Göppel: „Wir müssen beim Artenverlust in der Agrarlandschaft dringend gegensteuern“

 

Agra-Europe vom 26. April 2010

CSU-Abgeordneter und DVL-Vorsitzender tritt für Stufenmodell in der EU-Agrarpolitik ein - Stärkere Förderung von Umweltleistungen der Landwirte befürwortet - Erwartungen an das Bundesumweltministerium für ein Bundesprogramm zur Biodiversität - Warnung vor Übernutzung des deutschen Waldes

BERLIN. Der CSU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Deutschen Verbandes für Landschaftspflege (DVL), Josef  G ö p p e l , unterstützt für die nächste Reform der EU-Agrarpolitik ein Stufenmodell, das neben einer Grundprämie den Landwirten Aufschläge für Umweltleistungen schon in der Ersten Säule gewährt. „Auch EU-Agrarkommissar Dacian  C i o l o ş  hat sich für eine verstärkte Berücksichtigung von Gemeinwohlleistungen der Landwirte ausgesprochen“, betonte Göppel am vergangenen Donnerstag gegenüber dem Presse- und Informationsdienst AGRA-EUROPE. Nach der von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse  A i g n e r   vertretenen aktuellen deutschen Position solle sich hingegen gar nichts ändern. „Ich glaube nicht, dass das so durchkommt“, unterstrich Göppel, der für diese Woche eine öffentliche Positionierung deutscher Umweltverbände, darunter des DVL, zur EU-Agrarpolitik ankündigte. In einem stufig aufgebauten Agrarmodell will er besonders den Artenschutz durch die Landwirte stärker berücksichtigt sehen. Der Bestand an Singvögeln in den Agrarlandschaften sei um 50 % zurückgegangen. Angesichts dieses Artenverlustes in der Agrarlandschaft müsse man dringend gegensteuern.

Kleine Biogasanlagen stärker fördern

An die Adresse von Bundesumweltminister Norbert R ö t t g e n  richtete Göppel die Forderung, noch in diesem Jahr den Entwurf für ein Bundesprogramm Biodiversität vorzulegen, das im Koalitionsvertrag von Union und FDP ebenso angekündigt ist wie ein „Bundesprogramm Wiedervernetzung“ als Grundlage für den Bau von Querungshilfen für Tiere. Für das Bundesprogramm Biodiversität will Göppel insbesondere auf Flächen zurückgreifen, die nicht unter das Integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem (InVeKoS) fallen und damit nicht als Agrarland gelten. Maßnahmen schon auf wenigen Prozent der Landesfläche könnten die Artenvielfalt bedeutsam stärken. Gegensteuern will Göppel, der im Umweltausschuss des Bundestages sitzt, bei der starken Maisnutzung für Deutschlands Biogasanlagen. In ihnen sollen künftig mehr Abfall- und Reststoffe eingesetzt werden. Kleine und hofnahe Anlagen will der Franke aus Ansbach im Vergleich zu Großanlagen stärker in der Förderung bevorzugen. Mit Blick auf die Waldwirtschaft warnte der studierte Förster vor zu hohen Ansprüchen an die Bestände. Gefahren sieht Göppel durch den forcierten Einsatz von Vollerntern im deutschen Wald.

AGRA-EUROPE: Herr Göppel, im Koalitionsvertrag von Union und FDP wird ein Bundesprogramm angekündigt, um die nationale Strategie für die biologische Vielfalt umzusetzen. Braucht Deutschland ein solches Bundesprogramm?

Göppel: Ja. Vögel wie Feldlerche und Kiebitz gehören zu unserem nationalen Naturerbe, und wir müssen deshalb auf die Artenvielfalt Rücksicht nehmen. In den vergangenen Jahren hatten wir aber beispielsweise bei Singvögeln bundesweit einen Artenrückgang von rund 10 % zu verzeichnen. In den Agrarlandschaften beträgt das Minus sogar 50 %. Angesichts des Artenverlustes in unseren Kulturlandschaften müssen wir dringend gegensteuern. Ein Entwurf zum Bundesprogramm Biodiversität muss daher noch in diesem Jahr vom Bundesumweltminister kommen. Einen Vorschlag dazu habe ich bereits gemacht.

AGRA-EUROPE: Wie sieht der aus?

Göppel: Ich setze weniger auf neue Vorschriften durch das Ordnungsrecht, sondern vielmehr auf freiwillige Anreize. Dazu gehört eine naturverträgliche Nutzung unserer Kulturlandschaft. Für das Bundesprogramm Biodiversität könnte man insbesondere auf Flächen zurückgreifen, die nicht unter das Integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem (InVeKoS) fallen und damit nicht als Agrarland gelten. Maßnahmen schon auf wenigen Prozent der Landesfläche würden die Artenvielfalt bedeutsam stärken. Der Großteil der Flächen muss aber über die Agrarpolitik erfasst werden. Der Artenverlust in den Agrarlandschaften ist ein Fingerzeig, dass die Rahmenbedingungen der Agrarpolitik falsch gesetzt sind. Bemühungen wie die Schaffung von Lerchenfenstern sind zwar rührend, ändern aber nichts an den falschen Rahmenbedingungen.

AGRA-EUROPE: Was verstehen Sie unter falsch gesetzten Rahmenbedingungen?

Göppel: Die derzeitige Agrarförderung der Europäischen Union mit ihren Direktzahlungen geht zu pauschal vor. Ich setze mich hingegen für ein Stufenmodell in der Ersten Säule der EU-Agrarpolitik ein, mit dem der Bereitstellung öffentlicher Güter durch die Bauern besser Rechnung getragen wird. Es genügt nicht, über die Zweite Säule ein bisschen zu korrigieren, wie es heute geschieht. Hinzu kommt, dass die Agrarumweltmaßnahmen in der Zweiten Säule bei der Mittelverteilung relativ schlecht wegkommen.

