Zukunftsräume – Unsere Politik für das Land

Beschluss der Delegiertenversammlung des Arbeitskreises Umweltsicherung und Landesentwicklung der CSU am 16. September 2006 in Neumarkt


Ländliche Räume sind stabilisierende Elemente eines jeden Staates. In Deutschland umfassen sie knapp die Hälfte der Bevölkerung auf 70 % der Fläche. Ländliche Räume verbinden vielfältige Zukunftschancen mit hoher Lebensqualität und prägen das Erscheinungsbild eines Landes entscheidend. Nicht nur die Überschaubarkeit der Lebensverhältnisse, praktizierte Nachbarschaft, enge soziale Bindung und günstige Umweltbedingungen sind geschätzte Vorteile der ländlichen Räume. Ihnen kommt auch eine immense Bedeutung als Wirtschaftsraum zu.
Die attraktive Kulturlandschaft Bayerns ist wesentlich ein Ergebnis der Landbewirtschaftung durch Land- und Forstwirtschaft. 80 % Bayerns werden land- und forstwirtschaftlich genutzt. Die flächendeckende Landbewirtschaftung ist eine wichtige Grundlage für den in Bayern sehr starken Tourismus und somit für außerlandwirtschaftliche Wertschöpfung. Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft sichern in Bayern über 600.000 Arbeitsplätze. Fasst man alle Effekte mit mittelbarer oder unmittelbarer Verbindung zur Land- und Forstwirtschaft zusammen, so ergeben sich daraus 15 % der Wertschöpfung Bayerns.
Andererseits dünnt mit geringerer Bevölkerungsdichte das Angebot vieler Dienstleistungen aus. Veränderungen in der Gesellschaft, die demographische Entwicklung und die knapper werdenden finanziellen Spielräume der öffentlichen Haushalte verändern das System der Daseinsvorsorge für die ländlichen Räume.
Die CSU hat sich den ländlichen Räumen schon immer besonders verpflichtet gefühlt und sie nachhaltig gefördert. In den letzten Jahrzehnten konnte die Wohn- und Lebensqualität in den ländlichen Räumen Bayerns deutlich gesteigert werden. Mit der Verbesserung der Infrastruktur und gezielter Förderpolitik für Ansiedlungen und Arbeitsplätze, dem Ausbau schulischer und kultureller Einrichtungen sowie der Schaffung von Freizeit- und Erholungseinrichtungen konnte die Attraktivität des Lebens auf dem Land beträchtlich erhöht werden.
Jüngste Entwicklungen in vielen ländlichen Räumen sind aber geprägt von Schließungen einzelner Produktionsstätten, dem Wegzug von Behörden, der Schließung von Poststellen und Krankenhäusern sowie mangelhaftem Nahverkehr. Darüber hinaus fehlen oft Lehrstellen und ganz besonders hochwertige Arbeitsplätze. Die Folge ist vielerorts der Wegzug der jungen Generation. Diese Veränderungen fordern ein rasches Entgegenwirken und Innovationen, um das Gleichgewicht zwischen Ballungsräumen und ländlichen Gebieten zu erhalten. Die Konzeption der Wirtschafts- und Strukturpolitik braucht eine Neuausrichtung.
Stadt und Land brauchen einander und beleben sich gegenseitig. Nach der Bildung von Metropolregionen darf aber keine Schieflage der öffentlichen Aufmerksamkeit und der politischen Entscheidungen zu Lasten des Landes entstehen. Die Menschen brauchen gerade in der globalisierten Welt Verwurzelung und Halt. Ländliches Leben und ländliche Kultur sind auch im 21. Jahrhundert unverzichtbar.
Der Arbeitskreis Umweltsicherung und Landesentwicklung der CSU fordert deshalb
I. in Europa
während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im 1. Halbjahr 2007 eine Initiative zu ergreifen, um die Stärkung ländlicher Räume zu einer eigenständigen Schwerpunktaufgabe zu machen. 85 % der Fläche und 56 % der Bevölkerung Europas verlangen nach einem ganzheitlichen und dauerhaften Entwicklungskonzept
die Erhaltung der landschaftlichen Vielfalt Europas sowie des natürlichen und kulturellen Erbes in die Generallinie der europäischen Politik für die ländlichen Räume aufzunehmen
die kommunale Grundinfrastruktur weiter zu verbessern, um die wirtschaftliche Entwicklung anzuregen, die Wertschöpfung in ländlichen Gebieten zu erhöhen, junge Leute zum Bleiben zu bewegen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern
die so genannte zweite Säule der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik bei der Zwischenrevision 2008 wieder deutlich zu stärken.
II. im Bund
die massive Kürzung der europäischen Mittel für ländliche Räume aufgrund des Ratsbeschlusses zugunsten der Nettozahler vom Dezember 2005 national auszugleichen (300 Mio. €/Jahr)
