Energiewende wird madig gemacht!

Interview der Frankfurter Rundschau mit dem CSU-Umweltpolitiker Josef Göppel vom 19. März 2013


Herr Göppel, sind Sie für eine Strompreis-Bremse?

Eine Strompreis-Bremse kann doch nur vertreten, wer gleichzeitig für eine Heizkosten- und eine Benzinpreisbremse eintritt. Das sind die beiden großen Kostenblöcke für einen Haushalt, der Strompreis hat den geringsten Anteil.

Das heißt: Sie lehnen das Konzept von Umweltminister Altmaier und Wirtschaftsminister Rösler ab, die Stromkosten zu senken?

Wir von der CSU verlangen eine Reihe von Änderungen in dem Konzept. Grundsätzlich ist es natürlich richtig, den Strompreis sozial verträglich zu halten.

Wofür plädieren Sie?


Wenn wir eine schnelle Entlastung wollen, geht das am besten über eine Senkung bei der Stromsteuer. Man könnte die ersten 1000 Kilowattstunden, die ein Haushalt verbraucht, von der Steuer freistellen. Das würde jedem Haushalt 30 Euro im Jahr sparen.

Dreißig Euro fallen kaum ins Gewicht.

Doch, durchaus. Wegen des EEG-Aufschlags zahlt ein Durchschnittshaushalt 2013 rund 70 Euro mehr, davon würde fast die Hälfte ausgeglichen. Es würden allerdings auch Gutverdiener entlastet, die das eigentlich nicht brauchen. Eine soziale Differenzierung würde aber wieder einen sehr großen bürokratischen Aufwand erfordern.

Wäre es nicht einfacher, etwa die Hartz IV-Regelsätze an die höheren Strompreise anzupassen?

Das sollte kommen, keine Frage. Wir müssen aber auch an die Gruppe von Menschen denken, die ein geringes Einkommen haben, aber keine Sozialleistungen beziehen. Für die müssen wir etwas tun.

Sind höhere Energiepreise nicht sogar sinnvoll?

Das Bewusstsein, dass Energie effizienter genutzt werden kann und muss, ist leider noch gering. Wenn man Verbraucher spontan fragt, wieviel sie für Strom ausgeben, wissen es die meisten gar nicht. Deswegen muss man hinter der Strompreisdebatte eine gezielte Kampagne gegen die erneuerbaren Energien vermuten. Wir haben ja schon eine ganze Reihe solcher Kampagnen erlebt. Zunächst hieß es nach dem Atomausstieg 2011, es gehen die Lichter aus. Dann hörte man, Deutschland hat zu viel Strom, er läuft uns aus den Ohren heraus. Dann kam die Strompreisdebatte. Die neueste Klage lautet, dass die erneuerbaren Energien die Natur in Deutschland zu stark schädigen. Das sagen Leute, die sich bisher noch nie um Naturschutz gekümmert haben. Man erfindet alle paar Monate ein neues Thema, um die Energiewende madig zu machen.

Minister Altmaier hat die Kosten den Energiewende auf bis zu einer Billion Euro hochgerechnet. Folgen Sie seiner Rechnung?

Nein. Sie lässt wesentliche Faktoren außer Acht. Das Mindeste dabei wäre, die Einsparungen beim Import von Öl, Erdgas und Kohle gegenzurechnen. Da kommen sie in 30 Jahren auch auf über eine Billion Euro. Altmaiers Rechnung enthält zudem die Kosten für die Energiesanierung alter Gebäude. Die kann man nun wirklich nicht mit den Kosten der EEG-Umlage in Zusammenhang bringen. Was mich schmerzt, ist das politische Signal, das von Altmaiers Billion ausgeht: Man glaubt, dass der Umweltminister nicht mit der nötigen Entschlossenheit hinter der Energiewende steht.

Können Sie sich vorstellen, warum Altmaier diese Zahl in die Welt gesetzt hat?

Er wollte aufrütteln. Er wollte erreichen, dass die Energiewende so gestaltet wird, dass sie sozial verträglich bleibt. Die Wirkung ist allerdings eine andere.

Steht die Union überhaupt noch hinter der Energiewende?

Da sollte man sich auf die Kanzlerin verlassen. Frau Merkel hat nach Fukushima eine strategische Richtungsänderung vorgenommen, und sie will die Energiewende auch zum Erfolg bringen. Dahinter steht die Einsicht, dass wir Deutschland mit einer modernen, ökologischen Energieversorgung stabiler und weniger krisenanfällig machen.

Dann müsste Merkel das in der aktuellen Debatte auch einmal deutlicher sagen.

