Umweltvorsorge mit Arbeitsplätzen verbinden

Bundestagsrede am 21. Oktober 2004

Sie können sich hier den Videomitschnitt der Rede ansehen.

Josef Göppel (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum haben wir es momentan so schwer, vorsorgende Umweltpolitik durchzusetzen? Ich denke, einerseits kommt das daher, dass die ungeregelte Globalisierung unsere deutsche Wirtschaftswelt und auch das Leben in den Industrieländern verändert. Mit ungeregelter Globalisierung meine ich, dass sich im Wettbewerb diejenigen durchsetzen, die die geringsten Löhne zahlen und am wenigsten Rücksicht auf die Natur nehmen. Andererseits frage ich mich aber auch, ob nicht der Grundansatz der deutschen Umweltpolitik etwas damit zu tun hat.
Herr Minister Trittin, manchmal kommt es mir so vor, als ob Ihre Umweltpolitik in der Gefühlswelt und im Meinungsklima der 80er-Jahre wurzelt,
(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): So ist es! Stehen geblieben!)
als diese internationalen Anforderungen noch nicht an uns gestellt wurden und wir uns in wirtschaftlicher Sicherheit wähnten. Ich bin der Überzeugung, dass wir den Grundansatz der deutschen Umweltpolitik so ändern müssen, dass Umweltvorsorge bewusst mit wirtschaftlichen Effekten, mit Innovationen und neuen Arbeitsplätzen verbunden wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich nenne aus dem Gutachten des Umweltrats drei konkrete Punkte: Der erste Punkt betrifft die Energieeinsparung im deutschen Altbaubestand. Das ist der größte Einzelbeitrag, den wir in unserem Land zur Senkung des CO2-Ausstoßes erbringen können. Wenn wir dafür Anreize geben, setzen wir zugleich Anreize für das örtliche Bauhandwerk und damit zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland. Eigentümer würden durch eine Wertsteigerung ihrer Häuser profitieren. Mieter würden durch die Senkung der Heizkosten profitieren. Für den Staat sind solche Anreize schnell rentabel, weil das Geld dafür über andere Steuern wieder hereinkommt.
Ich darf dazu aus dem Gutachten des Umweltrates zitieren:
Insbesondere im Wohnungsbestand sind bislang beträchtliche Energiesparpotenziale ungenutzt geblieben. Daher kann von Investitionskostenzuschüssen ein stärkerer Investitionsanreiz ausgehen als von äquivalenten Energiepreissteigerungen.
Was heißt denn das? Das heißt, dass das Setzen auf höhere Energiepreise nach Meinung des Umweltrats weniger bewirkt als konkrete Anreize zur Senkung des Energieverbrauchs im Altbaubestand.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Birgit Homburger, FDP)
Ich nenne ein zweites Beispiel: Flächenverbrauch. Beim Flächenverbrauch geht es inzwischen nicht mehr nur um Umweltschutz. Viele Kommunalpolitiker merken, dass die Erschließung zusätzlicher Flächen auch die Fixkosten für den laufenden Unterhalt erhöht. Jede Neuerschließung erhöht die Kosten zum Beispiel für den Fahrbahnunterhalt, für die Leitungsnetze, für Beleuchtung bis hin zum Schneeräumen. Der Sachverständigenrat schlägt hier als eines der wichtigsten Instrumente zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme unter anderem die Einführung handelbarer Flächenausweisungsrechte kombiniert mit der Flächensteuerung über die Raum- und Bauleitplanung vor.
Herr Minister Trittin, ich warte auch auf Ihre Vorschläge zur Umorientierung der Grunderwerbsteuer und zur Differenzierung der Grundsteuer. Allein mit Appellen bezüglich des Flächenverbrauchs werden wir nicht weiterkommen, sondern wir müssen mit den Augen der Kommunalpolitiker die Kostengesichtspunkte als Maßstab nehmen. Dann werden wir auch Einsparungen bei Überbauungen sowie Erfolge in den Bereichen Innenentwicklung, Mischnutzung und Flächenrecycling haben.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten Birgit Homburger, FDP)
Ich bin auch als langjähriger Kommunalpolitiker der Überzeugung: Wer beim Kostensparen fantasiereicher und schneller ist als andere, der schafft sich Freiräume im doppelten Sinn: Im finanziellen, aber auch bei der Freihaltung der Landschaft und ihrer Qualität.
Ökologie kommt von Haushalten. Haushalten heißt, mit knappen Mitteln das Ziel erreichen. Damit bin ich beim dritten Beispiel: Intakte Landschaften. Es gibt eine Studie des Berlin-Instituts mit dem Titel „Deutschland 2020“. Auch darin findet sich eine hochinteressante Aussage in der Verknüpfung der Bevölkerungsentwicklung, der wirtschaftlichen Weiterentwicklung Deutschlands und der Einstellung der Menschen.
Das Berlin-Institut schreibt:
Im Wettbewerb der Regionen entscheiden gesunde Natur, reiches kulturelles Angebot und ausgeprägter Regionalcharakter. Immer mehr Menschen wollen Ruhe und Weite finden. Naturräume gewinnen einen besonderen Wert.
(Zuruf von der CDU/CSU: In Bayern!)
Ich würde mir wünschen, dass das nicht nur in Bayern so ist.
(Dr. Peter Paziorek (CDU/CSU): Münster hat den Preis gewonnen!)
Genau.
Herr Minister Trittin, wo bleibt Ihre Naturschutzstrategie? Wo bleiben die Konzepte zur besseren Einbindung der Landnutzer? Nur mit der besseren Einbindung der Landnutzer, der Land- und Forstwirte und all derjenigen, die in der Landschaft wirtschaften, werden wir weiterkommen und eine attraktive Natur erhalten können. Natürlich können wir mit schönen Landschaften allein keine Arbeitsplätze schaffen, aber mit einer zerrütteten Natur erst recht nicht. Das ist der entscheidende Punkt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN und der FDP)
Ich möchte zusammenfassend eínfordern: Wir brauchen eine Offensive der deutschen Umweltpolitik, die vorsorgend angelegt und wirtschaftlich von Nutzen ist, die Innovationen und Arbeitsmöglichkeiten eröffnet und sozial gerecht ist. Dann werden wir die Umweltpolitik wieder mit der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik verknüpfen und damit ins Zentrum der politischen Interessen rücken können.
Die Umweltpolitiker müssen die grundlegenden Zeitströmungen zur Grundlage ihrer Strategie machen. In den 80er Jahren gab es andere Zeitströmungen, beispielsweise das Erschrecken der Menschen über die Kehrseite des Wohlstands. In der Reinhaltung von Wasser, Boden und Luft ist viel erreicht worden. Es ist aber schwer, den Menschen die großen internationalen Bedrohungen zu vermitteln. Deswegen müssen wir die Verknüpfung mit den wirtschaftlichen Effekten zum Grundtatbestand der deutschen Umweltpolitik machen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)