Scharfe Kritik von allen Seiten

Financial Times Deutschland vom 15.02.2006

Scharfe Kritik von allen SeitenVon Timm Krägenow
„Mit dem jetzt geplanten Umweltrecht würde Deutschland noch nicht einmal die Aufnahmekriterien für die Europäische Union erfüllen", klagt der CSU-Bundestagsabgeordnete Josef Göppel: „Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ich die Hand für eine Grundgesetzänderung hebe, von der man von vornherein weiß, dass sie nicht funktionieren wird." Investoren würden sich in den 16 deutschen Bundesländern künftig höchst unterschiedlichen Normen und Verfahrensregeln gegenübersehen.
Aus allen Parteien hagelt es derzeit Kritik an den geplanten Kompetenzverschiebungen im Bereich Umwelt. Hauptsorge ist, dass die geplante Zersplitterung der Kompetenzen in der Umweltgesetzgebung Investitionen in Deutschland erschweren wird. Mit Hochdruck wird daran gearbeitet, Korrekturen zu erreichen. Neben Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat auch Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) schon einen Warnbrief geschrieben.
„Die Reform in ihrer jetzt geplanten Form wäre ein Rückfall", sagt der SPD-Abgeordnete Ulrich Kelber. „Sie ist nicht nur eine Gefahr für den Umweltschutz, sondern auch für die Wirtschaft."
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen kommt zu einem vernichtenden Urteil. Der Vorschlag sei „lückenhaft, unsystematisch und in hohem Maße dafür anfällig, Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern herbeizuführen", urteilen die Experten. Denn es sei nicht klar geregelt, für welches Rechtgebiet künftig der Bund und für welches die Länder zuständig sein werden.
Zwar sollen die Länder künftig den Naturschutz und die Landschaftspflege abweichend vom Bundesrecht in eigenen Gesetzen regeln dürfen. Dies gilt allerdings nicht für die „Grundsätze" des Naturschutzes, des Artenschutzes und des Meeresnaturschutzes. „Aber was die Grundsätze sind, ist nirgendwo definiert", sagt SPD-Politiker Kelber: „Wir laufen Gefahr, uns künftig ständig vor dem Verfassungsgericht zu streiten. Das ist nicht Sinn der Sache." Die gleiche Unsicherheit droht beim Wasserrecht. Die Länder sollen künftig abweichende Gesetze zum Wasserhaushalt beschließen dürfen, nicht aber zu „stoffbezogenen" Regelungen. Auch für diesen Begriff gibt es keine genaue Definition.
„Das Mindeste ist, dass wir eine bundeseinheitliche Genehmigung von Investitionsvorhaben sicherstellen", sagt CSU-Politiker Göppel: „Das Anlagenrecht muss aus dem Katalog der Abweichungsgesetzgebung herausgenommen werden. Ich werbe für diese notwendige Korrektur bei allen Beteiligten." Göppel verschweigt nicht, dass vor allem sein eigenes Bundesland, Bayern, auf Eigenständigkeit pocht. „Man soll da keinen Popanz aufbauen", sagt Göppel: „Für die Verabschiedung der Reform reicht eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat. Man braucht nicht alle Länder."