eine bessere Grundfinanzierung von kleineren Gemeinden und Flächenlandkreisen im Rahmen der Gemeindefinanzreform herbei zu führen
bei der Reform des Finanzausgleichs die vermehrte Belastung der ländlichen Kommunen für den Unterhalt von Wegen, Gewässern und Schutzgebieten gesondert zu berücksichtigen
die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz zu einem „Nationalen Entwicklungsprogramm ländlicher Raum" auszubauen
eine verlässliche Honorierung landeskultureller Leistungen einzuführen und partnerschaftliche Zusammenschlüsse von Kommunalpolitikern, Landwirten und Naturschützern besonders zu fördern
mit einem bundesweiten Projekt „Natur als Kapital" den ökologischen Wert von Kulturlandschaften verstärkt zur regionalen Wertschöpfung zu nutzen
die Programme zur Senkung des Energieverbrauchs im Wärmesektor und zu effizienterem Energieeinsatz durch Schaffung einer eigenständigen gesetzlichen Grundlage zu verstetigen
die Position der nachwachsenden Rohstoffe und erneuerbaren Energien weiter auszubauen
die Verwendung von Biokraftstoffen so zu fördern, dass reine Pflanzenöle nicht aus dem Markt gedrängt werden, denn deren Wertschöpfung bleibt weitgehend im ländlichen Raum
den Ausbau des Schienennetzes in Deutschland nicht auf Schnellbahnen zwischen den Metropolen beschränken zu lassen, sondern auch auf leistungsfähige Fernverkehrsanbindungen der Mittelstädte zu achten
die Kürzung der Zuweisungen an die Länder für den öffentlichen Nahverkehr zurückzunehmen
bei der leitungsgebundenen Infrastruktur wie schnellen Internetzugängen Anreize für Unternehmen zu schaffen, die auch in dünn besiedelten Gebieten investieren. Das können etwa Exklusivlizenzen oder privilegierte Marktzugänge auf Zeit sein
ein nutzerbezogenes Finanzierungsinstrument für die Sonderlasten von Grundeigentümern und Bewirtschaftern in Wasserschutzgebieten einzuführen
die Letztverantwortung der Kommunen für Einrichtungen der Daseinsvorsorge gesetzlich zu sichern
neue Formen sozialen Zusammenlebens wie Mehrgenerationenhäuser auch in Ortskernen ländlicher Räume zu fördern
Neue Organisationsformen für Grunddienstleistungen in dünn besiedelten Gebieten zu entwickeln wie zum Beispiel Dienstleistungsbusse mit kombinierten kulturellen, medizinischen und Einzelhandelsangeboten
das Ehrenamt als tragende Säule lebendiger ländlicher Räume umfassend zu fördern und die steuerliche Freistellung gemeinnütziger Vereine nicht auszuhöhlen
die Querschnittsaufgabe Ländliche Räume federführend dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zuzuordnen
III. in Bayern
im kommunalen Finanzausgleich Anreize für Flächensparen und Entsiegelung einzuführen, um den ausufernden Unterhaltsaufwand zu senken
alte Ortskerne als Wohn-, Arbeits- und Kulturräume bevorzugt zu entwickeln
eine bedarfsgerechte Grundversorgung im öffentlichen Nahverkehr auf dem Land zu sichern
die mobilen sozialen Dienste auf dem Land wie Dorfhelfer, Familienpflege und Sozialstationen besonders zu stärken
an Kindergärten die rechtlichen Voraussetzungen für die Bildung und den Einsatz begleitender Mütternetzwerke zu schaffen
Grundschulen nicht weiter zu konzentrieren, sondern die guten Erfahrungen mit kombinierten Klassen zu einem kinderfreundlichen pädagogischen Konzept auszubauen
ländliche Netzwerke mit professionellem Regionalmanagement gezielt zu fördern
die Regionalplanung als wichtiges Steuerungsinstrument für eine nachhaltige Raumentwicklung zu erhalten
die Landesmittel zur Kofinanzierung europäischer Programme bedarfsgerecht aufzustocken
in der Programmplanung für ländliche Räume einen Schwerpunkt auf Landschaftspflege zu setzen, um die freiwillige Zusammenarbeit mit Landwirten als Markenzeichen bayerischer Naturschutzpolitik nicht zu gefährden
zur Finanzierung der Umsetzung von NATURA 2000 und Hochwasserschutz die Mittel des EU-Strukturfonds zu nutzen, die mit 23,4 Mrd. Euro 2007 - 2013 für Deutschland 3-mal so hoch sind wie die ELER-Mittel. Die ELER-Mittel als Mittel der 2. Säule der EU-Agrarpolitik dürfen damit nicht belastet werden
den Gemeinden und Landkreisen mehr Mitentscheidungsrechte bei staatlichen Programmen einzuräumen




Artikel vom: 30.08.2006 14:49