Josef Göppel hält erste Rede im Deutschen Bundestag

„Eine gute Entwicklung gibt es nur in der Zusammenschau von intakter Natur und intakter Wirtschaftsentwicklung, aber nicht im Entweder- oder".

Sie können sich hier den Videomitschnitt der Rede ansehen.

Berlin (03.04.2003) - Wortlaut der ersten Rede von Josef Göppel im Deutschen Bundestag
Josef Göppel (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte begann heute mit dem Zitat, dass sich der Reichtum eines Landes auch nach seinem Naturvermögen bemisst -- ungewohnte Töne in einer Zeit, die vom Kriegslärm und vom Klagen über schlechte ökonomische Daten erfüllt ist. Wir sehen ja: Hier versammelt ist der positive harte Kern der Naturliebhaber. Naturschutz ist aber zurzeit ein Thema irgendwo am Rande. Es ist vielleicht interessant zu fragen: Wie kommen wir wieder in die Mitte?
Wir haben gewaltige Erfolge gehabt. Diese Erfolge hatten wir aber vor allem dort, wo wir mit technischen Mitteln Probleme beheben konnten, zum Beispiel bei der Luftreinhaltung und der Wasserreinhaltung. Beim Naturschutz ist aber nicht in erster Linie neue Technik gefordert, sondern Behutsamkeit im Zugriff und Zurückhaltung. Da stecken wir in den Anfängen.
Genau da ist die Debatte fällig. Herr Kollege Trittin, die Frage nach einer Naturschutzstrategie stellen die Gutachter in den Mittelpunkt. Natürlich ist es zweitrangig, ob man eine eigenständige Naturschutzstrategie betreibt oder ob man sie integriert in die Nachhaltigkeitskonzepte. Eines ist aber sicher: Sie sind in der Regierung und Sie müssen das jetzt umsetzen. Wir sind uns doch in den Grundsätzen einig; das haben wir an den bisherigen Reden gemerkt. Es geht jetzt um die konkreten Schritte.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte den Vorschlag machen, alle zu integrieren, die guten Willens sind. Ob sie Jäger, Kanuten, Sportkletterer, Landschaftsschützer oder wie auch immer sie heißen: Es gibt überall gut Gesinnte. Es geht darum, im Rahmen der Strategieallianzen für den Naturschutz Strukturen zu finden, um diese Leute einzubinden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90 / DIE GRÜNEN)
Sie, Herr Kollege Trittin, sind nicht unmittelbar verantwortlich für die Gesetzesvorhaben: neues Waldgesetz, neues Jagdgesetz. Ich greife da aber eines heraus: Ich hielte es nicht für gut, wenn man mit diesen Gesetzen Regelungen schüfe, die bestimmte Gruppen eher zurückdrängen und einengen, anstatt sie heranzuführen und mehr in die Verantwortung zu nehmen. Die Menschen, die in die Verantwortung genommen werden, sind in der Regel auch bereit, mehr zu tun. Das steht auch ganz klar im Gutachten: Unter dem Punkt 125 loben die Gutachter zum Beispiel die Konstruktion der deutschen Landschaftspflegeverbände. In diesen Verbänden arbeiten Landwirte, Naturschützer und Kommunalpolitiker gleichberechtigt zusammen, auch wenn nicht alle gegensätzlichen Interessen sofort überwunden werden können. Wir müssen aber die Strukturen dafür schaffen. Das ist Ihre Verantwortung. An der konkreten Tat werden wir Sie auch messen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Frage der Grundsätze ist natürlich auch wichtig. Ich darf aber daran erinnern, dass der Eigenwert der Natur zuerst im bayerischen Naturschutzgesetz formuliert und von uns eingebracht wurde. Es freut uns als CSU-Mandatsträger natürlich sehr, dass das jetzt auch im Bundesnaturschutzgesetz steht. Das soll Folgerungen haben. Wenn in einer großen Volkspartei Dinge formuliert werden, über die wir noch diskutieren müssen, dann werden Kollege Paziorek und die anderen aus der CDU/CSU das mit großer Freude tun; darauf können sie sich verlassen. Für uns und auch für mich gibt es in diesen Dingen kein Zurück. Eine gute Entwicklung gibt es nur in der Zusammenschau von intakter Natur und intakter Wirtschaftsentwicklung, aber nicht im Entweder- oder. Das ist unser Problem.