Bewahrt die Mannigfaltigkeit!

Einführungsrede zum Deutschen Landschaftspflegetag 1999

Gleichförmigkeit erdrückt Vielfalt Forderungen an Bund und Länder  
Die Arbeit des DVL Regional assistance programs und WTO

Vom 23. bis 25. September 1999 fand am Sitz des ersten baden-württembergischen Landschaftspflegeverbandes, in Emmendingen am Schwarzwald, der Deutsche Landschaftspflegetag statt. In seiner Einführungsrede befasste sich Josef Göppel mit den Aufgaben von Landschaftspflegeverbänden und Regionalinitiativen im Zeichen der Globalisierung. Hier die Dokumentation der Rede:

Gleichförmigkeit erdrückt Vielfalt


Welche Entwicklungslinien sind für Menschen, die sich um Landschaften kümmern, zum Ende des Jahrhunderts wichtig? Wohin laufen die Trends? Mit welcher Strategie sollen wir in das neue Jahrhundert gehen?

Weltweit schält sich immer deutlicher ein globaler Trend heraus. Es ist ein Zug zur Gleichförmigkeit, Vereinheitlichung, Monotonie. In immer mehr Ländern sind die Menschen gleich gekleidet, handeln mit den gleichen weltweit vertriebenen Waren und hören die gleiche international verbreitete Musik. Das Gesicht der Städte wird immer gleichförmiger, weil neue Bauten überall in der Welt unter gleichen Bedingungen errichtet werden.

In den Kulturlandschaften beobachten wir die gleiche Erscheinung. Sonderstandorte wie nährstoffarme Trockenrasen oder Moore schwinden und die eutrophen Durchschnittsstandorte nehmen zu. Es gibt einen globalen Trend zur Gleichförmigkeit. Die Vielfalt unserer Welt nimmt ab.

Einer der väterlichen Ideengeber in der Anfangszeit der deutschen Landschaftspflegeverbände, der 1997 verstorbene Botanikprofessor Hermann Meusel aus Halle, gab uns als Testament mit auf den Weg: "Bewahrt die Mannigfaltigkeit!" Genau darin sehe ich unseren Auftrag für die ersten Jahrzehnte des neuen Jahrhunderts. Darum geht es jetzt. Wer sich die Bewahrung der Mannigfaltigkeit auf allen Gebieten als Richtschnur setzt, der hat den richtigen Kompass. Dazu möchte ich Sie alle gleich zu Beginn des Landschaftspflegetages 1999 aufrufen: Tragen Sie bei Ihrer Arbeit, wo immer Sie auch stehen, in Landschaftspflegeverbänden, in Behörden, in Ministerien, im Bauernverband oder in Naturschutzverbänden, tragen Sie zur Erhaltung der Mannigfaltigkeit unserer Erde bei!

Die 133 deutschen Landschaftspflegeverbände helfen durch Ihre Arbeit tagtäglich mit, regionale und landschaftliche Eigenarten zu stärken. Damit verbessern Sie auch die wirtschaftliche Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der jeweiligen Region. Ausgehend von den Impulsen unserer ostdeutschen Partner haben die Landschaftspflegeverbände seit 1990 immer mehr die Gesamtinteressen der Region in den Blick genommen. Sie versuchen aus der klassischen Landschaftspflege heraus mit dem Aufbau regionaler Wirtschaftskreisläufe selbsttragende, wirtschaftliche Effekte in Gang zu setzen. Wir sehen den nachhaltig und naturverträglich wirtschaftenden Menschen nicht als Störer, sondern als Bestandteil des Lebensgefüges einer Landschaft. Landschaft als Lebensraum war das Motto bei unserer Gründung 1993 in Berlin.

Gleich zu Beginn dieses Landschaftspflegetages 1999 ist es mir deshalb ein be-sonderes Anliegen, Ihnen für Ihrüberaus großes Engagement zu danken. Durch meine Besuche vor Ort erfahre ich immer wieder, mit wie viel Idealismus und persönlichem Einsatz in den Landschaftspflegeverbänden und biologischen Stationen gearbeitet wird. Es wird nicht viele Gruppen in unserem Land geben, die bei solch großer Ungewissheit über die eigene berufliche Zukunft - häufig haben die Geschäftsführer ja nur Arbeitsverträge mit kurzen Laufzeiten - einen solchen Einsatz bringen. Den Vertretern der Ministerien und Behörden sage ich, hier haben Sie Leute an Ihrer Seite, mit denen Sie etwas bewegen können. Die Landschaftspflegeverbände sind schlagkräftige und wirksame Umsetzungsinstrumente für die Naturschutz- und Regionalpolitik des Bundes und der Länder. Deshalb bitte ich darum, Ihnen verlässliche Arbeitsbedingungen zu geben.

