Stromwechsel. Wie Bürger und Konzerne um die Energiewende kämpfen

Auszug aus dem gleichnamigen Buch der Autoren Hannes Koch, Bernhard Pötter und Peter Unfried. Erschienen im Westendverlag, Frankfurt a.M. 2012. Seite 112-114.

„[…] Ob die Energiewende gelingt, wird das Ergebnis eines gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses sein, den viele Beteiligte mit harten Bandagen führen. Trotzdem, so schätzt Josef Göppel, sei der Zeitenwechsel nicht mehr aufzuhalten.

Was macht ihn so sicher? Josef Göppel, Jahrgang 1950, ist gelernter Förster. Noch heute, nachdem er fast zehn Jahre als direkt gewählter Abgeordneter des nordbayerischen Wahlkreises Ansbach/Weißenburg-Gunzenhausen im Bundestag sitzt, tragen seine breiten Hände die Merkmale körperlicher Arbeit. Göppel ist einer derjenigen, die jahrzehntelang als krasse Außenseiter ihren Parteichefs - zumal in der bayerischen CSU – auf die Nerven gingen, trotzdem nicht wegzukriegen waren und nun allmählich die Früchte ernten.

Göppel erinnert sich an den Beginn der 1980er Jahre. Damals setzte er als Mitglied des Bezirksparlaments von Mittelfranken durch, dass in einer landwirtschaftlichen Ausbildungsstätte ein paar kleine Ökoenergieanlagen zu Demonstrationszwecken gebaut wurden. Einige Solarmodule lieferten Strom, den der örtliche Energieversorger in sein Netz einspeiste und bezahlte. Ein Elektrolyseur spaltete mit Hilfe des Sonnenstroms Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Letzterer spendete, im Erdgasnetz weitertransportiert, Energie für Heizungen. Außerdem gab es eine Biogasanlage, die Methan für die Herde der Lehrküche produzierte. Alles nicht groß, aber ziemlich einmalig. Hunderte Bauernsöhne und -töchter, die die Lehranstalt besuchten, lernten von da an, was man mit Energie in einem landwirtschaftlichen Betrieb alles anstellen kann.

Ein paar Jahre bauten manche Bauern die ersten kleinen Windräder und Biogasanlagen auf ihren Höfen. In letzteren gewannen sie aus Viehmist Methan, mit dem sie Heizungen und Stromaggregate antrieben. Das ist das Prinzip, das Göppel früh erkannte: Umweltschutz wird interessant wenn er Ersparnis oder Einnahmen bringt.

Im Gespräch wartet der Bundestagsabgeordnete der CSU mit erstaunlichen Zahlen auf. Mittlerweile stammten 63 Prozent des Stroms im Landkreis Ansbach aus erneuerbaren Quellen. Im Jahr 2010 hätten knapp 10.000 dezentrale Ökoenergieanlagen rund 160 Millionen Euro Einnahmen erzielt. Umgerechnet auf die 180.000 Bewohner des Landkreises ergibt das pro Kopf etwa 1.000 Euro – statistisch betrachtet. Für tausende Bürger, denen die Ökokraftwerke gehören, macht sich die Energiewende tatsächlich bezahlt. Sie trägt einen merklichen Anteil zum Einkommen bei. „Man kann eine Sache durchsetzen, wenn viele Menschen ein wenig daran verdienen“, betont Göppel noch einmal.

Mittlerweile zieht die Energierevolution in der Region weitere Kreise. Es werden Genossenschaften gegründet, die gemeinschaftlich Windräder neuester Generation errichten. Fast jeder kann sich beteiligen, das Einstiegskapital beträgt minimal 500 Euro pro Kopf.

Hat man es hier nicht eigentlich mit der Vergesellschaftung der Produktionsmittel zu tun? Göppel mustert amüsiert den fragenden Großstadtmenschen. Seine Tradition ist eine andere – aber sie entstand in der gleichen Zeit wie der Kommunismus und wegen ähnlicher Probleme. Göppel bezieht sich auf Friedrich-Wilhelm Raiffeisen, den Begründer der agrargenossenschaftlichen Bewegung im 19. Jahrhundert. Damals begannen Bauern gemeinsam zu wirtschaften, um sich gegenseitig vor Hunger und Elend zu schützen. Göppel sagt, dass die Energiewende durch die Kombination mit der Raiffeisen-Tradition enorm an Durchschlagskraft gewonnen habe: „Im konservativsten Dorf muss man nichts mehr erklären, wenn der Name Raiffeisen fällt. Das versteht jeder sofort.“

Und wie geht es jetzt weiter mit der Energiewende? „Potenziell leben in Deutschland zehn Millionen Stromproduzenten“, sagt Göppel, „sehr viele Menschen werden mit Ökoenergie Geld verdienen. Diese Welle können die Konzerne nicht mehr stoppen.““