Ukraine - verzweifelter Drang nach Westen


Bundeskanzlerin Merkel: Angebot zur Annäherung bleibt auf dem Tisch

Berlin, 19. Dezember 2013 – Die Ukraine erlebt die größten Demonstrationen seit der Orangenen Revolution im Jahr 2004. Hintergrund ist die Entscheidung des Präsidenten Janukowitsch, das Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen und stattdessen von Russland Hilfen in Form von Krediten und vergünstigten Gaslieferungen anzunehmen. Ziel Russlands ist die enge Bindung der Ukraine an Moskau im Rahmen einer Zollunion.


Auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz protestieren die Menschen derweil bei klirrender Kälte gegen die einseitige Bindung an den östlichen Nachbarn. Das Aufbegehren überraschte viele Beobachter: Der Aufbruch nach der friedlichen Revolution im Jahr 2004 war durch Korruption und Geltungssucht der politischen Klasse rasch stecken geblieben. Die Situation war mit der Zeit so verfahren, dass sich sogar eine Mehrheit der Ukrainer wieder für den 2004 gestürzten Präsidenten Janukowitsch als das geringere Übel entschied. Viele Ukrainer waren auch enttäuscht über die zaghafte Unterstützung durch die Europäische Union. Es schien, als führe kein Weg aus der wirtschaftlichen Misere. Deshalb ist es erstaunlich, dass nun erneut so viele Menschen für Ihren Wunsch nach einem demokratischen Staat und einer offenen Wirtschaft nach europäischem Vorbild auf die Straße gehen. Besonders Vitali Klitschko, in Deutschland als Box-Weltmeister bekannt, gilt vielen Ukrainern als Hoffnungsträger für eine Öffnung nach Westen.


Der Name der Ukraine – wörtlich übersetzt das „Grenzland“ – droht wieder einmal zum Fluch zu werden. Das Land steckt in der Zwickmühle zwischen Europa und Russland. Wie die Unterbrechung der Gaslieferungen in mehreren Wintern gezeigt hat, ist Präsident Putin fast jedes Mittel recht, um den russischen Einflussbereich wieder auszudehnen. Die Ukrainer fürchten eine dauerhafte wirtschaftliche Stagnation wie in der russischen Enklave um das ehemalige Königsberg. Dieses Gebiet könnte als Brücke nach Europa florieren. Weil Moskau aber fürchtet, dass eine wohlhabende Bevölkerung mit Kontakten in die EU mehr Autarkie fordern könnte, bleibt das Gebiet abgeschottet und rückständig. Die Europäische Union wiederum scheut den Konflikt mit dem großen östlichen Nachbarn. Mit der Osterweiterung der EU ist deshalb eine Grenze in Europa entstanden, wie es sie seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nicht mehr gegeben hat. Polen und die Slowakei haben die Grenzen mit EU-Hilfe elektronisch und personell aufgerüstet. Wartezeiten von 24 Stunden sind keine Seltenheit.


Bundeskanzlerin Merkel hat nun in ihrer Regierungserklärung zur Europapolitik einen pragmatischen Ansatz vorgeschlagen: „Wir müssen aus dem Entweder-oder herauskommen. Es darf nicht sein, dass eine Situation entsteht, in der ein Land, das zwischen Russland und der Europäischen Union liegt, eine Grundentscheidung fällen muss, die nur so verstanden werden kann: entweder für den einen oder für den anderen.“ Dazu müsste die Östliche Partnerschaft der EU neu ausgerichtet werden und Russland gezielt in Gespräche mit der Ukraine eingebunden werden. Russische Anliegen müssen ernst genommen werden. So könnte eine Politik der kleinen Öffnungsschritte gelingen. Eine Verbesserung der Lebensbedingungen in der Ukraine ist diesen mühsamen Weg wert.


Und aus polnischer und deutscher Sicht: Nur so können illegale Migration, Schwarzarbeit, Menschenhandel und Zwangsprostitution erfolgreich eingedämmt werden. Es ist die Armut und Perspektivlosigkeit, die Ukrainer in die Hände der organisierten Kriminalität treibt. In vielen ukrainischen Dörfern leben die Menschen von dem, was sie selbst auf den Feldern der ehemaligen Kolchosen anbauen – und dem was illegal in Westeuropa lebende Mitglieder der Familie überweisen.

Artikel vom: 19.12.2013 14:10