Eine Reise durch Indonesien

Weltklimakonferenz 6.- 14. Dezember 2007

Vom 6. bis 14. Dezember 2007 bereiste Josef Göppel mehrere indonesische Inseln, um Regenwaldrodungen und Palmölplantagen vor Ort anzuschauen. Hier sein Bericht und eine Fotoserie.

Eine Reise durch Indonesien
von Josef Göppel

Palmöl - Fluch oder Segen?

Wer von Singapur aus über die Insel Borneo fliegt, sieht lange nur dunkelgrünen Wald, der wie ein dichter Pelz Berge und Ebenen überzieht. Je näher der Reisende aber an die Ostküste kommt, desto häufiger erscheint rotbraunes Land, das keine Pflanzendecke mehr trägt. Darauf folgen geradlinige Zeilen von Ölpalmpflanzungen inmitten eines Netzes von Entwässerungsgräben und Wegen.

Indonesien hält beim Treibhausgasausstoß durch Abholzung den traurigen Weltrekord und nimmt daher bei den insgesamt vom Menschen verschuldeten Klimagasen nach den USA und China den dritten Platz ein. In den vergangenen 50 Jahren wurden 45 % der indonesischen Naturwälder zerstört. Plantagen für Zellstoff- oder Palmölproduktion entstanden jedoch erst auf 5 % der Waldfläche. Daraus ergibt sich klar, dass die meisten Firmen Genehmigungen für die Umwandlung des Waldes nur haben wollten, um an das Holz heran zu kommen. Palmöl wurde bisher hauptsächlich für die Erzeugung von Margarine gewonnen. Nun kommt der Einsatz als Motorentreibstoff hinzu. Indonesien ist als Entwicklungsland nach dem Kyoto-Vertrag nicht verpflichtet, seine Klimagasemissionen einzuschränken. Deshalb ist die Ausdehnung der Palmölwirtschaft in kohlenstoffreiche Landschaften wie Torfgebiete und Regenwälder zur Erzielung kurzfristigen Profits durchaus sinnvoll, ökologisch allerdings widersinnig. 20 % des weltweiten Ausstoßes an Treibhausgasen stammen derzeit aus Regenwaldrodungen!

Die Rodungen folgen immer dem gleichen Muster. Zunächst zieht man Entwässerungsgräben in den Urwald. Danach holen die Konzerne die wertvollen Bäume heraus. Die dritte Stufe ist dann das Abbrennen der gerodeten Flächen. Dabei spielen sich wahre Dramen um das Schicksal der großen Menschenaffen ab. Die Orang-Utans wollen oft in ihrem angestammten Gebiet bleiben. Sie stören aber die Palmpflanzungen. Häufig werden deshalb die erwachsenen Tiere erschossen. Die kleinen Affen sind sehr begehrt. Um sie hat sich ein schwunghafter Handel entwickelt.

Der Durchschnittsertrag einer Plantage mit erntereifen Ölpalmen in Indonesien beträgt 3,6 Tonnen pro Hektar und Jahr. Er ist damit zehnmal so hoch wie der Ölertrag von Sojabohnen und sechsmal so hoch wie der von Raps. Der Druck auf den Anbau von Ölpalmen wird also zunehmen. Aus ökologischen Gründen ist entscheidend, dass sich der Zuwachs nicht weiter in den Urwald hineinfrisst. Inzwischen gibt es genug offenes Grasland für Palmölpflanzungen. Ohne einen finanziellen Anreiz zur Walderhaltung wird aber weiter gerodet. Der illegale Holzertrag lockt zu sehr. Ölpalmplantagen sind noch aus anderen Gründen problematisch. Jede Pflanze braucht jährlich eine kräftige Mineraldüngung, weil der tropische Waldboden schnell ausgelaugt ist. Die Flächen unter den Palmen spritzt man mit Herbiziden ab, damit die Früchte beim Ernten nicht im Gras verschwinden. Nach 10 bis 15 Jahren brechen die Palmbüsche auseinander und verdorren. Jetzt wird es Zeit, die Fläche zu verlassen und an anderer Stelle neu zu beginnen. Eine Pflicht zur Rekultivierung gibt es nicht. Das einmal genutzte Staatsland bleibt sich selbst überlassen.

Schließlich bringt die Plantagenwirtschaft ein soziales Problem. Ehemals selbständige Kleinbauern werden zu Wanderarbeitern der anonymen Konzerne. Sie erhalten den gesetzlichen Mindestlohn von 80 US-Dollar im Monat für etwa 180 Stunden Arbeit.

