Nachhaltigkeit muss Richtschnur bleiben!

Landesentwicklung in Bayern

Am 13. März 2004 diskutierte die Landesdelegiertenversammlung des Arbeitskreises Umweltsicherung und Landesentwicklung der CSU in Weihenstephan die künftigen Leitlinien der bayerischen Landesplanung mit Staatsminister Dr. Otto Wiesheu. Der nachfolgende Beschluss wurde von den Delegierten am Ende der Diskussion einstimmig verabschiedet.

 

  • In Bayern verläuft der Übergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft harmonischer als in vielen anderen Ländern. Ein wesentlicher Grund dafür ist die wohlausgewogene Balance zwischen Tradition und Fortschritt, zwischen Weltoffenheit und regionaler Verwurzelung, die Bayern charakterisiert.
  • In der zukünftigen Landesentwicklung muss das Prinzip der Nachhaltigkeit noch mehr als bisher alle Bereiche durchdringen. Auch künftig müssen ökonomische, ökologische, soziale und kulturelle Ziele gleiches Gewicht haben.
  • Die Industriegesellschaft war geprägt vom Trend zur Zentralisierung. In der Informationsgesellschaft ist ein anderer Weg möglich: Leistungsfähige, nachhaltigkeitsfördernde dezentrale Strukturen. In der Informationsgesellschaft entscheidet nicht mehr geografische Distanz, sondern Wendigkeit.
  • Bei der Ausrichtung auf internationale Wirtschaftsaktivitäten war die bayerische Politik besonders erfolgreich. Wir brauchen aber andererseits auch die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe im Innern. Regionale Wirtschaftskreisläufe sind kein Gegensatz zur Globalisierung, sondern ihre notwendige Ergänzung. Sie stabilisieren das Gesamtsystem. Die Erhaltung eines eigenständigen Profils ist im Wettbewerb der Regionen ein entscheidender Erfolgsfaktor. Das verlangt die bewusste Pflege des kulturellen Erbes, die Sicherung intakter Landschaften und die Stärkung regionsspezifischer Wertschöpfungen.
  • Die Sicherung gleichwertiger Lebensbedingungen in allen Landesteilen wird sehr stark davon abhängen, ob es gelingt in der globalisierten Wirtschaft vergleichbare Wettbewerbsbedingungen durchzusetzen. Dazu muss der Werterahmen der Sozialen Marktwirtschaft auch auf internationaler Ebene durchgesetzt werden. Auch wenn die Durchsetzung dieser Ziele schwierig ist, müssen wir energisch daran arbeiten. Wir brauchen einen Siegeszug der Sozialen Marktwirtschaft, nicht ihren Rückzug!
  • Gerechte Wettbewerbsbedingungen fehlen vor allem zwischen internationalen Unternehmen und den meist nur national tätigen Mittelstandsbetrieben. Die Verrechnungsmöglichkeit von Gewinnen und Verlusten über Staatsgrenzen hinweg benachteiligt den Mittelstand und beschleunigt die Verlagerung von Produktionsstätten ins Ausland. Der Ort der Wertschöpfung muss für Bilanzierung und Steuerpflicht künftig wieder maßgebend sein.
  • Für die Zukunft der Stadtregionen wird entscheidend sein, ob sie ihre Zentralfunktionen als Arbeits-,Wohn- und Erlebnisräume halten können. Das breitflächige Vordringen ins Umland entspricht nicht dem bayerischen Entwicklungsleitbild. Wir wollen die Kernstädte stärken. „Erlebniseinkaufswelten“ gehören nicht auf die grüne Wiese, sondern in eine gepflegte urbane Umgebung mit kulturellen Angeboten.
  • Die Stadtumlandbereiche profitieren vordergründig von der Schwäche mancher Kernstädte. Auf lange Sicht werden sie aber nur mit einem eigenständigen Profil attraktiv bleiben. Reine Wohnquartiere reichen dazu nicht aus. Stadt-Umland-Gemeinden brauchen eine bessere Durchmischung von Wohnen, Arbeiten und Erholen und Anreize zu kleinräumigeren Gliederungen mit mehr dezentralen Arbeitsplätzen.
  • Die ländlichen Gebiete sind für die CSU Entwicklungsräume mit eigenständiger Qualität, keinesfalls nur Ausgleichsräume für städtische Zentren. Dünn besiedelte ländliche Räume sind inzwischen durch die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge ernsthaft gefährdet. Aktuellstes Beispiel dafür ist die Verweigerung des schnellen Internetanschlusses DSL in solchen Gebieten. Lösbar wird dieses Problem nur mit einer konsequenten Universaldienstverpflichtung für alle Marktteilnehmer, die Dienstleistungen der Daseinsvorsorge anbieten. Infrastrukturunternehmen sollen zur Deckung ihrer Kosten beim Aufbau der Infrastruktur auch in dünn besiedelten Räumen einen zeitlich begrenzten privilegierten Marktzugang erhalten.
