Schlecker will auf Leiharbeit verzichten

Nürnberger Nachrichten vom 12.01.2010

Kritik von MdB Josef Göppel schlägt Wellen – Von der Leyen will Schlupflöcher stopfen

Der Herriedener Bundestagsabgeordnete Josef Göppel (CSU) hat mit seiner Kritik am Geschäftsgebaren der Drogeriemarktkette Schlecker heftige Reaktionen ausgelöst. Nach Vorwürfen, Dumpinglöhne zu zahlen und das Instrument der Zeitarbeit zu missbrauchen, kündigte der Konzern Veränderungen an. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen will verstärkt kontrollieren.

Herrieden – So wenig scheint das Wort von MdB Josef Göppel dann doch nicht zu wiegen. Die Schlecker-Leitung kanzelte den Abgeordneten  aus Herrieden (Kreis Ansbach) in einer ersten Stellungnahme ab: Es sei „nicht ungewöhnlich, dass einzelne ansonsten wenig wahrnehmbare Abgeordnete über die Medien durchsichte Profilierungsversuche mit populistischen Positionierungen versuchen“, hieß es in dem Schreiben. Göppel hätte zudem „unkorrekte Behauptungen“ von sich gegeben und dabei „elementare Grundsätze des demokratischen Diskurses ignoriert“.

Ministerin schaut genau hin

Doch nun bekommt Göppel, der sich in einem Brief sowohl an den mächtigen Firmenchef Anton Schlecker als auch an Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wandte, bundesweite Unterstützung. Die Ministerin äußerte sich am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“ zur „Affäre Schlecker“. Sie kündigte an, dass die Bundesregierung die Vorwürfe gegen die Drogeriemarktkette prüfen werde: „Bei Schlecker gucken wir sehr genau hin, ob da Missbrauch betrieben wird oder ob Gesetze umgangen werden“.

Finde man solche Schlupflöcher, müsse „gesetzlich nachgesteuert“ werden.

Göppel hatte dem Konzern, wie in der Wochenendausgabe berichtet, vorgeworfen, Flächentarifverträge zu unterlaufen und derart niedrige Löhne zu zahlen, dass viele Beschäftigte staatliche Hilfen in Anspruch nehmen müssten, um „sich überhaupt das Nötigste zum Leben leisten zu können“.

Der Betriebsrat Fürth/Herzogenaurach hatte publik gemacht, dass Schlecker die Stammbelegschaft alter Filialen entlasse und durch Leiharbeiter in sogenannten XL-Märkten, ersetze. Diese würden nur die Hälfte des üblichen Gehalts bekommen und somit auf staatliche Unterstützung angewiesen sein. Betroffen seine zwei Filialen in Göppels Wohnort Herrieden. Außerdem sind Fälle in Heroldsberg (Kreis Erlangen-Höchstadt) und Zirndorf-Wintersdorf (Kreis Fürth) bekannt.

Schlecker reagierte und teilte mit, die neue Schlecker XL GmbH zahle Stundenlöhne, die „in vielen Fällen bei bis zu 13 Euro“ liegen würden. Außerdem handele es sich bei den Mitarbeitern, die „auf staatliche Zusatzleistungen zur Sicherung des Existenzminimums“ angewiesen seien, nur um „einige wenige geringfügige Beschäftigte“, nicht um den Normalfall. Die Arbeitsbedingungen würden sich im Rahmen des allgemein Üblichen bewegen und den geltenden Bestimmungen entsprechen.

Doch Betriebsrätin Carmen Hussnätter erneuerte gegenüber unserer Redaktion die Vorwürfe: „Wir können das belegen.“ Hussnätter bestätigte, dass in Herrieden in Kürze eine sogenannte Schlecker XL-Filiale eröffnet. Die komplette Belegschaft der alten Schlecker-Filiale, die nun dicht macht, sei entlassen worden. Niemand habe ein Angebot bekommen, in der neuen Filiale wieder eingestellt zu werden. Dafür würden Leiharbeiter zu weitaus schlechteren Bedingungen eingestellt. So hätten den Betriebsrat Klagen erreicht, in denen es um niedrigere Löhne bei den neuen Filialen geht: „Zwar bleibe der Gesamtverdienst im Monat gleich, allerdings müssten die „Geringverdienenden“ statt bisher 34 Stunden künftig 55 Stunden pro Woche arbeiten. Folglich sinke dadurch der Stundenverdienst von 10,92 Euro auf 6,50 Euro.

Konzern reagiert doch

Überraschend kündigte Schlecker gestern Konsequenzen an. Der Leiter der Unternehmenskommunikation, Florian Baum, sagte: „Die öffentliche Diskussion um die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern haben wir bisher nicht nachvollziehen können.“ Um diese jedoch zu beenden, habe die Firma beschlossen, ab sofort keine neuen Verträge mit einer Leiharbeitsfirma mehr abzuschließen. Bereits seit einigen Monaten stand Schlecker wegen der Zusammenarbeit mit einer Zeitarbeitsfirma in der Kritik.

Schleckers Umdenken kam auch insofern überraschend, als die Bundesagentur für Arbeit derzeit keine Möglichkeit  für ein Einreiten gegen einen möglichen Missbrauch der Zeitarbeit sieht. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verbiete es nicht, Beschäftigte zu entlassen und dann von einer Zeitarbeitsfirma zu schlechteren Bedingungen zu entleihen, teilte die Agentur mit.

Artikel vom: 12.01.2010 15:07