CSU-Umweltexperte: AKW-Abschaltung prüfen

 

Interview mit der Deutschen Presse Agentur vom 14. März 2011

Berlin (dpa) - Der CSU-Umweltexperte Josef Göppel hat angesichts der japanischen Atomkatastrophe eine rasche Abkehr von der Laufzeitverlängerung in Deutschland gefordert. «Es gibt bestimmte Reaktortypen in Deutschland, die in Hinblick auf Katastrophenfälle keine optimale Sicherheitsarchitektur haben», sagte Göppel der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. Daher sei es sinnvoll, für einige Reaktoren wieder die Restlaufzeiten anzuwenden, die im rot-grünen-Atomausstieg vereinbart worden waren. Göppel (60) gehört zu den fünf Unions-Politikern, die im Bundestag gegen die Laufzeitverlängerung von Union und FDP um durchschnittlich zwölf Jahre gestimmt hatten.

Herr Göppel, wir wissen noch gar nicht genau, was in Japan passiert ist. Aber auch die Bürger hierzulande fragen sich jetzt, ob die deutschen Atomkraftwerke sicher sind. Was muss nun geschehen?

Göppel: «Zunächst einmal ist mir wichtig, dass jetzt alle deutschen Reaktoren auf die Schwachpunkte hin überprüft werden, die sich in Japan gezeigt haben. Und das betrifft das Kühlsystem. Es wurde bei uns immer gesagt, es kann gar nicht passieren, dass das Kühlsystem ausfällt. Und ein Schwapp Meerwasser hat schon genügt in Japan, um das Hauptkühlsystem lahmzulegen.»

Was schwebt Ihnen konkret an Überprüfungen vor?

Göppel: «Zum Beispiel geht es um die Frage, was passiert in deutschen Kraftwerken, wenn zum Beispiel ein Flugzeug auf den Reaktor stürzt, wie geht es mit dem Kühlsystem weiter. Der Notkühlkreislauf mit Batterien, wie lange hält der? Gibt es einen dritten Kühlkreislauf? Ich werde als Umweltobmann am kommenden Mittwoch darüber Auskunft begehren, damit eine Prüfung erfolgt. Und auch Frau Merkel hat ja schon angedeutet, dass sie auch selber das für unausweichlich hält, alle deutschen Reaktoren in dieser Richtung hin zu überprüfen.»

Muss nicht über die Laufzeitverlängerung ganz neu nachgedacht werden? Auch einige Atomkraftwerke in Deutschland gelten als Risikofaktoren?

Göppel: «Ja, es gibt bestimmte Reaktortypen in Deutschland, die in Hinblick auf Katastrophenfälle keine optimale Sicherheitsarchitektur haben. Ich nenne als Beispiel, dass die Schaltzentrale sich im Gefahrenbereich befindet und im Katastrophenfall vielleicht von dort aus nicht mehr steuerbar wäre. Das sind Dinge, die müssen jetzt auf den Tisch und die werden nach meiner Meinung dazu führen, dass etliche Reaktoren doch planmäßig nach dem alten Atomkompromiss auslaufen sollten.»

Die Betreiber betonen aber, die Anlagen gehörten zu den modernsten der Welt, und warnen vor Panikmache...

Göppel: «Also die pauschale Behauptung, unsere Reaktoren sind sicher, werden in der Bevölkerung nur noch größeres Misstrauen erzeugen. Es müssen die technischen Einzelheiten plausibel auf den Tisch gelegt werden und daraus leitet sich dann ab, ob bestimmte Reaktortypen doch nach dem alten Atomkompromiss stillgelegt werden. Es wäre jetzt verfrüht zu sagen, dieser oder jener Reaktor ist das.»

Welchen Zeithorizont schwebt Ihnen hier vor? Solche Prüfungen können doch Jahre dauern, oder?

Göppel: «Es spielen jetzt auch ein paar Wochen keine Rolle, sondern wichtig ist, das diese technischen Überprüfungen eines Falles, den man für unmöglich hielt, der aber doch nun eingetreten ist, maßgeblich sind für die weitere Laufzeit von Reaktortypen. Diejenigen, die die technischen Erfordernisse, einschließlich der Erfahrungen von Japan, nicht optimal erfüllen, haben keine Berechtigung für einen Weiterbetrieb.»

Erwarten Sie Auswirkungen bei den kommenden Landtagswahlen?

Göppel: «Die Auswirkungen auf die Landtagswahlen will ich nicht bewerten. Aber wenn die Union als Volkspartei mehrheitsfähig bleiben will, muss sie ihren Kurs in der Atomfrage überprüfen.»