Volle Kraft für globalen Klimaschutz!

Göppel-Kommentar in Politikerscreen vom 02.12.2005

„Mehr Wertschöpfung aus weniger Material und Energie!" - In politikerscreen, dem Informationsdienst für Politiker, nahm MdB Josef Göppel Stellung zum Klimaschutz: „Full steam ahead for global climate protection!"

Berlin - Wie durchbrechen wir die Mauer der Gleichgültigkeit gegenüber den Veränderungen des Erdklimas? Das Leben ist sowieso hart genug, höre ich oft. Müsst Ihr Umweltschützer uns auch noch die letzte Freude nehmen, den Billigflug, ein flottes Auto, praktische Wegwerfartikel? Eure Horrorvisionen sind doch alle noch nicht bewiesen und außerdem weit weg!
Tatsächlich treffen Unwetterschäden in Deutschland bisher vor allem Landwirte und Waldbesitzer; noch ist die städtische Bevölkerung nicht an Leib und Leben bedroht. Auch die Schadensmeldungen der großen Rückversicherer durchrieseln uns wie die Lottozahlen jemanden, der gar nicht mitspielt: 60 Mrd. Dollar weltweit 2005, die höchste jemals ausbezahlte Versicherungssumme für atmosphärische Schäden. Rekordjahr Nummer zwei liegt nicht weit zurück. 2004 waren es 40 Mrd. Gleichzeitig steigen Rohstoffpreise in ungekannte Höhen. Sogar Eisenschrott kostet derzeit rund 200 Dollar je Tonne. Die Ölpreise verdoppelten sich in eineinhalb Jahren. Sollen wir warten bis der Markt die Sache regelt? Zyniker reden so. Den Naturhaushalt können die Klimaveränderungen in der Tat nicht zerstören, wohl aber die menschliche Zivilisation. Schon heute sind 50 - 100 Millionen Menschen von Trinkwassermangel bedroht. Bei einem Temperaturanstieg von zwei Grad verdreifacht sich die Zahl. Wohin werden diese Leute gehen?
Es gibt keine vernünftige Alternative zur Senkung des Rohstoff- und Energieeinsatzes. Die heutige Siedlungsverteilung auf der Erdoberfläche lässt sich sonst nicht mehr halten. Wer jetzt jünger als vierzig Jahre ist, würde noch gewaltige Wanderungsbewegungen erleben, die den angenehmen Aufenthalt in den gemäßigten Breiten der nördlichen Halbkugel beenden.
Politiker, die eine entschlossene Klimaschutzstrategie weiter verschleppen, brechen die Verpflichtung ihres Amtseids, Schaden vom Volk zu wenden!
Der UN-Klimagipfel in Montreal ist der erste nach dem Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls und der erste auf nordamerikanischem Boden. Montreal soll einen Einstieg in die Verhandlungen bringen, mit denen der internationale Klimaschutz nach 2012 festgelegt wird. Das Ziel der deutschen Delegation ist ein formales Verhandlungsmandat als Abschluss von Montreal. Zur Erinnerung: Das Berliner Mandat von 1995 war der Startschuss zu den Verhandlungen, die 1997 in das Kyoto-Protokoll mündeten. Konkrete Reduktionsziele über 2012 hinaus wird man in Montreal noch nicht erwarten können, wohl aber einen Zeitplan für das Folgeabkommen. Unterstützerstaaten dafür sind die meisten EU-Länder, Kanada, Norwegen, einige südamerikanische Staaten und Südafrika. China ist zumindest problembewusst. Unklar ist die Rolle von Tony Blair, der 2004 Zugpferd in der G8 war und nun darauf setzt, auf jeden Fall die USA mit ins Boot zu holen. Dabei ist er wohl auch bereit, viel Errungenes zu opfern. Wir Deutschen drängen darauf, dass eine Folgevereinbarung verabschiedet wird. Ob das bis 2008 gelingt ist eher zweifelhaft. Ende 2008 steht die Präsidentschaftswahl in den USA an. Viele Verbündete der USA zögern, vorher etwas Verbindliches zu unterzeichnen. Zudem besteht 2009 die Chance, dass eine neue US-Regierung noch mit aufspringt. Unverbindliche Technologietransfer-Vereinbarungen, wie die USA sie propagieren, genügen jedenfalls nicht!