AGRA-EUROPE: Derzeit gibt es für solch ein Stufenmodell aber wenig Unterstützung. So hat Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsministerin Juliane Rumpf nach ihrem Vorschlag für ein Stufenmodell mit Grund- und Zusatzprämie kräftigen Gegenwind abbekommen.

Göppel: Dass dieser Gegenwind kommt, ist ganz normal, und zeigt nur, dass Rumpf den Kern des Problems getroffen hat. So hat man es in Schleswig-Holstein mit einem eklatanten Grünlandverlust zu tun, was unter dem Gesichtspunkt des Klimawandels besonders schwer wiegt. Mit einem gestuften Agrarmodell zur Entlohnung der Landwirte könnten wir beispielsweise Kohlenstoffspeicherung und Humusaufbau im Boden viel besser fördern, indem eine ganzjährige Bodenbedeckung gezielter vergütet werden könnte. Die derzeitige einheitliche Prämie wird dem Auftrag der Europäischen Union an die Landwirtschaft in Artikel 39 des Vertrages hingegen meiner Meinung nach nicht gerecht. Auch EU-Agrarkommissar Dacian Cioloş hat sich für eine verstärkte Berücksichtigung von Gemeinwohlleistungen der Landwirte ausgesprochen. Nach der von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner vertretenen aktuellen deutschen Position soll sich hingegen gar nichts ändern. Ich glaube nicht, dass das so durchkommt.

AGRA-EUROPE: Der Grünlandverlust, den Sie ansprechen, wird auch auf zunehmenden Flächendruck durch den Bioenergieboom zurückgeführt. Wollen Sie da ebenfalls gegensteuern?

Göppel: Mit der Novellierung des EEG, die 2012 in Kraft treten sollen, werden wir die Rahmenbedingungen verändern. Wir müssen den Bonus für nachwachsende Rohstoffe (Nawaro-Bonus) etwas senken  und mehr auf die Förderung von Reststoffen setzen. Ich denke da nicht nur an Gülle, sondern zum Beispiel auch an Abputzgetreide. Das sollten wir vermehrt in die Nutzung bringen. Verstärkt profitieren sollten im Übrigen hofnahe Biogasanlagen. Ich bin für eine stärkere Spreizung der Vergütung nach Anlagengröße. Kleinere Hofanlagen sollten künftig gegenüber Großprojekten deutlicher als bisher bessergestellt werden.

AGRA-EUROPE: Was ist gegen Großanlagen einzuwenden?

Göppel: Diese kalkulieren aufgrund ihrer Größe nicht mit Reststoffen, sondern mit der Frischmasse von den Feldern. Mit der forcierten Nutzung von  Mais in Biogasanlagen haben sich aber Probleme aufgebaut.

AGRA-EUROPE: Sollte der Nawaro-Bonus im EEG dann nicht ganz abgeschafft werden?

Göppel: Nein, das unterstütze ich nicht. Ich bin gegen sprunghafte Entscheidungen. Benötigt werden weiche Übergänge und Trendänderungen. Deswegen bin ich auch dagegen, die EEG-Förderung für Solarstromanlagen auf Ackerflächen ganz abzuschaffen.

AGRA-EUROPE: Als studierter Forstwirt liegt Ihnen der Wald als schützenswerter Lebensraum besonders am Herzen. Wo sehen Sie hier Handlungsbedarf?

Göppel: Das Grünbuch der Europäischen Union hat erhebliche Defizite aufgezeigt. Das gravierendste besteht im Außenhandel, und zwar in der Einfuhr illegal eingeschlagener Hölzer nach Europa. Die Bundesregierung hat sich nicht dazu durchringen können, ein Importverbot für solches Holz zu unterstützen. Das ist ein empfindlicher Punkt. Erhebliche Risiken sehe ich aber auch im deutschen Wald, so durch den Einsatz von Vollerntemaschinen. Der Fahrer des Vollernters kann in seiner Kabine in der Regel die Zukunftsbäume gar nicht erkennen, entscheidet von dort aus aber, welcher Baum stehen bleibt und welcher wegkommt. Die Qualität der Waldbewirtschaftung leidet erheblich, wenn es keine manuelle Auswahl mehr in der Durchforstung durch qualifiziertes Forstpersonal gibt.

AGRA-EUROPE: Leidet beim Verzicht auf Vollernter nicht die Effizienz?

Göppel: Sie können selbstverständlich eingesetzt werden. Entscheidend ist aber das manuelle Auszeichnen durch Fachkräfte, sonst bestehen Gefahren für die Wertholzerzeugung. Konstruktionsholz braucht Qualität. Das kommt in der derzeitigen Diskussion um die Potentiale im deutschen Wald für stoffliche Nutzung und Bioenergie viel zu kurz. Holz kann einen bestimmten Anteil zur Bereitstellung von Bioenergie leisten, doch sind die Ressourcen begrenzt. Verlässliche Schätzungen gehen davon aus, dass wir rund 25 % unseres Heizbedarfs über das Holz abdecken können. Werden die Häuser besser gedämmt, könnten wir auch einen Anteil von 40 % erreichen. Allerdings ist jeder, der in der Natur arbeitet, vorsichtig mit Prognosen. Ich möchte nicht zu einer Übernutzung der deutschen Wälder kommen, wie wir sie im Mittelalter schon einmal hatten.

AGRA-EUROPE: Herr Göppel, wir danken Ihnen für das Gespräch.