer aktiven Bürgerschaft durch. Die direkte Beteiligung vieler Menschen am Wirtschaftsgeschehen ist konservativ im besten Sinn!

Der Autor ist Diplom-Forstwirt, Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Ansbach und Landesvorsitzender des Arbeitskreises Umwelt (AKU) der CSU.

(c) Bayernkurier, München