Biosprit-Branche wehrt sich gegen Steuer-Pläne

Frankfurter Rundschau vom 10.05.2006

Von Joachim Wille
Ein Protestcorso von 200 Lkw, Traktoren, Baumaschinen und Pkw wird heute am Reichstag vorbei zum Brandenburger Tor (bio-)dieseln. Landesbauernverbänden, Biosprit-Organisationen und Umweltgruppen wie Eurosolar erwarten rund 4000 Teilnehmer zu der Demonstration, die sie organisiert haben. Die Allianz warnt: Die aufstrebende, mittelständisch geprägte Branche, die aus Raps, Zuckerrüben, Mais und anderen Pflanzen Kraftstoffe wie Biodiesel, Pflanzenöl und Bioethanol produziert, werde kaputt gemacht. Mittelfristig seien bis zu 100 000 Arbeitsplätze in Gefahr, heißt es.
Bisher wird auf den vergleichsweise klimafreundlichen Biosprit keine Mineralölsteuer erhoben. Reiner Raps-Biodiesel, wie er an bundesweit 1900 Tankstellen angeboten wird, ist billiger als Normaldiesel. Dadurch stieg der Marktanteil der Biokraftstoffe in Deutschland stark an, 2005 lag er bei immerhin 3,4 Prozent.
Die Steuerfreiheit soll nun fallen. Reiner Biokraftstoff wird nach den Plänen, die jüngst im Koalitionsausschuss abgesegnet wurden, von 1. August an um zehn Cent (Biodiesel) beziehungsweise 15 Cent (Pflanzenöl) teurer. Biosprit, der dem Normalkraftstoff beigemischt wird, soll von 2007 an sogar mit dem normalen Mineralölsteuersatz belegt werden, das sind 65,4 Cent bei Ethanol und 47 Cent bei Biodiesel.
Die Ölkonzerne werden gleichzeitig verpflichtet, Benzin mindestens zwei Prozent und Diesel 4,4 Prozent Biosprit zuzusetzen. Davon verspricht sich Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) zusätzliche Einnahmen. 2007 hat er 1,6 Milliarden Euro eingeplant. Der Autofahrer wird das an der Zapfsäule deutlich spüren: Die Konzerne schätzten, dass die Kraftstoffe am 1. Januar gleich sechs Cent pro Liter teurer werden. Die Neuregelung schlage mit drei Cent zu Buche, die höhere Mehrwertsteuer noch einmal mit dem gleichen Betrag.
Kritik aus der Koalition
Ob Steinbrücks Rechnung aufgeht, hängt von den Koalitionsfraktionen ab, die das Biokraftstoff-Gesetz durchwinken müssen. Hier machen besonders die Umweltpolitiker Josef Göppel (CSU) und Hermann Scheer (SPD) Front gegen die Pläne.
Göppel befürchtet, dass der Markt für Biodiesel und Pflanzenöl im Verkehr teilweise zusammenbricht. Biodiesel verliere seinen Preisvorteil im Vergleich zu Normaldiesel, weswegen allenfalls eine Steuer von fünf Cent pro Liter gerechtfertigt sei. Reines Pflanzenöl, das bisher meistens von Lkw-Flotten getankt wird, solle bis 2009 steuerfrei bleiben. "Kein Spediteur wird mehr Pflanzenöl kaufen, wenn er keinen Preisvorteil an der Tankstelle mehr hat", sagte Göppel der FR. Die Umrüstung eines Lkw-Motors für Pflanzenöl schlage nämlich mit rund 5000 Euro zu Buche, die sich dann nicht mehr amortisierten. "Steinbrück verrechnet sich bei den Einnahmen", sagte der CSU-Politiker, "weil die Mengen nicht mehr stimmen."
Scheer, renommierter Solarexperte und Träger des "Weltpreises für Bioenergie", attackiert besonders das Ziel, die Beimischungspflicht bei Biodiesel und -ethanol von 2009 an als alleiniges Förderinstrument zu nutzen: "Der Bock wird zum Gärtner gemacht." Er sieht die Gefahr, dass die Ölkonzerne den Bio-Pflichtanteil durch Billigimporte mit höchst zweifelhaften Anbaukonzepten erfüllen - " unter anderem aus Ländern, in denen Tropenwälder abgeholzt werden, um Plantagen für Energiepflanzen anzulegen".
Die Alternativkraftstoffe würden dem "Anbietermonopol" der Ölkonzerne ausgeliefert, mittelständische Firmen hätten keine Chance mehr. Auch Göppel bricht eine Lanze für die kleineren (Pflanzen-)Ölhändler. Deren weitere Existenz könne eine "dämpfende Wirkung auf die Preispolitik der Konzerne" haben.
Scheer kritisiert, das neue Biosprit-Konzept der Koalition lasse die Hoffnung schwinden, dass die hiesige Landwirtschaft eine dauerhafte neue Perspektive bekommt. Die Hürden, von Landwirt auf "Energiewirt" umzusteigen, würden höher.
Die Alternative
Der Anteil von Biokraftstoffen am Benzin- und Dieselabsatz in Deutschland betrug 2005 rund 3,4 Prozent.
Biodiesel, der zumeist aus Rapsöl hergestellt wird, stellte mit 1,8 Millionen Tonnen den Löwenanteil davon. Biodiesel w ird entweder als reiner Biokraftstoff getankt oder normalem Diesel beigemischt.
Bioethanol spielt demgegenüber noch eine geringere Rolle. Es handelt sich um einen Alkohol, der aus Zuckerrüben, Mais oder Getreide gewonnen wird und Benzin zugemischt werden kann. Derzeit sind allerdings in Deutschland sieben Werke im Bau. Sie verdoppeln die Produktionskapazitäten für Ethanol auf Pflanzenbasis auf knapp 900 000 Tonnen pro Jahr.
Mit den sieben neuen Anlagen könnte der Anteil von Biosprit in Deutschland bis 2008 auf sechs Prozent steigen und das von der EU für 2010 angepeilte Ziel von 5,75 Prozent überschritten werden.