Neues Naturschutzgesetz macht Deutschland international glaubwürdig

Bundestagsrede von Josef Göppel MdB am 19. Juni 2009

Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege

Hier finden Sie den Videomitschnitt der Rede.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir können heute vier Umweltgesetze verabschieden, mit denen Deutschland international glaubwürdig bleibt, auch wenn sie nicht formal von dem Mantel eines Umweltgesetzbuches umgeben sind. Wer von tropischen Ländern den Schutz der Regenwälder verlangt, der muss energisch für den Schutz der Natur im eigenen Land eintreten.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lutz Heilmann (DIE LINKE): Ja, dann tun Sie das!)
Aus christlicher Sicht bedeutet der Auftrag, die Erde zu bebauen, sie so zu bebauen, dass sie auch bewahrt wird. Der Artenbestand der Schöpfung ist nicht in unser Belieben gestellt. Deshalb haben die Mitgeschöpfe des Menschen, die wild lebenden Pflanzen und Tiere, eine Lebensberechtigung inmitten der menschlichen Zivilisation. Dahinter stehen keine Zweckmäßigkeitsgründe, sondern eine ethische Grundhaltung, die sich aus der christlichen Sicht ergibt und somit den Auftrag an die Christen umreißt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das gilt in gleicher Weise für die natürlichen Lebensgrundlagen Luft, Wasser und Boden. Sie sind trotz der Nutzung rein zu erhalten.
Dafür schafft nun insbesondere das neue Naturschutz- und Wasserrecht einen Rahmen. Ich erwähne Beispiele.
Erstens. Erstmals bekommen wir bundesweit Grundsätze des Naturschutzes, von denen kein Land nach unten abweichen kann.
Zweitens. Es bleibt dabei: Alle Eingriffe in die Natur müssen ausgeglichen werden. Dabei besteht eine strenge Rangfolge. Zunächst ist immer zu prüfen, ob der Eingriff nicht doch vermieden werden kann. Vermeidbar sind Eingriffe, wenn zumutbare Alternativen bestehen. Zulässige Eingriffe sind zunächst am Ort des Eingriffes oder im selben Naturraum auszugleichen, und zwar hinsichtlich der Fläche und hinsichtlich der ökologischen Funktionen. Erst wenn all dies nicht möglich ist, kann ein Eingriff mit Geld ausgeglichen werden.
Drittens. Wir verankern im neuen Naturschutzgesetz einen Vorrang der Innenentwicklung beim Bauwesen.
Viertens. Wir wollen und werden in Zukunft das freiwillige Miteinander bei der Durchführung des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördern. Die Behörden sollen möglichst Organisationen damit beauftragen, in denen Landwirte, Naturschützer und Kommunalpolitiker freiwillig und gleichberechtigt zusammenwirken. Dazu gehören zum Beispiel die deutschen Landschaftspflegeverbände und vergleichbare Organisationen, die eine hohe Akzeptanz gefunden haben und täglich ein hohes naturschutzfachliches Können unter Beweis stellen.
Fünftens. Wir haben in den Zielkatalog des Gesetzes die erneuerbaren Energien mit aufgenommen, wenngleich in jedem Einzelfall eine Abwägung nötig ist.
Gut abgewogen und ausbalanciert ist das neue Gesetz auch hinsichtlich der Interessen der Grundeigentümer. Ich nenne auch dafür zwei Beispiele: Die Frist für die Rückholung zeitlich geförderter Biotope erweitern wir von fünf auf zehn Jahre. Das stärkt die Position der Landwirte, weckt ihre Bereitschaft zu einem freiwilligen Miteinander auch in dieser Hinsicht und erhält mehr naturnahe Flächen in der Feldflur.

Für besonders wichtig halte ich auch die Klarstellung, dass die Erholungsnutzung von Grundstücken keine zusätzlichen Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten für den Grundeigentümer begründet. Wir brauchen die Grundeigentümer für einen guten Naturschutz.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein Wermutstropfen aus Sicht der CSU ist allerdings die Ablehnung eines bayerischen Antrags hinsichtlich der Auswirkungen grüner Gentechnik. Der Gesetzestext sieht eine Prüfung der Verträglichkeit vor dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen nur innerhalb der Natura-2000-Gebiete vor, obwohl die europäische Richtlinie auch die von außen einwirkenden Beeinträchtigungen erfasst.
(Marie-Luise Dött (CDU/CSU): Unglaublich!)
Insgesamt wird die Frage, ob das neue Gesetz zu einem nachhaltigeren Umgang mit unseren natürlichen Lebensgrundlagen führt, in den nächsten Jahren in der Praxis beantwortet werden müssen. Der Gradmesser dafür ist die Eindämmung des Landverbrauches. Der offene, atmende Boden ist ein wertvolles Zukunftskapital in einem dicht besiedelten Land. 96 Hektar Flächenversiegelung pro Tag sind für ein Land mit sinkender Einwohnerzahl einfach zu viel.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, vor wenigen Tagen ist der neue Bericht zur Lage der Natur in Deutschland erschienen. Er zeigt auf, dass es uns gelungen ist, den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen, allerdings auf einem deutlich, nämlich um ein Viertel niedrigeren Niveau als 1970. Dies zeigt einerseits, dass wir in unseren Anstrengungen nicht nachlassen dürfen, und andererseits, dass Naturschutz wirkt. Naturschutz lohnt sich auch für uns Menschen: In der freien Natur atmen wir durch; Lasten fallen beim Gang über Wiesen oder durch den Wald von uns ab. Ganz besonders für die Kinder brauchen wir neben der technischen Welt und der virtuellen Welt den offenen Blick in die natürliche Lebenswelt, damit sie ihren Blick an den Maßstäben des Natürlichen schulen können. Nicht zuletzt für sie verabschieden wir die heutigen Gesetze. Ich bitte Sie alle um Ihre Zustimmung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)