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, beim Thema Flächenverbrauch wurde von allen Rednern darauf hingewiesen, dass wir eine Trendwende brauchen. Ich sitze seit 30 Jahren im Stadtrat einer Wachstumsgemeinde. Gerade deswegen habe ich große Sympathien für den Vorschlag der Gutachter zu handelbaren Flächeninanspruchnahmerechtren. Das ist eine Idee, die es wert ist, diskutiert zu werden. Ich bin sehr dafür, dass wir dies tun. Ob es der Weisheit letzter Schluss ist, werden wir dann im Detail sehen. Klar ist: Wir müssen Wege finden, um den Trend zu durchbrechen und die Flächeninanspruchnahme dorthin zu lenken, wo der ökonomische Nutzen am größten ist. Dazu würde dieses Modell beitragen.
Keine Generation vor uns ist mit den Flächen so verschwenderisch umgegangen und hat so viele Flächen überbaut wie unsere Generation. Das ist wahr. Vor 30 Jahren, als ich meine Ausbildung zum Förster begonnen habe, betrug der Anteil der überbauten Flächen in Deutschland 7 Prozent. Selbst wenn nicht alles endgültig zubetoniert ist, so ist der Anteil der überbauten Fläche doch auf 12 Prozent gestiegen. Das ist nahezu eine Verdoppelung. Deswegen brauchen wir eine Trendwende. Diese wird nicht einfach zu erreichen sein. Ich denke nur an Kommunalpolitiker, die glauben, sie könnten die Güter der Erde -- das sind in diesem Fall die Flächen, die ihnen in ihrem Gemeindebereich zur Verfügung stehen -- in einer Generation verbrauchen. Das ist nicht nachhaltig.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei der FDP -- Beifall des Abg. Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU] -- Ute Kumpf [SPD]: Ein guter Mann!)
Deswegen ist klar: Gute konservative Politik ist auf das Bewahren gerichtet. Im Naturschutz zeigt sich das schöner als in allen anderen Bereichen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein letzter Gedanke. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir es schaffen, den Naturschutz wieder mitten in der gesellschaftlichen Diskussion zu platzieren.
(Ulrike Mehl [SPD]: Das ist eine gute Frage!)
Natürlich berührt es nicht jeden, wenn die Stimme eines Vogels nicht mehr zu hören oder ein Stück Wiese nicht mehr zu sehen ist. Aber ich denke, jeder wird letztlich einsehen, dass der Mensch auch im Internetzeitalter ohne die elementaren Dinge Boden, Wasser, Luft und Lebewelt, die uns umgibt, nicht in Wohlbefinden leben kann und dass ohne diese elementaren Dinge auch eine gute Wirtschaftentwicklung nicht möglich ist. Wir als Verantwortliche haben die allererste Pflicht, daran gemeinsam zu wirken. Deswegen freue ich mich sehr, dass die Debatte an der Sache orientiert geführt wurde. Abschließend sage ich noch einmal: Herr Kollege Trittin, Sie haben die Hauptverantwortung. Wir werden das, was Sie tun, mit Sympathie, aber auch mit kritischem Augenmaß begleiten.
(Beifall im ganzen Hause -- Ute Kumpf [SPD]: Schwarz-rot-grüne Koalition!)
Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:
Herr Kollege Göppel, auch Ihnen darf ich herzlich zu ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag gratulieren.
(Beifall)
Dem amtierenden Präsidenten steht selbstverständlich kein Kommentar zum Inhalt einer hier gehaltenen Rede zu, aber dass es Ihnen gleich bei Ihrer ersten Rede gelungen ist, frei zu reden und dennoch die Redezeit einzuhalten, verdient besonderen Respekt.
(Beifall bei den Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90 / DIE GRÜNEN und der FDP)