Regionalstrom Franken - Strom mit Gesicht

Josef Göppel

Rede bei der Informationsversammlung zur Gründung einer Energievermarktungsgenossenschaft Westmittelfranken

am 15. Mai 2014 in Unterschwaningen

Liebe Frau Vieting,

meine Damen und Herren,

Das ist heute eine echte Basis-Initiative. Der Saal ist voll. Darüber freue ich mich sehr und ich möchte Sie alle recht herzlich begrüßen. Es ist großartig, dass unsere Einladung ein so breites Echo gefunden hat. Was wir jetzt machen, ist ein Experiment. Das ist neu und sicherlich wird es noch viele Mühen und Schwierigkeiten zu überwinden geben, aber das Vorhaben regionale Stromversorgung wollen wir in der Metropolregion Nürnberg jetzt anpacken. Ich will noch einmal auf den Ausgangspunkt zu sprechen kommen. Es war die Überlegung vieler Leute, die Solarzellen haben oder an Windrädern beteiligt sind, auch Landwirte mit Biogasanlagen, was ist mit meinem Strom, wenn die 20 Jahre der EEG-Vergütung vorbei sind. Wir wollen unseren Leuten im ländlichen Raum auch nach dem Ablauf der 20 Jahre noch die Chance geben, den Strom zu verlässlichen Marktbedingungen zu verkaufen und damit Wertschöpfung im ländlichen Raum zu halten. Wir haben jetzt nach den Daten von Energie-Netz in Westmittelfranken rund 25.000 Anlagenbetreiber. Diese Anlagen weisen ein Gigawatt installierte Leistung auf und erzeugten im Jahr 2012 1.600 Gigawatt-Stunden. Wenn man dagegen setzt, dass der Stromverbrauch der Stadt Nürnberg 4.500 GWh beträgt, dann sind wir heute schon in Größenordnungen, die für den Ballungsraum eine echte Perspektive darstellen. Deswegen bin ich sehr froh, dass Sie, Herr Dr. Pluschke, als Umweltreferent der Stadt Nürnberg heute da sind, weil durch Ihr Mitwirken deutlich wird, dass wir eine neue Stadt-Land-Partnerschaft begründen wollen. Denn es ist eine Sache, Interesse an einem guten Strompreis zu haben, aber ein wirklich guter Geschäftsmann denkt auch an seine Kunden. Die Kunden müssen auch einen Vorteil haben. Dieser Vorteil besteht darin, dass die direkte Übertragung im Mittelspannungsnetz Netzgebühren einspart. Wir bauen eine Vermarktung auf, die das Höchstspannungsnetz nicht berührt. Das ist unser Geschäftsmodell: Die Stromüberschüsse aus den Landkreisen um Nürnberg fließen auf kurzem Weg unterhalb der Höchstspannungsebene direkt in den Großraum. Dadurch haben sowohl die Erzeuger als auch die Endabnehmer einen finanziellen Vorteil. Gleichzeitig wird ein dauerhafter regionaler Wirtschaftskreislauf in Gang gesetzt. Oberbürgermeister Ulrich Maly hat bei einer Sitzung des Bayerischen Gemeindetages in Dürrwangen gesagt, das könne der Metropolregion einen neuen inneren Zusammenhalt geben. Damit hat er völlig recht. Die Zusammenarbeit in einem wichtigen wirtschaftlichen Sektor mit einem ausgewogenen Geben und Nehmen, das schweißt den Raum zusammen und stärkt alle. Das ist das Vorhaben, zu dem ich Sie im Namen des Initiativkreises einladen möchte.

Wir müssen im Detail noch manche Hürde überwinden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind derzeit noch nicht auf regionale Stromversorgung ausgerichtet. Wir wollen das Vorhaben stark auf der kommunalen Ebene verankern. Deshalb sind die kleinen Stadtwerke wichtige Partner und ebenso die N-ergie Nürnberg. Wir haben in vielen Vorgesprächen die Dinge gut vorbereitet.

