Regionalentwicklung mit kommunalen Allianzen

Kräfte bündeln und Gemeinschaftsbewusstsein erzeugen

Interview zur Facharbeit des Gymnasiasten Manuel Gedon am 28. Dezember 2005

Herr Göppel, welche Vorteile sehen Sie in der Gründung der Region Hesselberg für den ländlichen Raum?

Mit der Gründung der Region Hesselberg wurden Kräfte gebündelt und ein Gemeinschaftsbewusstsein erzeugt. Die 25 Gemeinden, die in dieser Region zusammen geschlossen sind, gehören ja unterschiedlichen historischen Räumen an, wie die Freie Reichstadt Dinkelsbühl, der Markgrafschaft Ansbach oder dem Fürstbistum Eichstätt. Weil es eben keine einheitliche historische Gemeinsamkeit gab, war es wichtig, mit einer Neugründung die gemeinsamen Interessen in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht auf neue Weise sichtbar zu machen.

Denken Sie, dass man damit langfristige Erfolge erzielen kann?

Es gibt für solche Unternehmungen nicht viele Beispiele in Deutschland, aber die wenigen die es gibt, wie zum Beispiel das Auerbergland im Allgäu zeigen, dass freiwillige lockere Zusammenschlüsse in Form von kommunalen Allianzen langfristig sehr wohl Erfolg bringen. Das Wichtigste ist das Gemeinschaftsbewusstsein. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass Nachbargemeinden zusammen arbeiten. Oft genug war ihr Verhältnis in der Vergangenheit von Konkurrenz geprägt, beispielsweise in der Form, dass jede Gemeinde bei der Ausweisung von Gewerbegebieten versuchte, die andere zu übertrumpfen, auch wenn die Bedingungen dafür im Einzelfall nicht günstig waren. Wenn es nun eine gemeinsame Planung gibt, dann können Gewerbeflächen an günstigen Straßenkreuzungen oder Bahnhöfen konzentriert und andere Gebiete dafür frei gehalten werden. Trotzdem ist es möglich, die abseits liegenden Gemeinden über Zweckverbände am Ertrag zu beteiligen.
In der Politik ist gemeinsames Auftreten von Gemeinden in einem bestimmten Raum außerordentlich wichtig. Wenn 22 Bürgermeister, wie in der Hesselberg-Region geschehen, sich auf eine Priorität der Straßenausbaumaßnahmen einigen, dann kann die Regierung in München dem schlecht widersprechen. Diese Strategie hatte im Hesselbergraum Erfolg.

Stehen Sie persönlich hinter den Projekten?

Voll! Die Entwicklungsgesellschaft Region Hesselberg ist heute eine der best funktionierenden, kreativsten kommunalen Allianzen in Deutschland. Die Bürgermeister haben die Ziele der Allianz gemeinsam entwickelt, manchmal in schmerzlichen Diskussionen, aber alles was heute geschieht ist von unten gewachsen und nicht von oben übergestülpt worden. Die Europäische Union nennt diesen Ansatz Bottom-up. Er unterscheidet sich grundsätzlich von der früheren Politik für ländliche Räume. Damals ging es kurz gesagt darum, finanzielle Hilfen von außen in ländliche Gebiete zu bringen und damit Straßen zu bauen und Betriebsansiedlungen zu fördern. Jetzt legen die verantwortlichen Akteure solcher Gebiete selber fest, was benötigt wird. Das planerische Mittel dafür sind Stärken- und Schwächen-Analysen. Ganz wichtig ist die Beteiligung aktiver Bürgerinnen und Bürger über den Kreis der Kommunalpolitiker hinaus.

Glauben Sie, dass nur durch eine regionale Entwicklung das Zieldreieck der
Nachhaltigkeit durchgesetzt oder erreicht werden kann?

Das Zieldreieck der Nachhaltigkeit muss selbstverständlich auch auf gesamtstaatlicher und europäischer Ebene verfolgt werden, aber auf regionaler Ebene ist der Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem, sozialen und ökologischen Fragen für die Menschen in der Regel viel leichter einsehbar und deswegen ist eine nachhaltige Politik ohne Unterfütterung regionaler Strategien auf Dauer ohne Erfolg. Dieser politische Prozess ist wie eine Pyramide aufgebaut. Man kann nicht die Steine auf die Spitze setzen, ohne dass eine breite Basis vorhanden ist.

Wenn Sie die Zukunftskonferenz Wirtschaft in einem Satz auf den Punkt bringen sollten. Wie würde er lauten?