  • Die Dynamik der Wirtschafts- und Siedlungsentwicklung in Bayern muss sich auch künftig in eine landesplanerische Ordnung einfügen. Den Wettbewerb einzelner Gemeinden um jeden Preis und gegenseitiges Unterbieten lehnen wir ab. Die regionalen Planungsverbände halten wir für geeignete Instrumente der Landesplanung in kommunaler Verantwortung. Wir befürworten die überregionale und auch grenzüberschreitende Zusammenarbeit in kommunalen Allianzen, um Investitionen sinnvoller im Raum zu bündeln und die jeweiligen Standortvorteile gezielter zu nutzen.
  • Mit flexiblen Instrumenten wie Teilraumgutachten und kommunalen Allianzen lassen sich maßgeschneiderte Konzepte entwickeln und die Bevölkerung wirksamer einbinden. Wir befürworten die allmähliche Umstellung maßnahmenbezogener Förderungen auf Pauschalen, über die regionale Gremien eigenverantwortlich entscheiden können. Alle Förderungen sollen so angelegt sein, dass sie Anstöße zur Entwicklung aus eigener Kraft geben.
  • Zur Sicherung der landschaftlichen Attraktivität Bayerns muss die rasante Ausdehnung der Bebauung in die freie Landschaft eingegrenzt werden. Revitalisierung von Siedlungskernen und Flächenrecycling stehen jetzt im Vordergrund. Die ständige Ausweitung der versiegelten Flächen ist nicht mehr zu vertreten. Es ist volkswirtschaftlich wenig sinnvoll, neue Flächen zur Bebauung auszuweisen, wenn gleichzeitig schon erschlossene innerörtliche Bereiche brach fallen. Deshalb sollte in erster Linie auf bisher schon genutzte Flächen zurückgegriffen werden. Mit Appellen wird keine Trendwende zu erreichen sein. Wir brauchen vielmehr ein gemeinsam mit der Kommunalpolitik entwickeltes Instrumentarium. Die Kommunen sollen einen stärkeren Gestaltungsspielraum für Baugebote in ihren Satzungen erhalten, um nicht verkaufswillige Eigentümer von bereits erschlossen Grundstücken zur Bebauung bewegen zu können. Auch die Mustersatzungen für Erschließungsbeiträge brauchen mehr Flexibilität, um über die Erschließungskosten den Flächenneuverbrauch zu reduzieren. Das entscheidende Hemmnis für Flächenrecycling sind Altlasten und ihre Beseitigungskosten. Wir plädieren dafür, Erträge aus der Grunderwerbssteuer gezielt zur Altlastenbeseitigung einzusetzen.
  • Angesichts zunehmender Wetterextreme muss der vorsorgende Hochwasserschutz konsequent weiter geführt werden. Damit lassen sich gleichzeitig die ökologische Wirksamkeit und Durchgängigkeit von Talräumen verbessern. Wildlebende Pflanzen und Tiere können so auch inmitten der Zivilisationslandschaft überleben. Dazu ist es insbesondere erforderlich, Über­schwemmungsgebiete konsequent von Bebauung freizuhalten. Talquerende Verkehrswege sind so auszugestalten, dass sie für Hochwasser durchfließbar sind.
  • Die Landesentwicklung muss Antworten auf die Lebenswirklichkeit des 21. Jahrhunderts geben. Das erfordert angesichts rückläufiger Geburtenzahlen attraktivere Bedingungen für junge Familien, um Kinderwunsch und Teilnahme am Berufsleben besser vereinbaren zu können.
  • Durch die demographische Entwicklung nimmt die Zahl lebenserfahrener Menschen, die aus dem Berufsleben ausgeschieden sind, in den nächsten Jahren stark zu. Das bietet die Chance, in kommunalen Begegnungsstätten der Generationen neue Formen von Eigeninitiative und Nachbarschaftshilfe aufzubauen.
  • Bei der zukünftigen kommunalen Profilierung wird die familienfreundliche und altersgerechte Gemeinde eine bedeutende Rolle spielen. Bei allen Planungsprozessen müssen deshalb die bessere Verträglichkeit von Familie und Beruf sowie Begegnungsmöglichkeiten der Generationen in den Vordergrund rücken.
  • Der stürmische Wandel unserer Zeit kann nur mit einer klaren Wertorientierung bewältigt werden. Gerade der Begriff „christlich“ im Parteinamen der CSU verlangt Rücksicht auf die weniger Leistungsfähigen in der Gesellschaft und Schöpfungsverantwortung gegenüber der Natur.
Artikel vom: 13.04.2004 16:33