Report: «Atom-Rebell» kontra «Atom-Fuchs»

dpa vom 4. Juli 2011


Georg Ismar, dpa

Berlin (dpa) - Die Geschichte hat Josef Göppel zwar recht gegeben. Aber er fühlt sich nicht als Sieger. Als in Fukushima die Reaktorgebäude explodierten, hatte der CSU-Abgeordnete gemahnt: «Wenn die Union als Volkspartei mehrheitsfähig bleiben will, muss sie ihren Kurs in der Atomfrage überprüfen.» Dass man aber gleich acht Atomkraftwerke stilllegen und bis 2022 ganz aussteigen wird, hätte der Unions-Obmann im Umweltausschuss damals nicht gedacht. So gehörte Göppel diesmal zur großen Mehrheit, die am Donnerstag im Bundestag mit Ja stimmte. Einstige Befürworter möglichst langer Laufzeiten standen dagegen ziemlich einsam da. Der 60 Jahre alte Förster aus Mittelfranken war schon immer Atomskeptiker. Am 28. Oktober 2010 gehörte er zu der Handvoll von Unions-Politikern, die gegen die Verlängerung der Laufzeiten um bis zu 14 Jahre stimmten. «Längere Laufzeiten von Kernkraftwerken stützen den notwendigen technologischen Wandel nicht, sondern sie bremsen ihn», sagte er damals zur Begründung. Erneuerbare Energien seien die Zukunft. «Handwerker, Kommunen, Hausbesitzer, Mieter, Landwirte und Waldeigentümer profitieren von diesem Wandel.» Und so verspürte Göppel dieser Tage nicht etwa Genugtuung, sondern kämpfte für möglichst gute Bedingungen etwa für die Windkraft-Förderung an Land. Er verweist darauf, dass sich überall in Bayern Genossenschaften mit Beteiligungen an Bürgerwindparks und Biogasanlagen gründen. Das Geld bleibe so im Dorf. Göppel sieht in der dezentralen Stromversorgung den Schlüssel zum Erfolg. Das Zeitalter der großen Atom- und Kohlekraftwerke hält der «Atom-Rebell» endgültig für überholt.

Fraktionskollege Michael Fuchs (62) sieht das ganz anders. Für den 62-Jährige spielt sich derzeit so etwas wie ein energiepolitischer Harakiri ab. Der CDU-Mann und Vizechef der Fraktion musste sich nach seinem Einsatz für möglichst lange Laufzeiten vom Atom-Gegner Jochen Stay als «Atom-Fuchs» beschimpfen lassen, der nur Interessen der Energiekonzerne vertrete. Nun muss Fuchs sehen, dass der einst so mächtige Wirtschaftsflügel Abstimmungsniederlagen gegen die neue Öko-Front in der Union hinnehmen muss, etwa wenn es um Einschnitte für die Solarförderung geht. Fuchs argumentiert weniger mit Göppels Kategorien von Restrisiko, Schöpfungsverantwortung und dem riesigen Potenzial einer grüneren Wirtschaft. Es geht ihm vor allem darum, keine Arbeitsplätze zu gefährden. Er erzählt von einem befreundeten Bäcker mit 38 Filialen, der jeden Tag 100 000 Brötchen produziert. Schon geringfügig höhere Strompreise für solche energieintensiven Betriebe mit knappen Kalkulationen seien eine große Bedrohung. Für Fuchs ist der rasche Ausstieg zu wenig in die Zukunft gedacht und der Einstieg in Erneuerbare Energien zu unklar. Wo etwa seien die Vorrichtungen, um überschüssigen Wind- und Sonnenstrom zu speichern? Das Potenzial für Pumpspeicherkraftwerke, wo mit Überschuss-Ökostrom Wasser nach oben gepumpt und bei Bedarf zum Antrieb von Turbinen wieder abgelassen werden soll, hält er für erschöpft. «Oder sollen wir etwa den Rhein stauen?», fragt er. Die Förderung der Photovoltaik hält Fuchs für eine moderne Form der Planwirtschaft. Er hat auch große Zweifel, ob Energie gerade für die Industrie bezahlbar bleibt. Er akzeptiert als Demokrat zwar die Mehrheit im Parlament für den Wandel. Zugleich betont er: «Ich habe starke Bauchschmerzen bei dem Weg, der eingeschlagen wird.»