Nachhaltigkeitszertifikate - Gründlichkeit vor Schnelligkeit

Bundestagsrede am 17. Juni 2010

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit dem heute debattierten Gesetz reagieren die Regierungsfraktionen auf einen drohenden Marktengpass für Bioöle zur Verstromung in Blockheizkraftwerken. Euphorie verspüre ich bei der Verschiebung des „Scharfstellens“ der Nachhaltigkeitsordnung nicht. Es hat sich aber in der Praxis gezeigt, dass die Zertifizierungsstellen für nachhaltiges Pflanzenöl nicht schnell genug aufgebaut werden konnten, um die Versorgung der bestehenden Pflanzenöl-Blockheizkraftwerke zu sichern. Das hat auch die gestrige Expertenanhörung bestätigt. Besonders kleine Pflanzenölmühlen in Deutschland brauchen mehr Zeit für die aufwändige Zertifizierung. Für diese Unternehmen sind die Blockheizkraftwerke der wichtigste Absatzmarkt. Wir können ihnen nicht die wirtschaftliche Grundlage entziehen.

Insbesondere die Treibhausgasbilanzierung über die gesamte Wertschöpfungskette erweist sich als echte Herausforderung. Für mich geht hier Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Ein wesentliches Element einer sauberen Bilanzierung ist nämlich, die Vorgeschichte jeder Anbaufläche zu klären. Wenn für eine Palmölplantage Regenwald gerodet oder für ein Sojafeld Moore trockengelegt wurden, sind dort angebaute Pflanzenöle nicht nur ein Schlag gegen die Artenvielfalt, sondern echte Klimakiller. Durch Landnutzungsänderungen wird über Jahre hinweg im Bodenhumus gespeicherter Kohlenstoff abgebaut und in die Atmosphäre abgegeben. Dies gilt im Übrigen auch für den Grünlandumbruch in der heimischen Landwirtschaft. Die gesamte Treibhausgasbilanz der Pflanzentreibstoffe ist in diesen Fällen sogar schlechter als bei Treibstoffen auf Erdölbasis!

Deshalb haben wir die Nachhaltigkeitsverordnung im vergangenen Jahr verabschiedet. Die Sanktionen bei einer Verletzung sind hart. Im EEG ist festgelegt, dass der Betreiber eines Pflanzenöl-Blockheizkraftwerks auf Dauer den Anspruch auf die EEG-Vergütung verliert, wenn er nicht nachhaltige Pflanzenöle einsetzt. Die Anlage steht damit vor dem sicheren wirtschaftlichen Aus. Wenn nun aber noch nicht genügend zertifiziertes Pflanzenöl zur Verfügung steht, gebietet es der Vertrauensschutz für die Betreiber der Blockheizkraftwerke, dass wir diese Tatsache angemessen berücksichtigen. In der Gesamtschau ist die Verschiebung um ein halbes Jahr deshalb gerechtfertigt.

In gewisser Weise beweist diese Verknappung sogar, dass wir mit der bei der Verwendung von Biomasse zur Energieerzeugung eine wirksame Kontrollmöglichkeit für den Klimaschutzbeitrag gefunden haben. Ich möchte an dieser Stelle aber auch darauf hinweisen, dass wir damit noch nicht am Ende unserer Aufgabe stehen. Bei der Verabschiedung der Nachhaltigkeitskriterien auf europäischer Ebene wurde eine Ausdehnung auf Pflanzölimporte auf andere Anwendungsbereiche bereits debattiert. Leider konnte sich dieser umfassende Ansatz nicht durchsetzen. Noch immer aber werden weltweit etwa 90 % der Palmölproduktion für Nahrungsmittel und 5% für Nicht-Nahrungszwecke wie Reinigungsmittel oder Kosmetika eingesetzt. Nur etwa 5 % werden für Biokraftstoffe verwendet.

Eine rasche Einbeziehung dieser Bereiche ist für einen wirksamen Regenwaldschutz also unerlässlich! Im energetischen Bereich haben wir nun den Beweis, dass der schlüssige Nachweis eines nachhaltigen Anbaus möglich ist. Ich möchte deshalb zum Schluss meiner Rede an die Bundesregierung appellieren, auf europäischer Ebene einen neuen Anlauf für eine Ausdehnung der Nachhaltigkeitskriterien auf Pflanzenölimporte in allen Anwendungsbereichen zu unternehmen! Das schützt unser Klima und beseitigt nebenbei noch eine Wettbewerbsverzerrung zu Ungunsten unserer heimischen Landwirtschaft!