Genossenschaften sind das Schlüsselelement


Profil - das bayerische Genossenschaftsblatt Juni 2011

Bundestagsabgeordneter Josef Göppel über die Zukunft der Energieversorgung


Er ist Sohn eines Landwirts und war Förster im Außendienst. Unter den Juristen und Beamten im Bundestag sticht Josef Göppel aus Rauenzell bei Ansbach mit dieser Biografie heraus. Im Umweltausschuss der deutschen Volksvertretung ist er Obmann der Unionsfraktion. Daher befasst sich der 60-Jährige auch mit der Energieversorgung der Zukunft. Genossenschaften spielen für ihn dabei eine Schlüsselrolle.

Profil: Welche Rolle spielen erneuerbare Energien vor dem Hintergrund der  geplanten „Energiewende“?

Josef Göppel: Deutschland befindet sich mitten in einem grundlegenden Umbruch der Energieversorgung. Das Ziel ist eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien. In der Stromversorgung der Zukunft
wird rund die Hälfte des Stroms regional erzeugt und unmittelbar an die
Verbrauchsstellen verteilt. Dabei macht man sich die physikalische Eigenschaft
des Stroms zunutze, auf möglichst niedriger Spannungsebene dorthin zu fließen, wo der nächstgelegene Verbraucher ihn aus dem Netz zieht. Dezentrale Speicher gleichen Erzeugungs- und Verbrauchsspitzen aus. Starkverbraucher erhalten ihren zusätzlichen Bedarf aus Höchstspannungsübertragungsleitungen. Beide Netze sind miteinander  verbunden. Das dezentrale Energiesystem bringt neben der technologischen Erneuerung eine gesellschaftliche Bewegung in Gang: Vom passiven Konsum zur Eigenverantwortung, von der Anonymität zum Engagement in der örtlichen Gemeinschaft, vom spekulativen Sparverhalten zur Investition
in reale Projekte „unter den Augen“. Die neue Energiestruktur stiftet mehr sozialen Nutzen als die bisherige, von der ökologischen Nachhaltigkeit, der
fehlertoleranteren Technik und der größeren Sicherheit ganz abgesehen.

Profil: Wo liegen hier Potenzialfelder für die Unternehmensform Genossenschaft?

Göppel: In den ländlichen Räumen Deutschlands lebt die Genossenschaftsidee
von Raiffeisen mächtig auf. Sein Motto „Das Geld des Dorfes dem Dorfe“
steht über der Gründung Hunderter Energiegenossenschaften. Ihr Ziel ist der
Bau örtlicher Kleinkraftwerke und Wärmenetze, aber auch die spätere gemeinsame Vermarktung. Die Leute investieren gern in erneuerbare Energien, notwendige Geldbeträge kommen meist schnell zusammen. Damit ist breite Wertschöpfung und Eigentumsstreuung verbunden. An die Stelle anonymer Aktienpakete tritt die örtliche Bevölkerung als Miteigentümer. Zahlreiche Energiegenossenschaften ermöglichen den Zutritt schon mit 500 Euro. Der Höchstanteil ist häufig auf 50 Prozent der Investitionssumme begrenzt.
Renditen über 5 bis 8 Prozent gehen an soziale oder naturbezogene Vorhaben der jeweiligen Gemeinde.

Profil: Was sollte die Politik tun, um die Gründung von Genossenschaften zu unterstützen?

Göppel: Am wichtigsten ist die Unterstützung auf kommunaler Ebene.  Gemeinden und Landkreise sollten Energiegenossenschaften bei der Ausweisung von Standorten und in Genehmigungsverfahren bevorzugen, weil damit mehr Wertschöpfung vor Ort bleibt. Regionales Kapital wird in der Heimat reinvestiert, Arbeitsplätze entstehen und die Gewerbesteuern
verbleiben vollständig bei den Standortgemeinden. Auf Bundes- und Landesebene kommt es vor allem darauf an, die Rahmenbedingungen
so zu setzen, dass große Energieversorger ihre Marktmacht nicht missbrauchen
können, um mittelständische Energiegenossenschaften zu behindern.

Profil: Vielen Dank für das Interview! hh