Landschaftspflege durch Verbände in Australien und Deutschland

Ein Vergleich der Landcare-Gruppen und Landschaftspflegeverbände

in Naturschutz und Landschaftsplanung 41, (3) 2009

von Katrin Prager

Zusammenfassung

Das Konzept der Landcare-Gruppen hat seinen Ursprung in Australien und ihm werden viele Erfolge zugeschrieben. Obwohl die Idee der Landschaftspflegeverbände (LPV) Ähnlichkeit mit Landcare hat, werden die deutschen Verbände in der internationalen Literatur viel seltener als Vorbild für die Einbindung lokaler Akteure in Naturschutz und Landschaftspflege diskutiert. Es wird geprüft, inwieweit sich LPV in das internationale Konzept von Landcare einfügen und wo Besonderheiten bestehen. Dazu werden Ähnlichkeiten und Unterschiede herausgearbeitet und dabei Ursprung und Selbstverständnis, Ziele und Aktivitäten sowie organisatorische Strukturen analysiert.

LPV und Landcare-Gruppen haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie unbeständige agrarumweltpolitische Rahmenbedingungen, unberechenbare Fördermittel und mangelndes politisches Interesse. Dennoch zeigt sich, dass solche lokalen Gruppen unverzichtbarer Bestandteil einer Strategie zum Erreichen einer nachhaltigen ländlichen Entwicklung sind, um Programme und Planungen vor Ort umzusetzen, die von allen Akteuren getragen werden.


Auszüge

Landschaftspflegeverbände unterscheiden sich in ihrer Entstehungsgeschichte gravierend von Landcare-Gruppen. Während die Gründung von Gruppen in Australien durch ein speziell ausgerichtetes staatliches Programm beworben und gefördert wurde, entstanden die ersten Landschaftspflegeverbände auf Initiative einzelner lokaler Akteure. In den 1980er-Jahren nahm die Bedeutung von aktiver Landschaftspflege zu, bedingt durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft, neue Regelungen im Naturschutzrecht und die Entwicklung von Biotop- und Artenschutzprogrammen auf Länderebene (BAALS 2000). Flächen wurden für den Naturschutz ausgewiesen, ohne dass klar war, wer sich um deren Pflege kümmern sollte. Landwirte begannen sich nach alternativen Einkommensquellen umzusehen und erkannten das Potenzial, das in der Durchführung von Aufträgen in der Landschaftspflege lag. Aber es gab auch noch ein anderes Problem: Die 80er-Jahre waren von ständigen Auseinandersetzungen zwischen landwirtschaftlichen Organisationen und Naturschutzverbänden gekennzeichnet. MEUSEL (1994) sieht die Trennung von intensivst genutzten Landwirtschaftsflächen und kleinsten, höchst  konservierten Naturschutzflächen als Ursache für den langjährigen Dauerstreit zwischen Landwirtschaft und Naturschutz. Vor diesem Hintergrund beschloss Josef Göppel, damals Förster und Lokalpolitiker in Mittelfranken (Bayern), „eine Organisation zu gründen, in der die Kommunalpolitiker eine Schiedsrichterrolle zwischen Landwirten und Naturschützern einnehmen könnten“ (GÖPPEL per E-Mail 11.10.2007). Die Grundidee dieser Organisation war die Drittelparität, nach der später auch alle anderen Verbände aufgebaut wurden. Die Gründungsbemühungen wurden vom Bezirkstag, der gewählten Vertretung Mittelfrankens, unterstützt. Über die Mittelfrankenstiftung für Natur, Kultur und Struktur wurden Projekte und die Geschäftsführung des Verbandes gefördert. Zeitgleich (1985/86) entstand im niederbayerischen Kelheim ein ähnlicher Verband, ohne dass die dortigen Akteure von den Vorgängen in Mittelfranken wussten. Der Deutsche Verband für Landschaftspflege e.V. (DVL) wurde 1993 auf Initiative der einzelnen LPV gegründet. Er ist der gemeinnützige Dachverband der Landschaftspflegeverbände, Biologischen Stationen und vergleichbaren Vereinigungen in Deutschland. Das prägende Merkmal der Verbände ist laut DVL die Drittelparität. Das bedeutet, dass sich der Vorstand zu gleichen Teilen aus Vertretern der Landwirtschaft, des Naturschutzes und der (Kommunal-)Politik zusammensetzen soll. Auch im Verband selbst sind Landwirte, Naturschützer, Kommunalpolitiker und – je nach Interessenlage – andere Akteure aus der Region zusammengeschlossen, die sich die Erhaltung gewachsener Kulturlandschaften und den Aufbau naturnaher Lebensräume zum Ziel gesetzt haben. Während es für die australische Landcare-Bewegung eine übergreifende Philosophie gibt, ist es nicht verbreitet, von einer deutschen Landschaftspflegebewegung zu sprechen. Allerdings kann nach GÖPPEL (per EMail 11.10.2007) in Teilen Deutschlands angesichts der Verbreitungskarte der Landschaftspflegeverbände durchaus von einer „Landschaftspflegebewegung“ gesprochen werden. 

