Kulturgut Alleen versus Verkehrssicherheit

B 198 Bergfeld - Möllenbeck: Verjüngung einer sich auflösenden Allee   .    Foto: Straßenbauamt Neustrelitz

B 198 Bergfeld - Möllenbeck: Verjüngung einer sich auflösenden Allee . Foto: Straßenbauamt Neustrelitz

Berlin, 24.2.15 - Die Alleen an deutschen Straßen dürfen nicht der Motorsäge zum Opfer fallen. Sie sind Teil des kulturellen Erbes und haben große ökologische Bedeutung. Zahlreiche Bundestagsabgeordnete, Fachbehörden und Naturschutzverbände bis hin zum ADAC wollen nun ein gemeinsames Konzept ausarbeiten, wie Alleenschutz und Verkehrssicherheit vereinbar sein könnten. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt will im Frühjahr im Umland Berlins symbolisch den letzten Baum einer neuen Allee pflanzen.

Beim zweiten parlamentarischen Abend zum Alleenerhalt wurde die Bildung einer Arbeitsgruppe beschlossen. Fachbehörden und Naturschutzverbände, allen voran die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), der Bund Deutscher Baumschulen (BdB), der Deutsche Naturschutzring (DNR), BUND und NABU wollen zusammen mit dem ADAC und der Deutschen Alleenstraße den Diskurs mit dem Verkehrsministerium fortsetzen. Ziel ist es, die einschlägigen Richtlinien besser mit dem Erhalt und der Entwicklung der Alleen in unserer Kulturlandschaft abzustimmen.

Welcher Schutz bei Fahrfehlern zu gewährleisten ist, wird kontrovers anhand der „fehlerverzeihenden“ gegenüber der „selbsterklärenden Straße“ erörtert. Eine fehlerverzeihende Straße gebe es nicht, sagte Wolfgang von Geldern, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, in seinem Eingangsstatement. Technische Hilfsmittel könnten niemals die Eigenverantwortung komplett ersetzen. Jeder Verkehrsteilnehmer müsse sich mit angepasster Geschwindigkeit bewegen.

Gerade die historischen Alleen bieten durch die Einbindung der Verkehrswege in die Landschaft optische Führung und Orientierung im Raum. Sie bewirken einen angepassten Fahrstil und damit eine Minderung riskanten Verhaltens im Verkehr. Dennoch sind 500 bis 600 Verkehrstote pro Jahr, bei denen Bäume eine Rolle spielen, noch immer zu viel. Eine günstige Maßnahme zur Reduktion von Unfällen sind Geschwindigkeitsbegrenzungen. Eine generelle Begrenzung in Alleen auf 80 km/h im Land Brandenburg sollte aufgrund der dort gesunkenen Unfallzahlen Vorbildcharakter für andere Bundesländer und Landkreise haben.

Einigkeit besteht darin, dass die Richtlinie für Passive Schutzeinrichtungen an Straßen (RPS 2009) nur für Straßenneubauten Anwendung finden soll. Ihre Anwendung auf vorhandene Land- und Kreisstraßen hatte in einigen Bundesländern für Kahlschläge gesorgt. Deswegen wurde Josef Göppel 2013 gegenüber dem Verkehrsministerium aktiv.
Bei Neu- oder Umbauten wird in der RPS ein hindernisfreier Sicherheitsraum von 7,50 m vom Fahrbahnrand verlangt. Damit lassen sich Neupflanzungen praktisch nicht mehr verwirklichen, weil die angrenzenden Eigentümer fast nirgends bereit sind, soviel Land zu verkaufen. Ein geringerer Abstand von Baumreihen ist möglich, aber nur hinter Schutzplanken.

Für baumbestandene Straßen im Bestand sind die Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume (ESAB 2006) maßgeblich. Darauf wies Dr. Stefan Krause, Abteilungsleiter Straßenbau im Bundesministerium für Verkehr nochmals in aller Deutlichkeit hin. Außerdem sei das Entfernen von Bäumen nach eingehender Einzelfallprüfung immer nur als letztes Mittel zu erwägen.

Alleen haben über ihre positiven Verkehrswirkungen (Lenkung, Sonnen-, Wind- und Regenschutz) hinaus einen großen ökologischen und touristischen Wert. Dieser Wert liegt bei ca. 1 Mio. € pro km, wie Katharina Brückmann vom BUND in ihrem Vortrag herausstellte.

Für die Straßenbaulastträger spielen jedoch die Kosten eine erhebliche Rolle. Denn im laufenden Unterhalt sind baumbestandene Straßen teurer als nackt in der Landschaft liegende. Die Bäume seien jährlich auf ihre Verkehrssicherheit zu kontrollieren und die Bankette wären aufwendiger zu pflegen. Daher war eine Forderung des Abends, Bundesländern mit einer großen Anzahl an Alleen eine höhere Zuweisung an Unterhaltungsmitteln für die Bundesstraßen zu gewähren.

Das Fazit des Parlamentarischen Abends: Unsere Kulturlandschaft ist nicht nur touristisch von großem monetären Wert, sie ist auch unsere Heimat. Soll sie für nachfolgende Generationen erhalten bleiben, müssen auch heute weitere straßenbegleitende Neupflanzungen erfolgen.

 

Das sind zusammengefasst die Forderungen der Natur- und Heimatschutzorganisationen zum Schutz von Straßenbäumen:

1.       Die Einbeziehung des Alleenschutzes muss zur Selbstverständlichkeit für alle Straßenbaulastträger werden.

2.       Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit sind primär Geschwindigkeitsbeschränkungen, dann Leitplanken vorzusehen.

3.       Beim Straßenbau generell ist Vorsorge für den Schutz des Gehölzbestandes zu treffen.

4.       Beim Straßenausbau ist der Ersatz gefällter Bäume einzuplanen.

5.       Der seitliche Abstand für Neupflanzungen ist im Einzelfall nach örtlichen Gegebenheiten zu entscheiden, z.B. hinter der äußeren Grabenböschung keine starre Festlegung auf 7,50 m!

6.       Der Schutz von Straßenbäumen und Alleen ist in alle Naturschutzgesetze zu integrieren.

7.       Alleen sollen flächendeckend kartiert werden.

8.       Es sind Programme mit Mitteln für die Sanierung alter Alleen und zur Neuanpflanzung einzurichten.

 

Alleen – Kulturgut versus Verkehrshindernis Folien zum Vortrag von Katharina Brückmann, Referentin für Baum- und Alleenschutz des BUND Mecklenburg-Vorpommern

Artikel vom: 03.03.2015 14:28