Bayern – Weltregion und Heimat

Thesen zur Landesentwicklung

Der Arbeitskreis Umweltsicherung und Landesplanung der CSU verabschiedete am 20. März 1999 die folgenden Thesen zur Landesentwicklung in Bayern.

  • Bayern hat den Wandel von der Agrar- über die Industrie- zur Informationsgesellschaft besser und harmonischer als viele andere Länder bewältigt. Die wohlausgewogene Balance zwischen Tradition und Fortschritt, zwischen Weltoffenheit und regionaler Verwurzelung ist das Markenzeichen Bayerns.
  • Mit dem anbrechenden 21. Jahrhundert muss das Leitbild der Nachhaltigkeit alle Bereiche der Politik durchdringen. Ökonomische, ökologische, soziale und kulturelle Ziele haben grundsätzlich gleiches Gewicht. Jede Einzelentscheidung muss alle Belange zusammenschauend im Auge haben.
  • Auch in der Globalisierung braucht die Marktwirtschaft ihre Ordnung! Gleiche Regeln für den weltweiten Wettbewerb sind eine zentrale Aufgabe. Deshalb ist ein sozialer und ökologischer Werterahmen für alle marktwirtschaftlichen Prozesse unabdingbar. Diesen Rahmen muss die Politik vorgeben. Innerhalb des Rahmens braucht die Wirtschaft freien Spielraum. Die Sicherung gleichwertiger Lebensbedingungen in unterschiedlichen Landesteilen wird sehr stark davon abhängen, ob die globalen Wirtschaftsaktivitäten an gleiche Wettbewerbsbedingungen gebunden werden können.
  • Alle Teilräume Bayerns brauchen einerseits die Ausrichtung auf das internationale Geschehen, andererseits mehr regionale Wirtschaftskreisläufe in Innern. Die Erhaltung eines eigenständigen Profils bleibt im Wettbewerb der Regionen ein entscheidender Erfolgsfaktor. Das verlangt die bewusste Pflege des kulturellen Erbes, die Sicherung intakter Landschaften und die Stärkung regionspezifischer Wertschöpfung in Landwirtschaft, Handwerk und Handel. Das Regionalbewusstsein ist zu fördern.
  • Die Industriegesellschaft war geprägt vom Trend zur Zentralisierung. In der Informationsgesellschaft ist ein anderer Weg möglich: Leistungsfähige dezentrale Strukturen. In der Informationsgesellschaft entscheidet nicht mehr die geographische Distanz, sondern der Zeitfaktor. Die Schnelligkeit verfügbaren Wissens wird zu wirtschaftlicher Wertschöpfung.
  • Die Dynamik der Wirtschafts- und Siedlungsentwicklung muss auch in Zukunft an landesplanerischen Leitlinien orientiert sein, um gleichwertige Lebensbedingungen in allen Teilen Bayerns zu gewährleisten. Wettbewerb einzelner Gemeinden um jeden Preis und gegenseitiges Heruntersubventionieren lehnen wir ab. Wir brauchen mehr Solidarität in einem größeren Raum. Behauptung in der globalisierten Welt verlangt mehr Vernetzung im Innern. Die 18 regionalen Planungsverbände sollen sich zu regionalen Entwicklungsverbänden mit hauptamtlichen Geschäftsführern weiter entwickeln. Das Instrument der Teilraumgutachten soll verstärkt eingesetzt werden, um in Überschneidungszonen von Verwaltungsgrenzen gemeinsame Konzepte von Interessenregionen zu ermöglichen.
  • Es genügt nicht, die aus der Agrargesellschaft überkommene Siedlungsstruktur an den Rändern einfach weiter auszudehnen. Stattdessen brauchen wir eine Umorientierung der Bauleitplanung, die sich stärker an den veränderten funktionalen Bezügen ausrichtet. Die Ausweisung von Baugebieten muss verstärkt an Anknüpfungspunkten des öffentlichen Nahverkehrs erfolgen.
  • Auch die stark zentralisierten Ver- und Entsorgungssysteme brauchen einen Impuls hin zu einem höheren Maß an internen Kreisläufen in einzelnen Siedlungsgebieten.
  • Die Landesentwicklungspolitik muss Antworten auf die Lebenswirklichkeit des 21. Jahrhunderts geben. Das erfordert in sozialer Hinsicht, einer neuen Generation gut ausgebildeter Frauen die Teilnahme an der Arbeitswelt zu ermöglichen und ihren Wunsch nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu respektieren.
  • Sowohl in Stadtregionen als auch in ländlichen Gebieten benötigen wir neue Strukturen für berufsbegleitendes lebenslanges Lernen.
  • Dünn besiedelte ländliche Gebiete sind inzwischen durch die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen und Zusammenlegungen zum Teil ernsthaft gefährdet. Der Infrastrukturausbau der letzten Jahrzehnte wird durch die Schließung von Poststellen und kleinen Geschäften, durch die Konzentration der Kreditinstitute und den Rückzug der Bahn aus der Fläche in Frage gestellt. Gerade für solche Räume fordern wir das Vorhalteprinzip der Raumordnung wieder ein.
  • Für die Zukunft der Stadtregionen wird entscheidend sein, ob die Zentren ihre Funktionen als Arbeits-, Wohn- und Erlebnisräume in ganzer Breite halten können. Das bandartige Vordringen ins Umland nach amerikanischem Muster entspricht nicht dem bayerischen Entwicklungsleitbild. Wir wollen das Ambiente der Kernstädte stärken. "Erlebniseinkaufswelten" gehören nicht auf die grüne Wiese, sondern in eine gepflegte urbane Umgebung mit kulturellen Angeboten. Dazu bedarf es der Verdichtung nach innen und der verstärkten Kombination von Auto und öffentlichem Verkehr zur besseren Vernetzung mit dem Umland.
  • Umweltpolitisch bleiben die Entkoppelung von Wirtschaftsentwicklung und Verkehrsbedarf sowie die Verringerung des zusätzlichen Flächenverbrauchs zentrale landesplanerische Aufgaben. In Bayern wuchs die Bevölkerung von 1950 bis 1995 um 31 %, die Siedlungs- und Verkehrsfläche aber um 88 %. Die tägliche Flächenüberbauung nimmt seit 1984 kontinuierlich zu. Sie liegt jetzt bei 28 Hektar. Boden wächst aber nicht nach! Der Arbeitskreis fordert daher, ein verbessertes landesplanerisches Flächenmanagement. Die Möglichkeiten zu gemeinsamen Flächennutzungsplanungen und gemeinsamen öffentlichen Einrichtungen benachbarter Gemeinden sollen verstärkt genutzt werden. Das wirkt auch der vielfach beklagten finanziellen Überforderung entgegen.
  • Der stürmische Wandel zu neuen Lebensformen kann nur mit einer klaren Wertorientierung sicher bewältigt werden. Gerade das „C“ verlangt Rücksicht auf die weniger Leistungsfähigen in der Gesellschaft und Schöpfungsverantwortung gegenüber der Natur. Wir treten für die Öffnung der repräsentativen Demokratie zu mehr Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger ein. Die in Bayern besonders aktiven Diskussionsforen zu kommunalen Agenden 21 und die konstruktive Mitarbeit zahlreicher Bürgerinitiativen sind dazu ein hoffnungsvoller Beginn. Sie brauchen aber die durchgängige Unterstützung der Kommunalpolitiker. Die immer noch weitverbreitete Anspruchsmentalität muss aber überall von mehr bürgerschaftlichem Engagement abgelöst werden.

 

 

Artikel vom: 20.03.1999 14:48