Diskussion und Schlussfolgerungen

In den vorherigen Abschnitten wurden die Charakteristika beschrieben. Trotz ähnlicher Leitbilder und Ziele gibt es bedeutende Unterschiede in Entstehungsgeschichte, organisatorischen Strukturen und Förderung deutscher Landschaftspflegeverbände und australischer Landcare-Gruppen. Die  wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede sollen hier mit ihren Vor- und Nachteilen diskutiert werden.

Die Idee deutscher LPV ist ursprünglich ein „bottom-up“-Ansatz, da keine staatliche Stelle bei ihrer Gründung beteiligt war und auch kein Förderprogramm die Gründung solcher Verbände förderte. Im Gegensatz dazu spielte die australische Regierung eine zentrale Rolle in der Initiierung und anhaltenden Unterstützung der Landcare-Bewegung (MARTIN & HALPIN 1998). In der Umsetzung hingegen agieren australische Verbände eher bottom up, indem sie ihre Projekte selbst planen und umsetzen, während sich LPV auf Fachplanungen und Programme stützen, die auf übergeordneten Ebenen von den Verwaltungen erstellt wurden. Allerdings muss man einräumen, dass mit den
neueren Entwicklungen der Regionalisierung in Australien die übergeordneten Pläne der Regionalbehörden eine größere Rolle spielen und letztlich auch die Fördermittelvergabe beeinflussen werden. Während deutsche Gruppen seit ihren Anfängen den Fokus auf die Umsetzung bestehender Planungen legten, ist das für Landcare-Gruppen neu und mit Umstellungsschwierigkeiten verbunden, weil sich damit das Selbstverständnis der Gruppen ändern muss.
Aufgrund der fehlenden spezifischen Förderung von Gruppen gibt es in Deutschland von staatlicher Seite keinen Bedarf, die Anzahl und den Zustand der Landschaftspflegeverbände zu beobachten oder deren Aktivitäten, ihre Wirksamkeit und ihren Erfolg zu analysieren und zu bewerten. Zwar bieten GÜTHLER & TSCHUNKO (1999) eine umfassende Beschreibung der  Landschaftspflegeverbände in Bayern und der DVL trägt jährlich die Ergebnisse der LPV-Aktivitäten in seinem Geschäftsbericht zusammen, doch darüber hinaus beschränken sich Literaturquellen auf Erfahrungsberichte oder  Projektzusammenfassungen, ohne die Rolle der LPV übergreifend zu nalysieren. In Australien hingegen hatte die Regierung ein Interesse daran, den Erfolg ihres Förderprogramms zu messen, um auf dieser Basis über eine Fortführung entscheiden zu können (Studien im Auftrag der Regierung sind z.B. ALC 2002, CURTIS & COOKE 2006, HODGES & GOESCH 2006,NELSON et al. 2004). Dieses bedingt die unterschiedliche Resonanz auf das Konzept von Landcare bzw. die Landschaftspflegeverbände im wissenschaftlichen Bereich.

