Bundeswehr im demokratischen Staat

Ansprache beim Gelöbnis am 23.04.1998 in Wolframs-Eschenbach

Das heutige Gelöbnis findet in einem Landstrich statt, in dem die Bundeswehr nicht nur geduldet, sondern willkommen ist. Hier gibt es lebendige Patenschaften mit Bundeswehreinheiten; hier ist die Bundeswehr eingebettet in die gesamte Bevölkerung.


Die Bundeswehrzeit ist für jeden jungen Mann ein wichtiger Einschnitt. Manche sehen ihm erwartungsvoll entgegen; die meisten nicht ganz so freudig. Aber sie tun ihren Dienst für unser Land.


Als Abgeordneter des Bayerischen Landtags danke ich Ihnen dafür, dass Sie Ihren Dienst in der Bundeswehr tun. Ich möchte Ihnen dafür ausdrücklich meine Anerkennung aussprechen.


Es gibt heute eine ganze Reihe von Möglichkeiten des Ersatzdienstes im sozialen und ökologischen Bereich. Auch diese Einsätze sind wertvoll und anerkennenswert.


Im Zusammenhang mit verschiedenen Gerichtsurteilen über die Tätigkeit von Soldaten und auch mit rechtsextremen Vorfällen in der Bundeswehr ist ein verzerrtes Bild in der öffentlichen Meinung entstanden, das so nicht stehen bleiben kann.


Jedes Jahr kommen 150.000 Rekruten neu in die Streitkräfte und mit ihnen geistige Weite, frisches Engagement aber auch vielfache Probleme. 10 Monate Wehrpflicht können nicht ersetzen, was sich in Schule und gesellschaftlichem Umfeld häufig an Defiziten angesammelt hat. Die Armee kann nicht die Schule der Nation sein, sondern das bleiben eben Elternhaus und Schule.


Wenn die Wehrbeauftragte des Bundestags, Frau Claire Marienfeld, in ihrem Jahresbericht 1997 den geringen politischen Bildungsstand in Teilen der Truppe beklagt, so muss die Bildungspolitik kritisch überprüft werden. Bayern wird ja auch gerade deswegen künftig stärkere Schwerpunkte in Geschichte und Sozialkunde setzen. Trotzdem ist die Frage berechtigt, ob 28 Stunden staatsbürgerlicher Unterricht in der Bundeswehrzeit ausreichen?


Ein zweiter Schwerpunkt im Bericht der Wehrbeauftragten ist die Traditionspflege. Frau Marienfeld vermisst gelegentlich die Abgrenzung zwischen dem Wertmaßstab unseres Grundgesetzes und der früheren Tätigkeit von Reichswehr und Wehrmacht.


Dazu kann ich als frei gewählter Abgeordneter nur sagen, dass sich unsere Bundeswehr in 40 Jahren eine eigene Tradition aufgebaut hat, auf die alle Deutschen stolz sein können. Die Bundeswehr braucht hinsichtlich ihrer demokratischen Ausrichtung und ihrer Verankerung in der offenen modernen Gesellschaft den Vergleich mit keiner anderen Armee der Welt scheuen.


Sie war es auch, die in den Jahrzehnten des kalten Krieges mit dazu beigetragen hat, dass es eben nicht zu einem heißen Krieg kam. Heute ist Deutschland von keinem Nachbarn umgeben, von dem eine Bedrohung ausgeht. Trotzdem ist es die Pflicht einer jeden politischen Führung, die Verteidigungsfähigkeit aufrecht zu erhalten.


Hierin zeigt sich am klarsten der Auftrag der Bundeswehr. Sie richtet sich gegen niemanden, aber sie stellt die jederzeitige Verteidigungsfähigkeitdes Landes sicher. Staaten wie die Schweiz, Schweden und Finnland können uns in diesem Selbstverständnis gute Beispiele sein.


Verteidigungsfähigkeit erfordert auch von der Zivilbevölkerung Opfer. Gerade der Landstrich, in dem wir uns heute befinden, die frühere Area 7, musste in den 80er Jahren unter unerträglichem Tieffluglärm leiden und muss auch heute noch ein überdurchschnittliches Maß an Tieffluglärm verkraften. Hier sind vor allem die nächtlichen Hubschrauberflüge des Standortes Katterbach zu nennen. Die gerechte Verteilung solcher Lasten über das ganze Land ist eine entscheidende Voraussetzung für die Akzeptanz der Verteidigungsfähigkeit in der Gesamtbevölkerung.


Bis 1989 hat vor allem der Ost-West-Gegensatz den Dienst in der Bundeswehr bestimmt. Heute ist die Wahrscheinlichkeit, als Soldat in einen echten Einsatz zu kommen, viel höher. Zu Ausbildung und Führung gehört daher heute auch die Konfrontation mit Problemen im Angesicht von Not und Elend. Führung im Einsatz stellt höchste Anforderungen an Charakter und Können.


Die Einsätze in Kambodscha, Somalia und Bosnien haben gezeigt: Solche Einsätze fordern mehr als die klassische militärische Ausbildung vermittelt. Es geht hier nicht um Kriegführung, sondern um Friedenswahrung. Es gibt kein klares Freund-Feind-Bild, sondern einen komplizierten Volksgruppenkonflikt mit unklaren Fronten. Und es ist nicht zu allererst Tapferkeit und militärisches Können gefragt, sondern diplomatisches Auftreten und politisches Denken.


Die immer stärkere Einbettung der Bundeswehr in multinationalen Verbänden, in der deutsch-französischen Brigade, im Eurokorps, im Korps Landjut, im deutsch-niederländischen Korps fordert Offiziere und Mannschaften heraus. Sie schafft aber auch Vertrauen, weil kleinere und größere Nachbarn in diesen Verbänden gleichberechtigte Partner sind.


In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung einiger Verbündeter in der NATO, die Wehrpflicht abzuschaffen, auch für Deutschland von hoher Bedeutung. Die verantwortlichen politischen Kräfte in Deutschland haben sich in ihrer großen Mehrheit darauf festgelegt, bei uns die Wehrpflicht beizubehalten - aus sicherheitspolitischen und auch aus gesellschaftspolitischen Gründen.


Das verlangt aber auch die konsequente Durchsetzung der Wehrgerechtigkeitund die Steigerung der Attraktivität des Wehrdienstes. In diesem Zusammenhang sind Bundeswehreinsätze in Katastrophenfällen, wie im Oderbruch im Sommer 1997, wichtige Gelegenheiten, um für Sympathie und Ansehen unserer Armee zu werben.


Die Bundeswehr hat eine Führungsphilosophie, auf die manches Unternehmen stolz wäre. Innere Führung ist keine Modell von gestern. Die Prinzipien der inneren Führung sind so modern und zukunftsweisend wie vor 40 Jahren. Wie damals geht es auch in Zukunft darum, dass die Bundeswehr Teil des demokratischen Rechtsstaates ist und nicht ein Staat im Staat, dass der Primat der Politik gilt und dass in den Streitkräften nach Recht und Gesetz geführt wird.


Überall dort, wo nach diesen Prinzipien verfahren wird, dürfen wir stolz auf unsere Bundeswehr sein.


Liebe Rekruten, ich danke Ihnen noch einmal für den Dienst, den Sie vor kurzem angetreten haben. Ich wünsche Ihnen erfüllte Monate, die Ihnen für Ihr Leben etwas bringen und an die Sie später gern zurückdenken können.