Bayerns Vorreiter im Schlafzustand - CSU-Umweltpolitiker fordern von ihrer Partei neue Anstrengungen

Münchner Merkur vom 21.02.2003

München - War da mal was – eine Rolle als Vorreiter im Umweltschutz? Die CSU-Welt dreht sich um Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft, um Schule und Bildung, überbordende Bürokratie, EU-Erweiterung und Finanznot. Würde nicht immer wieder ein Hochwasser das Thema Umwelt- und Naturschutz an die Problem-Oberfläche spülen, hätte man die Sache als weitgehend gelöst abgehakt.
Zu den Kritikern der umweltpolitischen Abstinenz in der bayerischen Regierungspartei zählt inzwischen ein wichtiger Teil der CSU selbst: Der Arbeitskreis Umweltsicherung und Landesplanung unter seinem Vorsitzenden Josef Göppel kritisierte kürzlich in einem einstimmigen Beschluss die „zurückhaltende Außendarstellung unserer tatsächlichen Umweltkompetenz im Gesamterscheinungsbild der CSU“. Das führe dazu, dass der Union beim Umweltschutz nicht die Kompetenz zuerkannt werde, die die nachgewiesenen Leistungen verdienten.
Und knallhart heißt es weiter: „Auch bei der Bundestagswahl war die zurückhaltende Darstellung von Umweltthemen einer der Gründe für das Verfehlen der Mehrheit.“
So fordern die CSU-Umweltpolitiker – sie haben bereits im März 2001 ein neues Umweltprogramm auf den Tisch gelegt, ohne dass es die Partei besonders aufgegriffen hätte – „unverzüglich eine neue Offensive für eine nachhaltige und wertgebundene Umweltpolitik zu starten“. Eine Offensive, „die vorsorgenden Umweltschutz mit Beschäftigungsimpulsen verbindet und die ökologisch orientierte soziale Marktwirtschaft zum Leitbild der Globalisierung macht“.
CSU-Generalsekretär Thomas Goppel wollte den Handlungsbedarf nicht bestreiten. Er kündigte auf Anfrage an, dass der Arbeitskreis Umwelt in Zusammenarbeit mit den Wirtschafts- und Landwirtschaftsexperten der Partei das „inhaltsstarke, aber auch sehr ausführliche Umweltprogramm“ in einem kürzeren Forderungskatalog zusammenfassen werde. Wichtigster Punkt dabei sei „die bessere Darstellung unserer erfolgreichen Umweltpolitik in Bayern“.
Das würde auch Rückenwind für den eher im Stillen wirkenden bayerischen Umweltminister  bedeuten. Werner Schnappauf, der lieber mit Überzeugungskraft als mit harter Hand zu Werke geht, scheut Konflikte, zumal im Kabinett. Dabei riskiert er manchmal Erosionen im Erscheinungsbild und den Vorwurf der Untätigkeit von Opposition und Naturschutzverbänden.
Bei der Ausweisung der Schutzgebiete nach der FFH-Richtlinien (Flora-Fauna-Habitat) der EU kochte er zunächst auf zu kleiner Flamme – bis er die Donau zwischen Straubing und Vilshofen nachmelden musste. Zu dem umstrittenen Ausbau dieser schützenswerten 70 Flussklometer vermied er lange eine klare Stellungnahme gegen den Bau von Staustufen, befürwortete allenfalls die „ökologisch verträglichste Lösung“. Immerhin gab er dieser Tage im Landtag den Startschuss für den Hochwasserschutz an der Donau auf der Grundlage einer Ausbau-Variante ohne Staustufen. Eine Niederlage kassierte er beim Versuch, das inzwischen eingeführte Dosenpfand zu verhindern.
Inzwischen sind manche Beobachter kaum noch bereit, auch einmal Schnappaufs Erfolge hervorzuheben. So ist nahezu untergegangen, was der Minister inzwischen bei Hochwasserschutz, Landschaftsplanung und Flächenverbrauch auf den Weg gebracht hat; Bei der „Offensive für natürlichen Hochwasserschutz in Bayern“ sollen in den nächsten Jahren 100 Millionen Kubikmeter natürlicher Rückhalteraum geschaffen werden. Das ist so viel, wie der Waginger See fasst.
Um den immer stärker kritisierten enormen Flächenverbrauch in den Griff zu bekommen, arbeitet Schnappauf an einem Bündnis für Flächensparen („innerörtliche Verdichtung“ vor Bauen auf der grünen Wiese). Damit die schönen Pläne samt den Tabuzonen für Hochwasser nicht im Unverbindlichen stecken bleiben, werden sie im neuen Landesentwicklungsprogramm als verbindliche Ziele ausgewiesen: Schnappauf hat mit dieser Rechtsgrundlage einen Hebel in der Hand und kann gegenläufige Planungsabsichten der Kommunen untersagen.
Göppel bescheinigt dem Minister gute Arbeit, vor allen beim praktischen Naturschutz auf der Fläche („da ist Bayern führend“). Tatsächlich können beispielsweise der Vertragsnaturschutz mit der Landwirtschaft, Verbundprojekte wie an Lech und Isar mit Beteiligung der Gemeinden, Städte und Landkreise oder die Landschaftsplanung auf Gemeindeebene als Vorzeigeprojekte gelten.
Aber andere Felder lässt die Regierungspartei brachliegen. Göppel, der vom Landtag in den Bundestag gewechselt ist, denkt jetzt an die Bayernwahl am 21. September und wird deutlich: „Der Schlafzustand im Umweltbereich ist für die CSU nicht tragbar. Wir brauchen auch die umweltbewussten Wähler.“