Auch bezüglich der Förderung haben deutsche Verbände schon seit Beginn auf
viele unterschiedliche Programme zurückgreifen müssen. In der Anfangszeit der Landcare- Gruppen war dies einfacher, da es nur ein staatliches Programm gab. Die Programmstruktur ist inzwischen auch in Australien vielfältiger und komplexer. Im Gegensatz zu Australien gibt es in Deutschland keine Organisation, die Fördermittel aus der Wirtschaft für Landschaftspflege
einwirbt. Hier sind die Vorbehalte stärker ausgeprägt, was das Sponsoring
durch Firmen betrifft, die durch die Herstellung ihrer Produkte der Umwelt schaden oder Flächen verbrauchen. Offensichtliche Übereinstimmung gibt es
zwischen den Tätigkeitsbereichen der Gruppen in Australien und Deutschland hinsichtlich Erosionsminderung, Gewässerschutz und Vernetzung von Biotopstrukturen. Unterschiedlich ist der Schwerpunkt auf regionaler Vermarktung und regionaler wirtschaftlicher Entwicklung in Deutschland
und die Kontrolle von nicht einheimischen Tier- und Pflanzenarten in Australien. Unterschiedlich ist auch, dass sich LPV hauptsächlich um öffentliche Flächen kümmern, Landcare-Projekte hingegen auf privaten oder öffentlichen Flächen durchgeführt werden. Dabei ist immer wieder ein Streitpunkt, ob die Verwendung öffentlicher Gelder für die Beseitigung von Umweltschäden auf
privaten Flächen eingesetzt werden sollten, die durch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung erst in diesen Zustand gebracht wurden.

In Australien gibt es keine Lobby-Organisation wie den DVL, der Gründungsinitiativen betreut (das übernehmen in Australien zum Teil die Landcare facilitators), über LPV informiert, in Politik und Verwaltung Überzeugungsarbeit in Sachen Landschaftspflege leistet und eigene Modellprojekte durchführt. Stattdessen existiert in Australien der Australian Landcare Council, der jedoch über das NLP etabliert wurde, also von der Regierung bezahlt wird. Diese Struktur begrenzt den ALC in seiner Lobbyarbeit und seinen Äußerungen. Insgesamt haben die deutschen Verbände
ein Dienstleistungsverständnis und streben nach einem professionellen Projektmanagement, während die australischen Gruppen aus volunteers bestehen. Dort liegt die Herausforderung darin, mit den Ressourcen von Freiwilligen geschickt umzugehen und die nötige Anleitung bereitzustellen.
Deutsche Gruppen haben in der Regel eine(n) Geschäftsführer(in), die/der mit den entsprechenden Kenntnissen und Fähigkeiten Projekte und Maßnahmen organisiert und umsetzt. Schwierig ist für Verbände in beiden Ländern, eine kontinuierliche Förderung zu erhalten. In Deutschland werden die Verbände nur in wenigen Bundesländern institutionell gefördert und die Kosten für den Geschäftsführer müssen über Projekte eingeworben werden, obwohl schon 1999 erkannt wurde, dass ohne regelmäßige staatliche Grundförderung nur finanziell sich selbst tragende Maßnahmen abgewickelt werden können und die wichtige Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit nicht abgedeckt wird
(GÜTHLER & TSCHUNKO 1999). Auch in Australien ist die kontinuierliche Betreuung durch einen Koordinator selten gewährleistet, was ähnliche Folgen hat. Die Bezeichnung der Landcare-Gruppen als „agri-environmental networks“ (LOCKIE 2006, 24) passt ebenso auf deutsche Verbände. Unterschiede zeigen sich jedoch in der Einbindung unterschiedlicher Interessen. Während in deutschen LPV die Drittelparität grundlegendes Merkmal ist, gibt es in
Australien auch Gruppen, die nur aus Landwirten oder nur aus Naturschützern bestehen. Die Kommunen spielen eher eine Außenseiterrolle, obwohl in der Anfangszeit von Landcare deren Beteiligung anvisiert war und die gemischte Zusammensetzung von Gruppen als wichtig herausgestellt wurde (ROBERTS & COUTTS 1997). Die mangelnde Einbindung von Vertretern aus den Kommunen und der lokalen Wirtschaft wurde wiederholt als Schwäche thematisiert (CAMPBELL 1992).