Hoffnung gibt da ein konkretes Ergebnis der Konferenz von Bali. „Forest Carbon Partnership" ist ein Fond, in den Gelder aus dem Emissionshandel der Industrieländer fließen. Daraus werden Walderhaltung und Wiederaufforstung in Entwicklungsländern finanziert. Indonesien hat zum Beispiel angeboten, für 15 Dollar je Hektar und Jahr seinen gesamten restlichen Regenwald zu schützen. Das würde sich auf jährlich 1,3 Milliarden US-Dollar belaufen. Wir deutschen Abgeordneten nahmen diesen Gedanken positiv auf, stellten aber klar, dass es Geld nur gegen ein klares Kontrollsystem geben könne. Mit dem deutschen Toll Collect-System ist es zum Beispiel möglich, jeden gefällten Baumstamm von seinem Ursprungsort bis zum Endkunden zu verfolgen. Im europäischen Agrarsystem werden die Prämienzahlungen an die Bauern seit langem auf ähnliche Weise überwacht.

Die Alternative: Kleinbäuerliche Zuckerpalmenwirtschaft

Die Alternative zur Plantagenwirtschaft findet sich auf der Insel Sulawesi in dem Gebiet um die Städte Manado und Tomohon. Dort werden seit Jahrhunderten Zuckerpalmen zur Erzeugung von Palmzucker genutzt. Zuckerpalmen sind im Gegensatz zu den nur 5 bis 7 Meter hohen Ölpalmen mächtige Bäume, die in Mischwäldern wachsen und mit ihren tiefen Wurzeln den Boden gleichzeitig vor Erosion schützen. Die Zuckerpalme kann das Sonnenlicht besser als alle anderen Baumarten in der Fotosynthese umsetzen und erzeugt deshalb in den männlichen Blüten große Mengen von zuckerhaltigem Palmsaft. Traditionell werden daraus Nahrungsmittel und Getränke hergestellt. Aus einem Hektar Zuckerpalmenmischwald können aber auch 19.000 Liter Ethanol pro Jahr gewonnen werden. Gegenüber Palmöl bringen die Zuckerpalmen noch einmal den drei- bis vierfach höheren Energieertrag (400.000 Megajoule/Hektar gegenüber 120.000 Megajoule/Hektar bei Palmöl). Zuckerpalmen geben darüber hinaus vielen Menschen Arbeit. Mit 8 Bäumen kann ein Kleinbauer schon seine Familie ernähren. Deshalb eignet sich dieses System besonders für kleinbäuerliche Genossenschaften in Entwicklungsländern. Das ist zugleich der Grund, warum große Firmen hier nicht einsteigen. Die Zuckerpalme eignet sich nicht für Plantagenanbau. Die Bäume bräuchten zu lange zum Heranwachsen. Das tägliche Abzapfen des Saftes ist reine Handarbeit. Die Wertschöpfung bleibt damit allerdings auch weitgehend vor Ort. Die Bauern bleiben selbständig und finden in ihrer Heimatregion ein Auskommen. Kein Wunder, dass sie sich im Gespräch mit den deutschen Abgeordneten würdevoll und zufrieden zeigten.

Eintauchen in den Regenwald

60 Meter hoch ragen Urwaldriesen im tropischen Regenwald über dem Erdboden auf. Dazwischen üppiges Blattwerk, das kaum noch Licht auf dem Boden ankommen lässt. Windstill ist es hier drinnen, der Schweiß drückt aus allen Poren. Ein vielstimmiges Konzert melodischer Vogelstimmen umfängt uns, eine atemberaubende räumliche Tiefe und eine Vielfalt an Lebensformen, die jeden Besucher stets wieder neu zum Staunen bringt. Keine fünf Meter kann ich vom schmalen Pfad aus seitlich schauen, so dicht ist das Strauchwerk. Fast unglaublich klingt, dass die Humusauflage des Bodens angesichts der riesigen oberirdischen Biomasse nur 5 Zentimeter dick ist. Abgefallene Blätter sind nach 48 Stunden schon wieder zerfallen. Fast der gesamte gespeicherte Kohlenstoff befindet sich in der Vegetation. Sobald der Wald gerodet ist, bleiben nur blanker Sand oder harter, rissiger Lehm zurück.

In einem deutschen Wald liegen die Verhältnisse ganz anders. Hier teilt sich der gespeicherte Kohlenstoff je zur Hälfte auf Boden und Biomasse auf.

Ein Sonderfall sind die Wälder auf tropischen Torfböden. In Indonesien gibt es 22 Millionen Hektar Torfregenwald (im Vergleich: Bayern hat 7 Mio. Hektar Fläche). Der Torf hat im Durchschnitt eine Mächtigkeit von 7 Metern. Ein Hektar dieses Urwaldes auf Torfboden speichert bis zu 4.000 Tonnen reinen Kohlenstoff. Guter deutscher Mischwald kommt auf 130 - 140 Tonnen Bodenkohlenstoff je Hektar. Deshalb ist die Bewahrung dieser Flächen für den Klimaschutz so entscheidend. Sobald dort Entwässerungsgräben gezogen werden, entweicht der Kohlenstoff durch den Zutritt von Sauerstoff ziemlich schnell als CO2 in die Atmosphäre.

