Altmaiers Ausrutscher

Verfechter der Energiewende haben es im Moment schwer. Die Kosten!, wird ständig moniert, die langfristigen Vorteile fallen unter den Tisch. Zwei Politiker sind besonders schlecht auf Umweltminister Altmaier zu sprechen.

Berlin - Hans-Josef Fell arbeitet sich gerade durch einen 579 Seiten dicken Gesetzentwurf zur EU-weiten Regulierung des grauen Kapitalmarktes. Verbirgt sich darin ein versteckter Angriff auf deutsche Energiegenossenschaften? Drohen ihnen mehr Regulierung und damit hohe Zusatzkosten, die es für Gemeinden unrentabel machen würde, gemeinsam einen Windpark zu betreiben? Der Grünen-Politiker, der das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu rot-grünen Zeiten mitentwickelt hatte, wittert in diesen Tagen überall neue Fallen.

Der grüne Fraktionssprecher für Energiepolitik macht am Schreibtisch seines Bundestagsbüros im Jakob-Kaiser-Haus aus seinem Ärger keinen Hehl. Er blickt sorgenvoll – und warnt vor einer Neiddebatte. Es ist seine subjektive Sicht der Dinge. Dass die hohen Strompreise ein Problem für immer mehr Bürger sein könnten – dieser Frage weicht er etwas aus. Fell sorgt es besonders, dass die Energiewende zunehmend als großes Umverteilungsprojekt von unten nach oben gebrandmarkt werde und sich alles nur noch um die Strompreise drehe. „In Tschechien gibt es das auch, dort wurden schon Leute mit Photovoltaik-Anlagen beschimpft und sogar tätlich angegriffen.“

Er betont, dass viele Anlagen von normalen Bürgern, oft eben in Genossenschaften, betrieben werden. „Es ist das Ziel, das Projekt zu torpedieren“, sagt er. Sechs Prozentpunkte mehr Ökostrom bedeute sechs Prozentpunkte weniger Erzeugung für die alten Energiekonzerne – und weniger Stromkunden, da es immer mehr energieautarke Gemeinden gebe. Die Regierung sieht er als Anwalt der großen Energiekonzerne. „Es gibt zu wenige, die das Projekt derzeit verteidigen“, meint er.

Ausgerechnet zusammen mit einem CSU-Politiker bildet der Grüne so etwas wie die inoffizielle Spitze des Clubs der Energiewende-Freunde im Bundestag. Sein bayerischer Kollege, der gelernte Förster Josef Göppel, war in der Unionsfraktion schon 2010 einer der wenigen, die die damalige Verlängerung der Atomlaufzeiten nicht mittrugen. Der Unions-Obmann im Umweltausschuss hat zusammen mit Fell jüngst einen Kongress zur Stärkung der Energiegenossenschaften organisiert, er sieht die Umsteuerung auf erneuerbare Energien schon aus ethischen Gründen geboten: um der Nachwelt ein halbwegs intaktes Klima und eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen
Beide saßen jüngst mit Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) bei einem Essen des Umweltausschusses beisammen. Fell wie Göppel haben ihm ihre Meinung gesagt, erst Recht als Altmaier mit gewagten Rechenkünsten vor Kosten von bis zu einer Billion Euro bei der Energiewende warnte. „Wir sind aus allen Wolken gefallen“, sagt Göppel. Den Satz müsse Altmaier rasch korrigieren. Jedes Jahr gebe Deutschland 80 Milliarden Euro an Brennstoffkosten für Öl, Gas und Kohle aus - durch erneuerbare Energien würden bereits sieben bis acht Milliarden gespart, in Zukunft könnten es über 30 Milliarden werden. „Summiert man das auf 30 Jahre kann man auch auf eingesparte Kosten von einer Billion Euro kommen.“

Wenn Altmaier und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) pauschal die Windstromvergütung an Land auf acht Cent je Kilowattstunde senken wollen, „würde das zu einem sofortigen Neubaustopp führen“. Fell berichtet von Projekten, die vor dem Aus stünden, und bei Krediten zögernden Banken.

Am schlimmsten sei die geplante nachträgliche Förderkürzung bei bestehenden Ökoenergieanlagen, findet Göppel. Am Wochenende war er in seiner Heimat bei einer großen Versammlung des landwirtschaftlichen Maschinenrings. „Der Tenor war, jetzt werden diejenigen, die investiert haben, als Bösewichter der Nation beschimpft. Da wird es einen Aufstand geben“, glaubt Göppel.

In Bayern wären über 375.000 Solar- und Biogasanlagen betroffen. „Man kann nicht das Eigentumsrecht und die Rechtssicherheit gegen Preisschilder eintauschen“, sagt er mit Blick auf Altmaiers pauschale Einsparziele für einzelne Posten. Einig sind sich Fell und Göppel, dass das ganze System reformiert werden muss, damit die hektischen Korrekturen aufhören. Aber in Ruhe. „Ich glaube, dass die Debatte kippt und plötzlich Altmaier nicht mehr als Retter des Strompreises dasteht“, meint Fell. „Sondern als Saboteur der Energiewende.“