Aufstand gegen Steinbrück

Süddeutsche Zeitung vom 15.05.2006

Von Ulrich Schäfer
Wer sich auf die Internetseite des bayerischen Bundestagsabgeordneten Josef Göppel verirrt, glaubt im ersten Augenblick, bei den Grünen gelandet zu sein. Grün leuchtet die Seite, oben prangen zwei Logos: Eines führt zum Deutschen Verband für Landschaftspflege; eines lautet "Respect the Earth", respektiert die Erde. Nirgends hingegen findet sich das Emblem der CSU, jener Partei, für die der Förster aus Herrieden seit dreieinhalb Jahren im Bundestag sitzt.
Göppel hat in diesen Tagen eine Allianz mit einem Abgeordneten geschlossen, der ebenfalls grün daherkommt, aber einer anderen Partei angehört: mit Hermann Scheer von der SPD. Gemeinsam wollen sie verhindern, dass Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) reinen Biokraftstoff künftig besteuert. Scheer hat seine Kollegen in der SPD-Fraktion angeschrieben. Mehr als die Hälfte der Abgeordneten, insgesamt 122, haben einen Gruppenantrag unterschrieben, den sie im Bundestag einbringen wollen. Sie fordern, dass "Rein-Biokraftstoffe steuerermäßigt bleiben, um als Rein-Kraftstoff billiger angeboten werden zu können als fossile Kraftstoffe". Auch die Umwelt-, Agrar- und Wirtschaftspolitiker stehen geschlossen hinter dieser Forderung, sagt Göppel. Sie hätten den Antrag nicht unterschrieben, wollten aber in der Fraktion für den Steuervorteil werben.
Die Abgeordneten aus Union und SPD verlangen, dass Sprit aus Pflanzenöl weiter vom Fiskus geschont und nicht mit 15 Cent pro Liter belastet wird. Auf Biodiesel soll es allenfalls eine Steuer von fünf Cent pro Liter geben, und nicht zehn Cent. Schon gar nicht dürfe Steinbrück ab 2009 die volle Mineralölsteuer verlangen, warnt Göppel. Dann wäre der Markt endgültig tot: "Wir dürfen dieses junge Pflänzlein nicht zertrampeln."
Es ist das erste Mal, dass Abgeordnete von Union und SPD gemeinsam gegen ein Gesetz der Koalition meutern. Göppel hat seine Argumente in einem Papier für Fraktionschef Volker Kauder aufgeschrieben. Er sagt, die Politik müsse "allmählich einen Ersatz für Erdöl aufbauen". Natürlich werde man Sprit aus Arabien nicht zur Gänze durch Sprit von deutschen Feldern ersetzen können, aber man müsse "einen kleinen Gegenpol zur Preispolitik der Multis schaffen".
Steinbrück erhofft sich von der neuen Ökosteuer anfangs 1,6 Miliarden Euro pro Jahr, später 2,3 Milliarden Euro. Den größten Teil verspricht der Finanzminister sich davon, dass die Mineralölkonzerne dem normalen Kraftstoff künftig einen bestimmten Anteil Biosprit beimischen müssen. Auch die Öko-Aktivisten der Union und der SPD wollen dies, und wie Steinbrück möchten sie hierauf die volle Mineralölsteuer erheben; nur den reinen Biosprit wollen sie verschonen. Steinbrück werde also, sagt Göppel, "den Großteil der Einnahmen realisieren, die er auch eingeplant hat".