Abschließend kann festgehalten werden, dass sich deutsche Landschaftspflegeverbände durchaus in das internationale Konzept von Landcare einfügen, da sie Umwelt- undNaturschutz (erweitert um Kulturlandschaftsschutz) zum Ziel haben und diesen über breit angelegte Partnerschaften und Beteiligung aller relevanten Akteure umsetzen. Darüber hinaus zeichnen sich deutsche LPV durch ihr Engagement in der nachhaltigen Regionalentwicklung und umweltverträglichen Landnutzung aus. Die Flexibilität in den Strukturen und spezifischen Zielsetzungen von Gruppen in Deutschland und Australien spiegeln diesen partnerschaftlichen Ansatz wider. Landcare-Gruppen in beiden Ländern kämpfen mit ähnlichen Problemen wie unbeständige agrarumweltpolitische Rahmenbedingungen, unberechenbare Fördermittel und mangelnde politische Unterstützung. Um eine nachhaltige ländliche Entwicklung zu erreichen, müssen strategische Programme und Planungen vor Ort  umgesetzt werden. Das setzt voraus, dass es Institutionen gibt, die die Kommunikation und Kooperation zwischen relevanten Akteuren organisieren, damit die Maßnahmen von allen mitgetragen werden. Solche Institutionen können sowohl LPV als auch Landcare-Gruppen sein, da sie eine Schlüsselrolle bei der vertikalen und horizontalen Kommunikation spielen: sowohl zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren, zwischen lokalen und regionalen Akteuren, als auch zwischen Akteuren aus verschiedenen Sektoren. Die Frage ist nahe liegend, welche Ansätze aus Australien „besser“ sind und sich auch für die Praxis in Mitteleuropa eignen. Obwohl diese Frage nicht Kern des Beitrags ist, lassen sich dazu einige Schlussfolgerungen ziehen. Ein nationales Programm für Landschaftspflege – oder besser noch erweitert zu nachhaltigem Landmanagement – könnte eine staatliche Grundförderung für Verbände gewährleisten. Solch ein Programm würde die Bildung von Gruppen in Regionen ermöglichen, in denen bisher die eigenständige Gründung von Verbänden durch geringes Sozialkapital erschwert ist. Der Fokus sollte jedoch nicht auf Gründungszuschüssen, sondern vielmehr auf der kontinuierlichen Unterstützung von Wissensaustausch liegen. Zwar bedeutet ein nationales Programm ein harmonisiertes Vorgehen zur Erreichung eines einheitlichen Ziels, birgt aber die Gefahr, dass grundlegende Faktoren für die Beständigkeit von Verbänden (Selbstbestimmung von Verbänden und das gemeinsame Erarbeiten lokal angepasster Lösungen) untergraben werden. Vorteilhaft wäre die Möglichkeit, ein Monitoring von Gruppenaktivitäten einzurichten, um deren Effektivität hinsichtlich nachhaltiger Landnutzung bzw. multifunktionaler Landwirtschaft einschätzen zu können. Letztlich könnte verstärkt Sponsoring von Naturschutz und Landschaftspflege durch mittelständische, aber auch größere Unternehmen eingeworben werden. Die Struktur von Landcare Australia Ltd. mit einem nationalen und mehreren regionalen Büros scheint geeignet, um auch öffentlichkeitswirksame Aktionen durchzuführen und für die Bedeutung nachhaltiger Landnutzung zu werben. Allerdings müssen bei der Vermarktung eines Logos,  Bewusstseinsbildung und Sponsoringaktivitäten die unterschiedliche Mentalität und deutsche Strukturen bedacht werden.

 

Artikel vom: 04.03.2009 17:34