Landschaftspflegeverbände sind keine Naturschutzverbände, sie werden deshalb auch nicht die entsprechende Anerkennung nach dem § 29 des Bundesnaturschutzgesetzes beantragen. Landschaftspflegeverbände sind regionale Aktionsbündnisse, in denen Naturschützer, Landwirte und Kommunalpolitiker gleichberechtigt zusammenarbeiten. Die Naturschutzverbände sind darin wichtige Ideengeber. Mit dem Rückhalt der Kommunalpolitiker können die Projekte vom Papier in die Wirklichkeit umgesetzt werden und die Landwirte sind unverzichtbar für die Ausführung der praktischen Arbeiten. Sie sollen ja auch ein Zusatzeinkommen aus der Landschaftspflege erlangen. Die staatlichen Fachbehörden für Naturschutz und Landschaftspflege sind deshalb für uns unverzichtbar. Landschaftspflegeverbände kümmern sich um die Umsetzung. Sie brauchen aber fachliche Vorgaben und sicher auch Kontrolle. Aus diesem Grund sind uns im Land Baden-Württemberg die Bezirksstellen für Naturschutz und Landschaftspflege sehr wichtig. Sie genießen wegen ihrer exzellenten fachlichen Arbeit bundesweit einen guten Ruf und tragen nach meiner Meinung auch wirksam dazu bei, die politischen Ziele der Landesregierung umzusetzen. Geschwächte oder im Profil verwaschene Fachbehörden schwächen auch den effizienten Verwaltungsvollzug. Deshalb will ich Ihre Bemühungen, Frau Ministerin Staiblin, zur Erhaltung der Bezirksstellen für Naturschutz und Landschaftspflege ausdrücklich loben und anerkennen.

Die Arbeit des DVL

Der Deutsche Verband für Landschaftspflege als Dachverband der Deutschen Landschaftspflegeverbände hält seine Struktur bewusst schlank. Zwei Fachkräfte und eine Schreibkraft leisten dort die Arbeit. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

  • Der DVL hat als NGO in Brüssel intensiv an der Verankerung der Landschaftspflege in der Agenda 2000 mitgewirkt. Die ausdrückliche Aufnahme der Landschaftspflege als Fördertatbestand in den Artikel 33 der neuen Verordnung zur Förderung ländlicher Räume (Nr. 1257/99) geht wesentlich auf unsere Bemühungen zurück.
  • Der europäische Rat der Regierungschefs hat damit deutlich den politischen Willen zum Schutz der Umwelt durch Landschaftspflege erklärt. Das verlangt von den Ländern, den Artikel 33 in der Programmplanung nun auch finanziell ange-messen zu unterlegen, wenn sie dem Geist und Buchstaben der neuen Verordnung gerecht werden wollen.
  • Der DVL hat mitgeholfen, das Verbot zur Förderung regionaler Werbung in der geplanten EU-Gemeinschaftsleitlinie zum Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse im Keim zu ersticken. Dort war vorgesehen, herkunftsbezogene Absatzfördermaßnahmen zu verbieten, weil "aus öffentlichen Mitteln subventionierte Aktionen, in deren Mittelpunkt der Ursprung der Erzeugnisse steht, bestehende Neigungen zum Kauf lokaler Erzeugnisse noch verstärken." Wir konnten deutlich machen, dass die EU mit einer solchen Regelung ihre eigenen Ziele zur Entwicklung der ländlichen Räume untergraben würde.
  • Mit dem Projekt "Aufbau eines Netzwerks der deutschen Regionalinitiativen" helfen wir mit, vielfache Doppelarbeit zu vermeiden und die einzelnen Regionalinitiativen durch gegenseitigen Informationsaustausch zu stärken. Dieses Projekt wird in die Arbeit der deutschen Regionalinitiativen mehr Professionalität bringen und ihren Erfolg steigern. Für die Finanzierung dieses Vorhabens danke ich Präsident Andreas Troge vom Umweltbundesamt herzlich. Begleitend dazu finanziert die Deutsche Bundesstiftung Umwelt in Osnabrück den Aufbau einer Internetplattform für die deutschen Regionalinitiativen. www.reginet.de ist der Marktplatz, auf dem Sie alles finden.
  • Ein wesentlicher Teil der Arbeit des DVL sind schließlich auch die Kontakte zu den Länderministerien für Umwelt und Landwirtschaft. Dort fallen die Entscheidungen für die Arbeitsbedingungen der Landschaftspflegeverbände und deshalb klopfen wir immer wieder an ihre Türen.

Forderungen an Bund und Länder

Wir stehen am Beginn der neuen 6-jährigen Programmperiode nach der Verordnung zur Förderung des ländlichen Raums. Die Programmplanungen, die zur Zeit in den 16 Bundesländern laufen, legen unsere Möglichkeiten für die nächsten 6 Jahre fest. Deshalb fasse ich die Forderungen, die wir an die einzelnen Bundesländer herangetragen haben, noch einmal zusammen.

