Schäuble für Schwarz-Gelb-Grün

Süddeutsche Zeitung vom 21.09.2006

Interview: Susanne Höll
Wolfgang Schäuble, 63, stellvertretender CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender, plädiert für eine Ampelkoalition von Union, FDP und Grünen. Er ist einer der prominentesten Fürsprecher eines solchen Bündnisses in seiner Partei. Über seine Rolle in einer neuen Bundesregierung wollte Schäuble nichts sagen.
SZ: Herr Schäuble, auch Sie favorisieren derzeit eine schwarz-gelb-grüne Koalition. Wie wollen Sie das skeptischen CDU-Politikern und auch Ihrer Parteibasis schmackhaft machen?
Schäuble: Das wird sicherlich nicht einfach, zumal es bekanntlich Widerstände bei den Grünen gibt. Aber das Ergebnis der Wahl ist so, dass es überhaupt keine einfache Lösung gibt. Wir wollten eine Koalition mit der FDP. Dafür reicht es nicht. Man muss nach neuen Wegen suchen, um zu einer Mehrheit zu finden. Das ist unsere Pflicht als Demokraten.
SZ: Sie haben einmal der Grünen Antje Volmer zum Amt der Vize-Bundestagspräsidentin verholfen. Dennoch müssen Sie dann Ihrer teilweise sehr konservativen Anhängerschaft erklären, warum Sie mit der Partei von Joschka Fischer und Jürgen Trittin zusammenarbeiten statt sie, wie bisher, als Kontrahent anzugreifen?
Schäuble: Noch einmal: Leicht wird das sicher nicht. Wie man das erklären kann, hängt sicher auch davon ab, welche Vereinbarungen man für eine solche Koalition treffen kann. Und es kommt immer auf die Alternative an. Eine große Koalition wäre die Alternative und weit weniger wünschenswert.
SZ: Warum wäre eine große Koalition die schlechtere Alternative?
Schäuble: Die politischen Ränder würden stärker, rechts und links noch einmal mehr. Und die SPD ist derzeit nicht in dem Zustand, dass sie Reformen für das Land voranbringen kann. Ansonsten hätte Bundeskanzler Gerhard Schröder die Vertrauensfrage nicht stellen müssen. Er selbst bemängelte, er habe keinen ausreichenden Rückhalt in seiner Partei. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie eine SPD weiterreichende Reformen unter einer CDU-Kanzlerin mittragen soll.
SZ: Es wird also keinerlei Regierungsbeteiligung der Union ohne eine Kanzlerin Merkel geben?
Schäuble: Nein. Das ist undenkbar. Das wäre Betrug an den Wählern, schließlich sind wir die stärkste Fraktion im Bundestag geworden. Auch Herr Schröder muss und wird einsehen, dass er den Wählerwillen nicht fälschen kann.
SZ: Aber der Wählerwille ist aus diesem Wahlergebnis nur schwer herauszulesen.
Schäuble: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Gelb reicht. Deshalb müssen wir eine andere stabile, wenn vielleicht auch ungewohnte Mehrheit finden. Dann brächen die Lager auf, die so lange in Deutschland existierten. Wir brauchen neue Wege, auch um in dieser neuen Welt und der Globalisierung neue Antworten zu finden. Und noch einmal: Als Demokraten sind wir verpflichtet, zu Lösungen zu kommen. Neuwahlen sind überhaupt kein akzeptabler Ausweg, denn der Respekt vor den Wählern verbietet es, sie so lange zu den Wahlurnen zu bitten, bis das Ergebnis passt.
SZ: Und wo wäre der Platz für Wolfgang Schäubleim Falle einer CDU-geführten Bundesregierung?
Schäuble: Ich bin Mitglied des deutschen Bundestages, bin zufrieden und beschäftige mich nicht mit personellen Fragen einer künftigen Regierung.