Ob der einheimischen Bevölkerung das bewusst ist? Eher wohl das Gegenteil. Auf dem Marktplatz eines Dorfes in Ost-Borneo sahen wir ein Denkmal, das abgeschnittene Baumstümpfe verherrlicht. Die Bewohner sehen darin ein Fortschrittszeichen, ein Symbol für die Entwicklung des Landes. Können wir es ihnen verdenken? Unsere mittelalterlichen Rodungsdörfer sind genauso entstanden, ebenso die Moorkultivierungen des 18. Jahrhunderts. Ein malaysischer Abgeordneter sagte uns bei der Klimakonferenz: „Wo jetzt euer schöner Bundestag steht, war auch einmal Wald!" Mit welchem Recht verwehren wir ihnen das, was wir selber getan haben? Dennoch -- die Welt ist zu eng geworden. Wir steuern auf 9 Milliarden Menschen im Jahr 2050 zu. Wir in den Industrieländern müssen jetzt andere Lösungen anbieten.

Die Konferenz auf Bali

Als ich in der künstlich angelegten Konferenzstadt Nusa Dua auf der Insel Bali ankomme, bin ich froh, die reale Welt der Inseln Borneo und Sulawesi erlebt zu haben. Die Geschäftigkeit des Diplomatiebetriebs verzerrt allzu leicht die Wirklichkeit. Nüchtern betrachtet ist das Konferenzergebnis mager. Es sollen sofort umfassende Verhandlungen über die langfristige Zusammenarbeit für den globalen Klimaschutz über 2012 hinaus aufgenommen werden. Die Ergebnisse fließen in ein neues Weltklimaschutzabkommen ein, das Ende 2009 in Kopenhagen beschlossen werden soll. Die Amerikaner haben erstmals Begrenzungen für ihren Treibhausgas-Ausstoß akzeptiert, die vergleichbar mit den Anstrengungen anderer Industrieländer sein müssen. Die Schwellen- und Entwicklungsländer wiederum sind zum ersten Mal bereit, angemessene Klimaschutzmaßnahmen auf sich zu nehmen. Allerdings fordern sie dafür eine verlässliche Unterstützung durch die Industrieländer ein. Lediglich mit der Einrichtung der „Forest Carbon Partnership" wurde ein konkretes Ergebnis erzielt. Der internationale Waldschutzfonds kann sofort seine Arbeit aufnehmen. Für diese Sonderinitiative hatte ich mich im Deutschen Bundestag seit Monaten eingesetzt.

Insgesamt war mein Eindruck, dass Deutschland mit seinem nationalen Klimaschutzprogramm viel Vertrauen bei den Entwicklungsländern gewonnen hat. Die allgemeine Meinung auf den Korridoren war, wer nach den verlässlichsten Angeboten für erneuerbare Energien und Einspartechnologien sucht, der geht zu den Deutschen. Das Vertrauen in uns Deutsche und die Beispielwirkung unseres Verhaltens sind enorm. Darin liegt unsere besondere Verantwortung.

Darüber hinaus hat Frau Merkel mit der Anerkennung des gleichen Rechts aller Menschen auf die Nutzung der Atmosphäre die entscheidende Voraussetzung für ein Weltklimaabkommen geschaffen, das auch die Entwicklungsländer einschließt.

Bei den Amerikanern war der massive innenpolitische Druck auf die Bush-Regierung zu spüren. Mehrere energiebezogene US-Firmen waren mit Informationsständen vertreten. Sie haben Sorge, dass die Europäer, insbesondere die Deutschen, ihnen die künftigen Aufträge auf dem Weltmarkt wegschnappen.

Insgesamt fuhr ich eher hoffnungsvoll als pessimistisch nach Hause. Im Flugzeug fiel mir das Denkmal mit den abgeschnittenen Bäumen wieder ein und ich spürte, wie riesig die Unterschiede im Denken doch noch sind. Das Zusammenfließen der Meinungen auf einen gemeinsamen Erkenntnisstand braucht wohl noch Zeit. Die Zuckerpalmen der christlichen Insel Sulawesi finden nicht so leicht den Weg auf das muslimische Borneo. So haben wir eben alle unsere Sperren im Kopf. Doch jeder Schritt, den wir daheim tun, breitet sich wie eine Welle nach außen aus. Vielleicht hatte UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon das im Sinn, als er jungen europäischen Umweltschützern sagte: „Bewahrt euer Drängen, aber verliert nicht die Geduld!"

Artikel vom: 20.12.2007 15:08