  • Wir fordern, die Landschaftspflege nach Artikel 33 der EU-Verordnung zur Förderung ländlicher Räume in die Programme eines jeden Landes aufzunehmen, finanziell zu unterlegen und diese Landschaftspflegeprogramme zur Kofinanzierung nach Brüssel zu melden. Das Gebot der finanziellen Ausgewogenheit aller Programmteile verpflichtet nach unserer Auffassung die Länder, auch die Landschaftspflege angemessen zu berücksichtigen.
  • Das bisher häufig zu hörende Argument, Brüssel genehmige dies und jenes nicht, zieht jetzt nicht mehr. In den Durchführungsbestimmungen zur neuen Verordnung heißt es unter Ziffer 16 eindeutig: "Angesichts der großen Vielfalt der Maßnahmen, die unter Artikel 33 fallen können, bleibt es in erster Linie den Mitgliedsstaaten überlassen, die Förderbedingungen als Teil ihrer Programmplanung festzulegen." Die Verantwortung, was geht und was nicht geht, liegt also nun bei den Ländern und beim Bund!
  • Wir fordern, dass anerkannte Landschaftspflegeverbände und vergleichbare freie Träger Antragsteller und Projektträger für Maßnahmen der aktiven Kulturlandschaftspflege nach Artikel 22 bis 24 und für Landschaftspflegemaßnahmen nach Artikel 33 der EU-Verordnung sein können.
  • Wir bitten darum, in die förderfähigen Kosten auch die Organisations- und Managementleistungen der Landschaftspflegeverbände aufzunehmen, um deren Arbeitsfähigkeit zu erhalten und ihr enormes Leistungspotential weiterhin nutzen zu können. Vorbildlich hat Thüringen in seiner Landesrichtlinie "Technische Hilfe" diese Frage gelöst. Danach können Maßnahmen der Vorbereitung, Beratung, Koordinierung und Begleitung von Projekten mit maximal 75 % der Gesamtkosten gefördert werden. Antragsberechtigt sind neben kommunalen Gebietskörperschaften vorzugs-weise juristische Personen, die nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind, wie Landschaftspflegeverbände.
  • Wir schlagen vor, in den Programmen einen Abschnitt "Regionale Maßnahmen" vorzusehen, um eine Tür für Unvorhergesehenes offenzuhalten und damit auch die Handlungsfähigkeit der Politik zu gewährleisten.
  • Wir regen an, die Aufforstungsprämien nach dem bereits vorhandenen Waldanteil des betreffenden Landkreises zu staffeln und dafür Gebietskuslissen festzulegen. In Gebieten mit hohem Waldanteil darf die Aufforstung nicht mehr höher gefördert werden als die Aufrechterhaltung extensiver landwirtschaftlicher Nutzungen.
  • Nach den Praxiserfahrungen in den bisherigen Ziel 1- und 5b-Gebieten der Gemeinschaft sind als Impuls für regionale Wirtschaftskreisläufe und selbsttragende wirtschaftliche Effekte in peripheren Gebieten künftig vor allem zwei Fördermöglichkeiten nötig.
    • Gemeinschaftsprojekte von Landwirtschaft, Naturschutz, Handwerk und Fremdenverkehr;
    • Intitiativen zur Vermarktung regionaler, naturschutzgerecht erzeugter Produkte.

Ich bitte natürlich auch unsere Partner im BML und BMU bei der Abgleichung der Programmentwürfe der Länder ein Auge auf unsere Vorschläge zu richten. Ich betone noch einmal, in den Deutschen Landschaftspflegeverbänden arbeiten hochmotivierte Leute, die etwas tun wollen für ihre Region. Das entspricht genau den Zielen der Agenda 21. Dieses Engagement bildet auch eine Art von Produktivkapital für unser Land, das man nicht verkümmern lassen darf.

Regional assistance programs und WTO

Die in Kürze beginnende nächste Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation WTO wird auch für die sogenannten regional assistance programs der Europäischen Union enorme Auswirkungen haben. Was ist mit dem neuen WTO-Vertrag dann noch vereinbar und was nicht? Sicher ist, dass die sogenannte Greenbox im Anhang 2 zum Agrarabkommen der 134 WTO-Mitgliedstaaten jetzt schon eine Menge Möglichkeiten bietet. In den USA hat sich überdies der Wind gedreht. Durch die neuen Subventionen für die amerikanischen Farmer besteht dort nun eine große Bereitschaft, die Greenbox zur Erhaltung von Regionalkulturen sogar noch auszubauen. Das kann dann ein Instrument werden, um zu einem dauerhaft ausgewogenen Gleichgewicht zwischen globalem Handel und regionalen Eigenarten zu kommen.

Die Europäische Union muss nun aber konkrete Vorschläge auf den Tisch legen wie die sozialen und ökologischen Standards im Welthandel sowie die neuen Unterschachteln der Greenbox aussehen sollen. Wir werden dazu neben der Tagesarbeit im eigenen Land als Teil des Netzwerks der Europäischen NGOs unsere Ideen beisteuern.

Die Bereitschaft dafür ist inzwischen nicht mehr auf Europa beschränkt. Nelson Mandela sagte vor kurzem bei seinem Deutschlandbesuch: "Nach der Globalisierung des Welthandels brauchen wir nun eine Globalisierung der Ethik und der Nachhaltigkeit!" Gehen wir in diesem Geist an unsere Aufgaben heran. Wir formen damit bei allen täglichen Schwierigkeiten eine neue und tragfähige Lebenskultur für das 21. Jahrhundert.