Wirtschaft und Natur verknüpfen

Einführungsrede zum CSU-Umweltkongress am 11. September 2004 in Nürnberg

Die Reformdebatte in Deutschland bezieht sich bisher fast ausschließlich auf den Rückbau der Sozialsysteme. Eine neue Balance zwischen wirtschaftlicher Leistungskraft und sozialer Gerechtigkeit ist in aller Munde.
Das Leitbild der Nachhaltigkeit hat aber drei Säulen: Wirtschaft, Soziales und Natur. Die Chancen der gezielten Verknüpfung eines vorsorgenden Umweltschutzes mit wirtschaftlichen Innovationen werden derzeit viel zu wenig diskutiert, ja sie werden sträflich vernachlässigt. Das gilt vor allem für die Agenda 2010 der Bundesregierung
Das Umweltprogramm der CSU vom Juli 2003 enthält dazu konkrete und realistische Vorschläge. Ich nenne Beispiele:
Die energetische Sanierung der Altbausubstanz in Deutschland wäre der größte Einzelbeitrag zum Klimaschutz. Mit keiner anderen Maßnahme kann man so viel Energie einsparen und Schadstoffe vermeiden. Zugleich bringt Altbausanierung neue Aufträge für das örtliche Bauhandwerk. Das sind Arbeitsplätze, die nicht exportiert werden können, sondern Wertschöpfung bei uns erzeugen. Hausbesitzer und Mieter profitieren von geringeren Energiekosten. Für den Staat würden sich finanzielle Anreize schnell amortisieren; durch steigende Mehrwertsteuereinnahmen, mehr Lohnsteuer, mehr Sozialabgaben, weniger Arbeitslose. So müssen wir die Umweltpolitik der Union anlegen. Auf jeder Seite muss es Gewinner geben.
Die zähe Diskussion über den Russfilter zeigt, dass die deutsche Industrie alles besser machen will und dabei wirtschaftliche Chancen verschläft. Die Verkaufserfolge von Peugeot, Citroen und Toyota in Deutschland, ausgelöst durch den Einbau des Russfilters, haben jetzt wenigstens zu einem zögerlichen Einlenken geführt. Fast erinnert das Ganze an die Bauchlandung beim LKW-Maut-System. Millionen Mütter wissen, dass ihre Kinder, die sie im Kinderwagen schieben oder auf dem Gehsteig an der Hand führen, am meisten Feinstaub einatmen, weil sich ihr kleiner Körper in Auspuffhöhe befindet. Wer da mit dem geringen Anteil der Russpartikel aus Dieselfahrzeugen an der Gesamtbelastung argumentiert, geht an den Sorgen und Bedürfnissen der Menschen völlig vorbei. Marktvorteile erringt, wer neue Bedürfnisse eher aufgreift als andere. Vergessen wir nicht, dass die Erhaltung der Gesundheit neben der Arbeitsplatzsicherung bei allen Umfragen nach wie vor an der Spitze liegt.
Ein Drittes Beispiel: Deutschland ist führend bei der Technik zur Bereitstellung sauberen Trinkwassers. In welchen Ländern kann man heute noch Wasser aus der Leitung einfach so trinken? Diesen Vorsprung auszubauen, gesundes Trinkwasser für Milliarden Menschenbereit zu stellen, die Technik dafür noch kostengünstiger zu machen, das kann Arbeitsplätzein Deutschland sichern und zugleich in anderen Ländern sowohl Krankheiten vermeiden, als auch volkswirtschaftliche Kosten senken. Dazu gehört, dass wir unser logistisches Erfolgsprinzip bei der Wasserversorgung nicht einer Privatisierungsideologie opfern. Die Letztverantwortung für dieTrinkwasserversorgung muss bei den Gemeinden bleiben!
Viertes Beispiel: Der Umgang mit Grund und Boden. Alle Appelle an ökologische Verantwortung konnten den Landverbrauch bisher nicht eindämmen. Jetzt dämmert uns langsam ein anderes Argument: Die Fixkosten für Siedlungs- und Verkehrsflächen ufern derart aus, dass kaum mehr freie Spielräume bleiben. Mit jeder Neuerschließung steigen die Betriebskosten für Fahrbahnunterhalt, Leitungsnetze und Grünflächenpflege bis hin zum Schneeräumen. Geht es nicht auch anders? Innenentwicklung, Mischnutzungen, Flächenrecycling – all das wird weniger aus ökologischer Einsicht als aus finanziellen Zwängen heraus sinnvoll. Auch hier gilt, wer beim Kostensparen phantasiereicher und schneller als andere ist, hat die Nase vorn. Er gewinnt Freiraum, im doppelten Sinn.
Ökologie kommt vom Haushalten, mit knappen Mitteln den besten Erfolg erreichen – das gewinnt jetzt wieder eine ungeahnte Aktualität.
Bei erneuerbaren Energien ist Deutschland die erste Adresse in der Welt. Im Export solcher Technologien liegen für unser Land ebenfalls beträchtliche Chancen. Das sichert deutsche Arbeitsplätze im Maschinenbau und in der Elektrotechnik.
So stelle ich mir die Offensive unserer Umweltpolitik vor. Sie muss vorsorgend handeln, wirtschaftlich etwas bringen und sozial gerecht sein. Wir müssen dazu nichts Neues erfinden. Mit unserem Umweltprogramm aus dem Jahr 2003 haben wir eine Basis, die jeder Sachdebatte stand hält. Das Programm harrt aber der Umsetzung. Ich bin deshalb dem Generalsekretär und dem Parteivorstand dankbar, dass sie den vorsorgenden Umweltschutz wieder stärker zum Thema der gesamten Partei machen wollen und damit auch unserem Umweltminister den Rücken stärken
Wir brauchen alle Bevölkerungsgruppen, Handwerker, Mittelständler, Landwirte, Kommunalpolitiker und auch die Idealisten in den Umweltverbänden. Umweltvorsorge ist ein klassisches, konservatives Thema. Die Menschen werden denen vertrauen, die Einzelinteressen zu einer glaubwürdigen Gesamtkonzeption zusammenfügen können. Es darf nicht nur eine Diskussion über Einschnitte geben, sondern wir müssen auch nachvollziehbare, realistische Zukunftsperspektiven aufzeigen. Was wäre da besser geeignet, als die Aussicht, auch unseren Kindern und Enkeln das Leben in einer gesunden Welt zu ermöglichen– ein Leben das ihnen auch Arbeit und Einkommen bietet.
Der jüngste Bevölkerungsbericht der Vereinten Nationen weist aus, dass die Weltbevölkerung von jetzt 6 Milliarden Menschen bis 2050 auf 9 Milliarden ansteigen wird. Nur mit einer effizienteren Nutzung von Rohstoffenund Energie und einer verfeinerten Technik, die die Kreisläufe der Natur nachahmt, wird es bei diesem riesigen Druck auch für kommende Generation ein gesundes Leben auf der Erde geben.