Wie sieht unsere Energiezukunft aus?

Beitrag für die Festschrift "20 Jahre EUROSOLAR" erschienen im November 2008

In Bayern markiert eine Energiekrise den historischen Beginn der Idee von nachhaltigem Wirtschaften. Eines der größten Wirtschaftsunternehmen im ausgehenden Mittelalter, das Handelshaus Stromer aus Nürnberg, stand 1368 vor dem Aus: Der Raubbau an den umliegenden Wäldern gefährdete den Holznachschub für die firmeneigenen Berg-, Hütten- und Hammerwerke. Die europaweite Nachfrage nach Nürnberger Metallprodukten konnten wegen Energieknappheit nicht mehr bedient werden. Peter Stromer, bedeutender Unternehmer und Nürnberger Ratsherr, startete deshalb ein großangelegtes Wiederaufforstungsprogramm auf den Brachflächen um Nürnberg. Gleichzeitig sicherten strenge Gesetze eine nachhaltige Holzentnahme. Mit Erfolg: Die neuen forstwirtschaftlichen Methoden sicherten die Energieversorgung der freien Reichsstadt und wurden darüber hinaus zum Exportschlager: Nürnbergs Waldexperten verbreiteten ihre Erkenntnisse auf dem ganzen Kontinent. Eine weitere wirtschaftliche Entwicklung war also nur möglich, weil die Grenzen der Natur wieder respektiert wurden. Dieselbe Frage müssen wir für ein hochentwickeltes Industrieland beantworten: Schaffen wir es, Energie im Einklang mit der Natur bereitzustellen und gleichzeitig den Wohlstand zu mehren?

Seit 20 Jahren bringt EUROSOLAR diese existenzielle Frage ins Bewusstsein der Menschen. Und das beständige Eintreten für eine Energiewende zeigt Erfolg. Noch vor wenigen Jahren wurde die Vision einer Vollversorgung aus erneuerbaren Energien von Vielen als unrealistisches Hirngespinst abgetan. Seit der Ölpreis immer weiter steigt, zweifelt niemand mehr daran, dass die Erneuerbaren schon bald zur tragenden Säule unserer Energieversorgung werden müssen.

Wie vor 650 Jahren können wir nur durch ein mutiges Umsteuern den Lebensstandard halten. Die Energiezukunft ist erneuerbar: Sonne, Wasser, Wind, Erdwärme und Energiepflanzen. Langfristig steht uns nur so viel Energie für Strom, Wärme und Mobilität zur Verfügung wie aus diesen Quellen gewonnen werden kann. Eine kluge Politik setzt die Rahmenbedingungen in einer Marktwirtschaft so, dass Unternehmer und Ingenieure kreative Lösungen entwickeln.

Auch wegen der Vordenker von EUROSOLAR hat die deutsche Politik früher als in anderen Ländern die Entwicklung der regenerativen Energiequellen gefördert. Deutschland hat 1998 mit dem Stromeinspeisegesetz im Elektrizitätsbereich den richtigen Weg eingeschlagen und durch eine sichere Vergütung des regenerativ erzeugten Stroms den Grundstein für einen blühenden Industriezweig und die Schaffung von zukunftsträchtigen Arbeitsplätzen gelegt. Nun entwachsen die erneuerbaren Energien den Kinderschuhen. Im Februar 2008 erreichte der Anteil bereits 18 Prozent gegenüber 6 Prozent noch im Jahr 2000. 2020 werden die erneuerbaren Energien 30 Prozent zur deutschen Stromversorgung beitragen. Im vergangenen Jahr konnte in einem bundesweiten Pilotprojekt der Beweis erbracht werden, dass durch eine intelligente Koppelung von Wind-, Wasser- und Sonnenstrom eine sichere und zuverlässige Versorgung möglich ist. Damit dieses Ziel überall erreicht werden kann, braucht die erneuerbare Stromerzeugung in den kommenden Jahren noch Unterstützung. Der Maßstab für die Anpassung der Vergütungssätze im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) war deshalb, den Ausbau weiter zu führen, ohne die Stromverbraucher zu stark zu belasten.

Der nächste Schritt muss nun sein, die erneuerbaren Energien endgültig am Markt zu etablieren. Der Markt ist der geeignete Rahmen, um Strom aus Biomasse, Wind, Sonne, Erdwärme und Wasser auf die Nachfrage der Verbraucher abzustimmen. Bisher übernehmen die Netzbetreiber diese Aufgabe. Das neue Gesetz sieht vor, dass die Betreiber von erneuerbaren Kraftwerken wahlweise den Strom direkt an Endkunden liefern können. Durch die Direktvermarktung wird eine regionale Vollversorgung aus erneuerbaren Energien für die Menschen erlebbar. Stadtwerke können dann umweltfreundlichen Strom aus der Region mit hoher Versorgungssicherheit anbieten.

Erneuerbare Energien werden aber auch in der Wärmeversorgung eine wichtige Rolle spielen. Der Anteil Erneuerbarer Energien an der Wärmebereitstellung lag 2007 bei nur 6,6 %. Die Technologien sind vorhanden, um diesen Anteil schnell zu steigern. Die Erneuerbaren Energien sind im Wärmemarkt ein „schlafender Riese", der mit dem neuen Wärmegesetz geweckt wird. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Wärmeversorgung in Deutschland wird bis 2020 auf 14 % steigen.

Bei Neubauten muss in Zukunft ein Teil der Wärme aus erneuerbaren Energien erzeugt werden. Erneuerbare Energien im Gebäudealtbestand werden aus dem Marktanreizprogramm über direkte Investitionszuschüsse gefördert. Hierzu stellt der Bund jährlich 500 Millionen € bereit.

Die Vision heißt „Plusenergiehaus“. Schon mit heutiger Technik können neu gebaute oder grundsanierte Gebäude mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen. Dank Wärmedämmung im Passivhausstandard, solarer Architektur und sparsamen Elektrogeräten erzeugen Solarzellen oder Mini-Blockheizkraftwerke mehr Energie als im Haus verbraucht wird.

Für eine sichere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energieversorgung fehlen nicht die technischen Möglichkeiten. Ich hoffe, EUROSOLAR drängt auch in den kommenden 20 Jahren die Politik, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass diese Möglichkeiten im Interesse von Wirtschaft, Beschäftigung und Klimaschutz genutzt und weiterentwickelt werden.

Josef Göppel

Artikel vom: 13.11.2008 16:07