Die Vorgaben im deutschen Regierungsprogramm sind dazu erfreulich eindeutig. Wir werden:
·bis 2009 ein internationales Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2012 anstreben, das auf dem Kyoto-Protokoll aufbaut;
·uns dafür einsetzen, dass andere Industriestaaten und wirtschaftlich fortgeschrittene Schwellenländer in ein neues Klimaschutzabkommen einbezogen werden und ihren Fähigkeiten entsprechende Verpflichtungen übernehmen;
·vorschlagen, dass sich die EU im Rahmen der internationalen Klimaschutzverhandlungen verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 insgesamt um 30 % gegenüber 1990 zu reduzieren. Unter dieser Voraussetzung wird Deutschland eine darüber hinaus gehende Reduktion seiner Emission anstreben.
·den Flugverkehr in angemessener Weise in den Emissionshandel einbeziehen.
Deutschland wird seine führende Rolle im Klimaschutz weiterhin wahrnehmen.
Neue Akzente setzt die große Koalition im Verhältnis zu den Entwicklungsländern. Wir werden eine neue Partnerschaft zwischen Industrie und Entwicklungsländern vorantreiben, die auf eine anspruchsvolle Modernisierung der Energieversorgung zur Steigerung der Energieeffizienz und auf den Ausbau erneuerbare Energien gerichtet ist. Diese Partnerschaft soll ein verbindliches Klimaschutzabkommen ergänzen, keinesfalls aber ersetzen.
Entscheidend für die Glaubwürdigkeit unserer Klimaschutzpolitik bleiben die konkreten Taten im eigenen Land.
·Wir werden den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bis 2020 auf mindestens 20 % und den Anteil am Gesamtenergieverbrauch auf mindestens 10 % steigern.
·Wir werden das EEG in seiner Grundstruktur fortführen. Vergütungssätze, Degressionsschritte und Förderzeiträume werden wir an die Entwicklung der einzelnen erneuerbaren Energien anpassen. Die Windenergie werden wir auf die Erneuerung alter Anlagen und die Erzeugung auf See konzentrieren.
·Wir werden die Exportinitiative für erneuerbare Energien intensivieren.
·Wir werden die Marktpotenziale erneuerbarer Energien im Wärmebereich durch die Fortführung des Marktanreizprogramms im bisherigen Umfang sowie durch ein regeneratives Wärmenutzungsgesetz besser erschließen.
·Wir werden die Energieeffizienz der Volkswirtschaft konsequent mit dem Ziel steigern, bis 2020 eine Verdopplung der Energieproduktivität gegenüber 1990 zu erreichen.
·Wir werden das CO2 -Gebäudesanierungsprogramm auf ein Fördervolumen von mindestens 1,5 Milliarden Euro pro Jahr verdoppeln sowie seine Attraktivität entscheidend verbessern (Umstellung auf Investitionszuschüsse, steuerliche Erleichterungen und Einbeziehung des Mietwohnungsbaus). Unser Ziel ist es, jedes Jahr 5 % des Gebäudebestandes energetisch zu sanieren.
·Wir werden einen Gebäudeenergiepass einführen.
·Wir werden den Anteil von Biokraftstoffen am gesamten Kraftstoffverbrauch bis 2010 auf 5,75 % steigern.
Wie können wir mit 20 % des heutigen Verbrauches an natürlichen Gütern gleich gut oder vielleicht sogar besser leben?
Das bleibt eine zentrale Herausforderung für unsere Zukunft. Die große Aufgabe heißt: Mehr Wertschöpfung aus weniger Material und Energie!