Überraschung, was es bei uns an wirtschaftlicher Vielfalt gibt und das Bewusstsein, wie stark wir doch eigentlich sind.

Konnte man bei dieser Zukunftskonferenz eine Art Aufbruchstimmung fühlen?Wie war die Stimmung am Schluss?

Unter den Teilnehmern herrschte tatsächlich eine Aufbruchstimmung. Bei denen, die nicht dabei waren, Zweifel. Der Zweifel wurde auch von der regionalen Presse geschürt. Hier geht es wohl um unterschwellige Interessengegensätze im Raum.

Sie als Bundestagsabgeordneter sind Anlaufstelle für viele Bürgerinnen und Bürger aus Ihrem Wahlkreis. Konnten Sie aus persönlichen Gesprächen bereits positive Erfahrungen entgegennehmen?

Die Entwicklungsgesellschaft Hesselberg hat es in sieben Jahren geschafft, ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen. Der einfache Satz, zur Region Hesselberg gehören alle Gemeinden, von denen aus man den Hesselberg sieht, ist für viele plausibel. Wie sonst kämen Gemeinden wie Leutershausen, Aurach, Herrieden und Burgoberbach dazu, ihre Nachbarschaftsallianz AGIL ausdrücklich unter das Dach der Hesselbergregion zu stellen?

Gibt es auch negative Erfahrungen?

Negative Haltungen gibt es vor allem unter politisch Verantwortlichen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das nicht auf altes Konkurrenzdenken zurückzuführen ist, etwa nach der Art, was bringt die Allianz meiner Gemeinde? Bei 25 Gemeinden kann nicht jedes Jahr in jeder Gemeinde ein tolles Projekt durchgeführt werden. Manche verharren auch in der alten Empfängermentalität und erkennen nicht, dass es jetzt auf Eigeninitiativen und Vorschläge aus der eigenen Bürgerschaft ankommt.

Gibt es Grenzen dieser Regionalentwicklung?

Eine Grenze besteht in den finanziellen Möglichkeiten. Große Bauprojekte können aus der Entwicklungsgesellschaft heraus mit einem Euro pro Einwohner und Jahr nicht finanziert werden. Darin liegt der Grund für ein häufiges Missverständnis. Kommunale Allianzen dieser Art können Projekte anschieben, einfädeln und begleiten, aber nicht selbst finanzieren. Das bleibt Aufgabe des Gesamtstaates. Letztlich geht es um die Frage einer ausgewogenen Bevölkerungsverteilung. Lässt man es zu, dass immer mehr Menschen in die Ballungsräume und deren Speckgürtel ziehen, oder gibt man durch ausgleichende Finanzkraft auch in dünn besiedelten Räumen den jungen Menschen Zukunftsperspektiven.

Glauben Sie, dass sich die Mentalität der Bürger verändert oder vielleicht schon gar verändert hat, hin zu Heimatbewusstsein, zum „auf seine Region stolz sein"; vom Geiz-ist-geil-Denken zum regionalen Denken?

Eindeutig ja. Wir sind mitten in einem Wandel des Denkens, aber das ist noch ein zartes Pflänzchen. Heimatbewusstsein neuer Art bedeutet in der Tat, den Zusammenhang zwischen eigenem Einkaufsverhalten und dem Wohlergehen der näheren Umgebung zu durchblicken und sich auch entsprechend zu verhalten. In den 90er Jahren stand man der rasch um sich greifenden Globalisierung konzeptlos gegenüber. Heute ist klar, dass regionale Wirtschaftskreisläufe zur Unterfütterung des globalen Wirtschaftskreislaufes unbedingt erforderlich sind. Die Weltwirtschaft ist um so stabiler, je funktionsfähiger regionale Wirtschaftsbeziehungen sind. Das entspricht übrigens auch dem wichtigsten Organisationsmuster der Natur. Insgesamt sind wir aber noch am Anfang dieses Weges und es ist nicht entschieden, ob wir Erfolg haben. Mit einem rein globalisierten Muster werden jedenfalls ländliche Räume entvölkert und in städtischen Räumen fallen viele Menschen in Armut.

Sehen Sie die Globalisierung mehr als Gefahr oder vielleicht doch auch als Chance für den ländlichen Raum?

So wie die Globalisierung jetzt läuft, ist sie eine Gefahr für den größten Teil der Menschen, weil sie nur wenigen dient und viele ärmer macht. Globalisierung kann ein Gewinn für die ganze Erde werden, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

1. Gemeinsame Regeln mit einer gemeinsamen Wertordnung,
2. Funktionierende regionale Wirtschaftskreisläufe.

Artikel vom: 28.12.2005 10:58