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Der Tagesspiegel vom 6. April 2014

Die EEG-Reform steht - nun müssen Scheer (SPD) und Göppel (CSU) eine Parlamentsmehrheit sichern

Von Dagmar Dehmer

Drei Dinge verbinden Josef Göppel (CSU) und Nina Scheer (SPD): Sie sind in ihren Fraktionen diejenigen, die am meisten über die erneuerbaren Energien wissen. Sie haben beide in der Energieverhandlungsgruppe den Koalitionsvertrag mitausgehandelt. Und beide kämpfen darum, dass die Energiewende ein Erfolg wird. Auf Scheer und Göppel kommt es in den kommenden Wochen an, wenn die EEG-Reform im Bundestag verhandelt wird.

Josef Göppel ist 2013 zum dritten Mal für seinen Wahlkreis in Franken in den Bundestag gewählt worden - mit seinem besten Ergebnis. Der 63-jährige, „seit 43 Jahren CSU-Mitglied“, hat nicht vor, daran etwas zu ändern. Auch wenn er manchmal gefragt wird, warum er nicht endlich „zu den Grünen geht“. Das, sagt Göppel, „fällt mir doch gar nicht ein“. Wenn er vor einem CSU-Parteitag darauf hinweise, dass die erneuerbaren Energien zu mehr als 50 Prozent in der Hand von Bürgern und Bauern sind, und dass er „will, dass das so bleibt“, dann „stehe ich genau auf dem Boden unseres Parteiprogramms“. Göppel fährt fort: „Da bin ich doch der bessere CSUler als viele andere, die Großkonzernen das Wort reden.“ Göppel hat keine Angst, mit seiner Position als radikale Minderheit in der CSU angesehen zu werden, denn „mit meinen Positionen erfahre ich parteiübergreifend Zustimmung“.

Die Neuabgeordnete Nina Scheer ist da deutlich vorsichtiger. Sie fürchtet derzeit vor allem Schubladen, in die sie gesteckt werden könnte. Dazu hat sie allen Grund. Denn Nina Scheer ist nicht nur professionelle Violinistin und als Politikerin noch Berufsanfängerin. Sie ist auch die Tochter eines berühmten Vaters: Hermann Scheers, des Sonnenpapstes, alternativen Nobelpreisträgers, EEG-Miterfinders und 2010 verstorbenen SPD-Abgeordneten. Auch Nina Scheer kämpft für die erneuerbaren Energien, doch sie muss noch aus dem übergroßen Schatten ihres Vaters heraustreten. Die 42-Jährige hat sich nach Einschätzung von Göppel in der Energieverhandlungsgruppe „schon ganz gut behauptet“. Doch Nina Scheer ist vorsichtig. Also hat sie die Kooperation in ihrer Fraktion gesucht, anstatt auf Konfrontation zu gehen. Und hat sich beharrlich für kleine Erleichterungen für die Erneuerbaren-Branche bei der EEG-Reform eingesetzt. Am liebsten wäre ihr eine Fortschreibung des EEG mit sinkenden Fördersätzen, „bis es auf diese Weise nicht mehr nachgefragt wird“.

Auch Josef Göppel weiß, dass Mehrheiten organisiert werden müssen. Und er sucht sie auch da, wo sie nicht jeder sofort erkennen würde. Kürzlich hat Göppel seinem Parteifreund Peter Gauweiler genau zugehört, als dieser mit der Luther-Rose für „gesellschaftliche Verantwortung“ ausgezeichnet wurde. In seiner Dankesrede hat Gauweiler gewarnt, dass die Freiheit heute vor allem durch die Macht der Konzerne bedroht werde. Wenn Gauweiler das so sehe, „müsste er die Energiewende eigentlich unterstützen“, findet Göppel. Diese Wende sei doch längst im Gang und werde von den Bürgern selbst vorangetrieben, durch Energiegenossenschaften oder Bürgerwindparks.

Nina Scheer sieht die Energiewende und die Fähigkeit von Bürgern, sich auch finanziell an Windrädern oder Solaranlagen beteiligen zu können, als „sozialpolitischen Auftrag“. Deshalb ist sie für die SPD im schleswig-holsteinischen Wahlkreis Lauenburg, wo sie nun auch wohnt, angetreten und nicht für die Grünen. Dabei war Scheer acht Jahre lang Geschäftsführerin des grün-nahen Unternehmerverbands UnternehmensGrün. Dass sie SPD-Politikerin geworden ist, sei aber wohl auch ein wenig „Familientradition“, sagt sie lächelnd. Worüber sie sich richtig ärgern kann, ist die Strompreisdebatte. „Der Preis sagt ja nicht die ökonomische Wahrheit.“ Die jahrzehntelangen Subventionen für Atomenergie oder Kohlestrom seien gut versteckt in den öffentlichen Haushalten für die Stromkunden nicht sichtbar. Aber die EEG-Umlage werde auf den Zehntel-Cent genau auf der Stromrechnung vermerkt. Die ökologischen Folgekosten des Kohlestroms würden diesem aber nicht in Rechnung gestellt.

Scheer hat große Sympathie für den Vorschlag der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU), nämlich die Altkosten des EEG aus der Umlage herauszunehmen und über einen Fonds oder, was Scheer lieber wäre, über Steuern gegenzufinanzieren. Denkbar wäre auch, ein paar Milliarden Euro umweltschädlicher Subventionen zugunsten einer „Entschuldung der EEG-Umlage“ zu streichen. Wenn es aber darum gehe, ökologisch fragwürdige Subventionen zu kürzen oder abzuschaffen, „herrscht politisches Koma“, sagt Scheer.

Auch Göppel regt sich über die Preisdiskussion auf. Dabei seien die hohen Strompreise für die Mehrheit der Bevölkerung nach wie vor nicht das größte Problem. Für einen Durchschnittshaushalt mit vier Personen auf dem Land sei das Energiepreisproblem Nummer eins der Spritpreis. Dafür hätten sie 2013 rund 1300 Euro ausgeben müssen, argumentiert Göppel. Für die Heizung seien gute 1200 Euro fällig geworden und für den Strom etwa 800 Euro. „Diskutiert wird aber nur über den Strom“, kritisiert Göppel.