In Berlin gibt es Leute, die Strom ausschließlich für ein europäisches Geschäft halten. Sie mokieren sich über das Kleinklein und die Amateure bei den erneuerbaren Energien. Ich sehe das völlig anders. Es geht da um Tieferes. Ein nachhaltiger Lebensstil fragt auf allen Ebenen, woher kommen die Produkte, die ich verwende; unter welchen Bedingungen sind sie erzeugt; wer hat sie erzeugt. Die Kleidung, die Sie tragen, wird immer mehr hinterfragt: Unter welchen Bedingungen ist dieses Stück von wem hergestellt worden. So bekommt in dieser geistigen Bewegung auch der Strom ein Gesicht. Woher kommt der Strom, den ich verwende? Wie verwende ich Strom? Das ist ein großer Vorteil der erneuerbaren Energien, dass dezentrale Erzeugung passive Konsumenten zu Akteuren macht. Viele Menschen, gehen in einer ganz anderen Weise mit Energie um als früher. Sie sind es, die die Energiewende tragen. Die Grundhaltung eines nachhaltigen und verantwortlichen Lebensstiles spielt da herein. Natürlich muss auch die Kasse stimmen. Das Angebot, das wir unseren Erzeugern machen, muss mindestens gleichwertig sein.

Nochmal zum gesetzlichen Rahmen. Was Herr Gabriel mit dem EEG vorgelegt hat, heißt Direktvermarktung, ist aber nicht direkt. Die Erzeuger können sich von 40 Stromhändlern an der Börse in Leipzig einen raussuchen. Ihr Strom wird dann kaufmännisch von diesem Stromhändler übernommen und auf den Spotmarkt der Börse geworfen. Der Spotmarkt der Börse wird mit diesem Modell weiterhin überlaufen. Der Börsenpreis wird weiterhin gedrückt und rechnerisch wird die EEG-Umlage weiterhin steigen. Dieses Modell ist kein Zukunftsmodell! Wir müssen von den Erzeugern auf direktem Wege zu den Endkunden kommen. So günstig wie in Mittelfranken sind die Bedingungen allerdings nirgends in Deutschland, weil wir mit N-ergie-Netz einen regionalen Partner haben, der traditionell nicht nur die Stadt Nürnberg umfasst, sondern weit in den ländlichen Raum hinaus greift.

Zur räumlichen Abgrenzung. Zunächst wollten wir mit in einer ganz kleinen Zelle anfangen, der Hesselbergregion. Dann haben wir aber schnell gemerkt, dass für das Energiegeschäft doch ein gewisses Volumen nötig ist. So schlagen wir Ihnen heute vor, dass wir die Energievermarktungsgenossenschaft auf der Basis von Westmittelfranken gründen. Ich weiß, dass es in Neumarkt ähnliche Bestrebungen gibt. Es könnte sich so entwickeln, dass wir in Westmittelfranken das Angebot der Kleinerzeuger bündeln und dass sich ein anderer halber Ring im Osten von Nürnberg bildet und vielleicht eine dritte Gruppe in Oberfranken. Nochmal: alles ist freiwillig. Jeder Erzeuger kann sich unter den Stromhändlern in Leipzig einen aussuchen und seinen Strom über den vermarkten. Er kann sich aber auch dieser Initiative anschließen und dann Regionalstrom Franken vermarkten. Nürnberg hat 3.500 Gigawattstunden Stromverbrauch. Wenn man Erlangen, Fürth und Schwabach hinzunimmt, liegen wir bei 

5.100 GWh. Das ist eine Größenordnung, die zum Potenzial im umgebenden ländlichen Raum in einem wirtschaftlich interessanten Verhältnis steht und für diesen eine tragfähige ökonomische Basis darstellt. Dieses Projekt mit zu formen, dazu lädt Sie der Initiativkreis herzlich ein!