Kahlschlag an Alleen

Neuer Vorstoß von Göppel an Dobrindt

Berlin, 16. Juli 2014 – Jede Woche berichten verzweifelte Bürger von scheinbar wahllosen Abholzungen durch Straßenbauämter – in vielen Teilen Deutschlands verschwinden Alleen und Straßenbäume, weil sie möglicherweise bei einem Unfall im Weg stehen könnten. Bis zu einem Abstand von 8,50 m vom Straßenrand werden Bäume gefällt. Hintergrund ist eine Richtlinie (RPS 2009) des Bundesverkehrsministeriums, die mancherorts radikal umgesetzt wird. 

Anfang Juli fand in Berlin ein parlamentarischer Abend zum Thema statt, den die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald und der Deutsche Naturschutzring ausrichteten. Es kamen 70 Teilnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet. Das Verkehrsministerium stellte die eigentlich beabsichtigte Lenkungswirkung und die Unterschiede der Richtlinien ESAB 2006 und RPS 2009 dar. Zahlreiche Reaktionen von Teilnehmern zeichneten von deren Anwendung jedoch ein völlig anderes Bild:

Beamte vor Ort entscheiden aus Kostengründen meist für das Entfernen des „nicht verformbare Hindernisses“ statt Schutzeinrichtungen anzubringen. Es gibt eine unterschwellige Angst, beim Belassen von Bäumen, Menschenleben aufs Spiel zu setzen und dafür haftbar gemacht zu werden.

Die „Empfehlung“ des Bundesministeriums an die Länder (ARS 28/2010), die beiden Richtlinien auch auf untergeordnete Straßen anzuwenden, wird buchstabengenau vollzogen, ohne auf die örtliche Situation einzugehen. Im Zweifel wird der größere Abstand der RPS auch beim Bestand angewendet, bei dem eigentlich die ESAB gilt.

Josef Göppel hat deshalb erneut an Bundesverkehrsminister Dobrindt (hier finden Sie den Brief) geschrieben und ihn gebeten, Klarstellungen vorzunehmen:

1. Bei vorhandenem Baumbestand ist nur die ESAB 2006 anzuwenden.

2. Der Anbringung von Schutzeinrichtungen ist in der Abwägung Vorrang vor der Beseitigung von Hindernissen zu geben (Ziff. 3.1.1 RPS 2009).

3. Die örtlichen Verhältnisse sind bei der Festlegung des „absoluten Schutzraums“ zu Grunde zu legen (Ziff. 3.3.1.1 RPS 2009). Die Auswertung von Unfällen zeigt klar, dass abkommende Fahrzeuge fast immer an der äußeren Böschung des Straßengrabens aufgefangen werden. Dahinter stehende Bäume stellen keine zusätzliche Gefahr dar. Die RPS 2009 fordert jedoch einen Baumabstand von mindestens 7,50 m vom Straßenrand in der Horizontalen. Dieser ergibt sich aus einer theoretischen Berechnung der Ableitung kinetischer Energie! Bis 2009 galt ein absoluter Schutzraum von 4,50 m. Auch hinter Lärmschutzwänden und anderen festen Hindernissen sind Baumfällungen nicht nachzuvollziehen.

4. Die Anwendung auf untergeordnete Straßen ist ausdrücklich unter den Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall zu stellen (ARS 28/2010 Ziff. IV).

5. Die Kategorie „Umbau“ von Straßen ist zu präzisieren. Es muss klargestellt werden, dass Unterhaltungsmaßnahmen kein Umbau sind (ARS 28/2010 Ziff. IV).

6. In beiden Richtlinien ist zu verankern, dass Bäume an Straßen grundsätzlich schützenswerte Natur- und Kulturgüter sind.

7. Das Ministerium sollte auf die vermehrte Einrichtung stationärer Radarstationen an Gefahrenstellen hinwirken. Das senkt die Abkommenswahrscheinlichkeit von Fahrzeugen signifikant.

Göppel fordert grundsätzlich, auch die positiven Effekte von Straßenbäumen zu berücksichtigen. Diese werden bisher völlig außer Acht gelassen. Bäume können beispielsweise durch ihre Lenkungswirkung und durch das Brechen von Seitenwinden die Fahrsicherheit erhöhen. Sie können die Blendwirkung der Sonne verringern und vieles mehr.

Auch ist nicht nachzuvollziehen, weshalb Strom-, Telefon- und Lampenmasten oder gar Gebäude näher an Straßen stehen können und einzig Bäume als Gefahrenquelle gelten.

Josef Göppel wird sich weiterhin für kluge Lösungen einsetzen. Hier seine Präsentation vom 1. Juli 2014.

Artikel vom: 17.07.2014 14:15