Staatsreform im Eiltempo

Süddeutsche Zeitung vom 08.03.2006

Von Michael Bauchmüller und Annette Ramelsberger
Berlin - Union und SPD wollen die Reform des Föderalismus möglichst zügig durch die parlamentarischen Gremien bringen. Nach Auskunft des parlamentarischen Geschäftsführers der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, soll eine gemeinsame Experten-Anhörung von Bundestag und Bundesrat verhindern, dass die Einzelinteressen von Bund und Ländern wieder aufbrechen. Es ist das erste Mal in der bundesdeutschen Geschichte, dass die beiden Kammern eine gemeinsame Anhörung zu einem Gesetzesvorhaben planen. Detailberatungen über die Föderalismusreform im Bildungs- und im Umweltausschuss will die große Koalition verhindern. Die dort geplanten Anhörungen sollen von der Tagesordnung gestrichen werden. Am Freitag ist die erste Lesung des Gesetzes im Bundestag geplant. Spätestens im Herbst soll die Reform verabschiedet werden, damit das Gesetz zu Beginn des neuen Jahres in Kraft treten kann.
Bei FDP und Grünen stieß das Vorhaben auf heftige Kritik. "Das ist ein Trick, um die Opposition herauszuhalten und die eigenen Umweltpolitiker kaltzustellen", sagte der FDP-Politiker Michael Kauch. Die Grünen-Bildungspolitikerin Krista Sager sprach von einer "ganz großen Manipulation". Die Koalition arbeite weiter daran, die Streitthemen Bildung und Umwelt "im großen Rauschen untergehen zu lassen". In beiden Ausschüssen gibt es fraktionsübergreifend Kritik an der Reform.
FDP, Grüne und Linkspartei hatten ursprünglich Einzelanhörungen in den Ausschüssen für Bildung und Umwelt durchgesetzt. Mit der Koalitionsmehrheit kann der Bundestag aber am Donnerstag dem Rechtsausschuss die Federführung übertragen. Zwar kann die Opposition auch dort Expertenanhörungen fordern; vermutlich würden diese aber dann "irgendwo hinten angehängt", fürchtet FDP-Mann Kauch. Dagegen warb der CSU-Umweltpolitiker Josef Göppel für die Verlegung in den Rechtsausschuss. Dies mache es leichter, Reformgegner zu überzeugen. "Entscheidend ist, dass die Bedenken aus Fachkreisen ernsthaft diskutiert werden", sagte Göppel. Experten warnen davor, die Reform mache das Umweltrecht eher komplizierter als einfacher. Es drohe eine "Kleinstaaterei".
Insbesondere Röttgen setzte sich mit Nachdruck für die Reform ein. Er warntealle Beteiligten abermals davor, das Gesetzespaket aufzuschnüren. "Es kann Änderungen geben, aber nur im Konsens", sagte Röttgen. Andernfalls gerate das Projekt als Ganzes in Gefahr. Bundesregierung und Ministerpräsidenten hatten das Reformpaket am Montagabend beschlossen. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte, die Spitzen der Koalitionsfraktionen seien sich "absolut einig", dass die Föderalismusreform "definitiv kommen wird".