In Deutschland freuen sich viele über die Abwrackprämie, Umweltschutzaspekte spielen im Konjunkturpaket jedoch nur am Rande eine Rolle

Le Monde vom 17. Februar 2009

Seit die Bundesregierung Mitte Januar die einzelnen Punkte ihres zweiten Konjunkturpakets vorgestellt hat, klingelt bei den deutschen Autohäusern unaufhörlich das Telefon. Grund für diese Begeisterung ist das Inkrafttreten einer Abwrackprämie in Höhe von 2 500 Euro, von Berlin auch "Umweltprämie" genannt. In ihren Genuss kann jeder kommen, der ein mindestens 9 Jahre altes Auto besitzt und dieses durch ein neues ersetzen will.
"Diese Prämie ist deshalb so erfolgreich, weil die ökologischen Bedingungen für den Kauf eines Neuwagens nicht sehr restriktiv sind", bedauert Bundestagsabgeordneter Joseph Göppel, Umweltexperte bei der CDU-CSU, der Fraktion von Kanzlerin Angela Merkel.
"Es geht völlig an der Sache vorbei, von einer "Umweltprämie" zu sprechen, wo doch genau dieser Aspekt fehlt", kritisiert Thorben Becker von BUND, der größten deutschen Umweltschutzorganisation, noch schärfer. Die Automobilindustrie unterstreicht, dass die verkauften Neuwagen immer schadstoffärmer seien. Außerdem soll die Prämie auf Forderung der Bundesregierung nur für Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 4 gelten. Ja, aber… Selbst die größten Spritschlucker wie Limousinen der automobilen Oberklasse unterliegen heute dieser Norm.
"EINFLUSS" DER INDUSTRIE
Für die Umweltschützer steht die Abwrackprämie für Zugeständnisse und einen Mangel an ökologischem Ehrgeiz in den Maßnahmen zur Rezessionsbekämpfung. "Es ist bedauerlich, dass Angela Merkel sich für ihr Konjunkturpaket so von der Industrie beeinflussen lassen hat", kritisiert die Grünen-Abgeordnete Bärbel Höhn. Sie bedauert, dass die Bundesregierung nicht mehr auf das wirtschaftliche Potenzial des ökologischen Wachstums gesetzt hat, "wie z.B. die USA oder Japan".
"Es lässt sich nicht leugnen, dass Umweltaspekte nur am Rande der Ankurbelungsmaßnahmen eine Rolle spielen", räumt Joseph Göppel ein. "Bestimmte Punkte stehen jedoch trotzdem für einen Fortschritt, z.B. der Anreiz zur ökologischen Gebäudesanierung", unterstreicht der konservative Abgeordnete.
In ihrem ersten, im November 2008 verabschiedeten Konjunkturpaket beschloss die Bundesregierung, ein Programm zur Ausgabe zinsgünstiger Kredite an private Haushalte zu erweitern, die ihre Wohnung mit dem Ziel eines geringeren Energieverbrauchs renovieren. Je effizienter die Arbeiten sind, desto günstiger sind die Kredite. Diese Maßnahme wird von den nichtstaatlichen Umweltorganisationen begrüßt.
Dasselbe Ziel ist auch Gegenstand des zweiten Konjunkturpakets, das ein riesiges Investitionsprogramm auflegt. Mehrere Milliarden Euro werden für die Instandsetzung von Schulen und Universitäten bereitgestellt. Auch hier haben die Maßnahmen das Ziel, die Energieeffizienz zu steigern. Offen ist, wie die insgesamt für diesen Investitionspakt bereitgestellten Gelder genau verteilt werden sollen.
Manche befürchten eine "Beton-Orgie" und kritisieren das Vorhaben, neue Straßen und Autobahnen zu bauen. Ein Teil der Mittel wird für die Instandsetzung bereits bestehender Straßen und Schienenwege verwendet. "Es hätte jedoch viel mehr in den öffentlichen Nahverkehr investiert werden müssen", erklärt Bärbel Höhn.
Weiterhin umfassen die Maßnahmen zur Konjunkturankurbelung vor allem Steuer- und Abgabensenkungen. "Man sollte nicht alles kritisieren, aber wenn man sich die Summen ansieht, die bereitgestellt werden, sagt man sich schon, dass die Bundesregierung hier eine sehr gute Gelegenheit verstreichen lassen hat, sich ehrgeizige Ziele zu setzen", bemerkt Thorben Becker vom BUND.

Kasten:

Marie de Vergès

82 Milliarden Euro über zwei Jahre

Zwei Programme innerhalb von drei Monaten
Insgesamt belaufen sich die beiden Programme auf 82 Milliarden Euro über zwei Jahre.
Das erste wurde von der Bundesregierung im November 2008, das zweite im Januar 2009 verabschiedet.

Zwei Säulen
Das zweite Paket (50 Milliarden Euro) besteht aus zwei Teilen. Zum einen einem großen Investitionspakt in Höhe von 17 Milliarden Euro, zum anderen Steuer- und Abgabensenkungen im Umfang von 18 Milliarden Euro.

Umweltprämie
Über die Abwrackprämie erhält die Autoindustrie bis Ende 2009 Hilfen in Höhe von 1,5 Milliarden.

Wohnraum
Ausweitung des Kreditprogramms für ökologische Wohnraumsanierung durch die staatliche KFW-Bank auf 3 Milliarden Euro über zwei Jahre.