Frau Merkel betont immer wieder, etwa vor Wirtschaftsverbänden, dass die Energiewende richtig ist. Wir sind jetzt in der schwierigsten Phase der Wende. Wir müssen in das neue System investieren, während die Erträge zum größten Teil erst in der Zukunft anfallen. Die Vorboten sind die sinkenden Strompreise an der Leipziger Börse.

Ist die Ökostrom-Förderung in den letzten Jahren nicht doch zu üppig ausgefallen?


Der Vorwurf wird oft erhoben. Man muss aber anerkennen: Die Politik hat unter Umweltminister Röttgen sehr schnell gegengesteuert. Bedenken sie: Heute liegt die Vergütung für eine Kilowattstunde Solarstrom bei elf Cent, vor sieben Jahren waren es noch fast 50 Cent. Würde man der deutschen Autoindustrie solche Effizienzsteigerungen zumuten, gäbe es Heulen und Zähneklappern.

Altmaier und Rösler wollen die EEG-Vergütung bei bestehenden Solar- und Biogasanlagen sowie Windrädern kappen und sie bei neuen erst später zahlen. Ist das machbar?


Wenn das so käme, hätten wir einen faktischen Stopp der Energiewende. Die bayerische Regierung und die CSU lehnen jeden rückwirkenden Eingriff in die Vergütung ab. Genausowenig darf die Planungssicherheit für Investoren beschädigt werden, die neue Anlagen bauen wollen. Einsparungen sind möglich, sie dürfen aber nicht zu einer Ausbaubremse führen.

Welche Einsparung wären okay?

Die Vergütung von Windstrom zum Beispiel kann abgesenkt werden – allerdings differenziert nach der Standort-Qualität. Wo besonders viel Wind weht, kann sie stärker sinken. Auch sollten Unternehmen, die für in eigenen Kraftwerken produzierten Strom bisher keine Stromnetz-Kosten zahlen müssen, künftig eine Angabe leisten müssen. Das entlastet die anderen Verbraucher. Die  Abgabe müsste aber gestaffelt – je nach Klimawirksamkeit des Energieträgers - erhoben werden. Für Solarstrom wäre sie niedriger als für Kohlestrom.

Inzwischen stammt schon ein Viertel des Stroms aus erneuerbaren Energien. Dafür braucht es einen anderen Strommarkt. Ihr Konzept?

Wir müssen die paradoxe Situation auflösen, dass die EEG-Umlage rechnerisch ansteigt, weil die Erneuerbaren den Preis an der Leipziger Strombörse senken. Wir müssen dazu kommen, dass der Ökostrom möglichst schon in der Region verbraucht wird, in der er erzeugt wurde. Es geht darum, virtuelle Kraftwerke aus Wind-, Solar- und Biogasanlagen zu bilden, die in Zusammenarbeit mit Regionalversorgern und Stadtwerken die regionalen Märkte direkt versorgen können. Diese neue Struktur könnte man ab 2014 einführen.

Wie stehen Sie zum Ausbau der Offshore-Windkraft, die sehr teuer ist?


Den sollte man bremsen. Es ist der Bevölkerung schwer zu vermitteln, dass die Offshore-Vergütung 15 bis 17 Cent betragen soll, während zum Beispiel die halb so teure Windkraft an Land heruntergekürzt werden soll. Längerfristig brauchen wir den Strom vom Meer allerdings, sonst ist der bis 2050 geplanten Anteil von 70 bis 80 Prozent Ökostrom nicht zu schaffen. Der Staat darf aber jetzt nicht den Fehler machen, die dezentrale Erzeugung an Land durch überhöhe Unterstützung der Offshore-Konzerne abzuwürgen.

Die Stromkonzerne fürchten um Ihr Marktmodell, weil ihre großen Kraftwerke immer weniger laufen. Wenn ihnen das Geschäftsfeld Offshore-Wind wegfällt, droht ihnen in den nächsten Jahren eine drastische Schrumpfkur. Kein Problem?


Die Konzerne haben sehr wohl eine Zukunft, wenn sie sich auf eine Zusammenarbeit mit den dezentralen Stromerzeugern einlassen. Sie müssen jedoch von ihrem Alleinvertretungsanspruch abgehen. Man braucht große Strukturen zum Beispiel für die Direktversorgung großer Industrieunternehmen. Da ist ihr Platz und zwar auf Dauer. Insgesamt aber wird ihr Einfluss abnehmen. Den technologischen Wandel von zentralen zu dezentralen Strukturen wird niemand aufhalten

Das Gespräch führte Joachim Wille.