Die leisen Dissidenten

tageszeitung vom 29. September 2011

BUNDESTAG Warum Josef Göppel und Veronika Bellmann der Kanzlerin heute die Gefolgschaft verweigern werden

AUS BERLIN STEFAN REINECKE

Er war schon oft in der Minderheit. Josef Goppel war für die Abschaltung aller Atomkraftwerke, als das in der Union noch so beliebt war wie Fußpilz. Der CSU-Mann hat unter Rot-Grün als Einziger in der Unionsfraktion für das Erneuerbare-Energien-Gesetz gestimmt. Weil er überzeugt war, dass die Energiewende nötig ist. Jetzt ist Goppel überzeugt, dass die Erweiterung des Eurorettungsschirms EFSF falsch ist. Jedenfalls so, wie der Bundestag sie heute beschließen wird.

Goppel ist einer von etwa zwölf CDU/CSU-Parlamentariern, die heute wohl mit Nein stimmen werden. Damit riskiert er, dass Angela Merkel keine eigene Mehrheit für eines der wichtigsten Gesetze ihre Kanzlerschaft haben wird. Das nimmt Josef Goppel aus Nordbayern in Kauf. Weil er hofft, dass ihm seine Partei, wie bei der Atomkraft, irgendwann folgen wird.

Im Jahr 2008 hat er der Bankenrettung noch zugestimmt, 2010 beim ersten Griechenlandpaket hat er sich enthalten "Damals war ich mir noch nicht sicher", sagt er. Das Thema, in fränkischem Idiom "Dehma", sei kompliziert.

"Ich bin nicht gegen Hilfen" so Göppel. Mit Populisten, die meinen, dass die Griechen doch die Akropolis verpfänden sollen, hat er nichts am Hut. "Bei uns in Franken gibt es keine Anti-Griechenland-Stimmung." Das habe er im Sommer in den Bierzelten gespürt. "Das dominierende Gefühl der Leute in meinem Wahlkreis ist anders. Es ist Ohnmacht gegenüber einer nicht genau fassbaren Macht, die stärker ist als die Politik, stärker als Frau Merkel."

Wie man diesen Zauberlehrling wieder einfängt, das treibt Josef Göppel, der 28 Jahre lang Förster war, um. "Die Politik hat die Entfesselung der Finanzmärkte ermöglicht, das begann bei Kohl, Rot-Grün hat dies fortgesetzt." Jetzt beherrschen die Märkte die Staaten. Und die Politiker haben die Pflicht, den Schaden wiedergutzumachen, den sie selbst angerichtet haben. So sieht es Josef Göppel. Eine Art Haftungsprinzip.

Deshalb plädiert er für drei Maßnahmen. Die Ausfallversicherungen für Staatsanleihen müssen verboten werden. "Im Grund sind das Wetten, dass ein Staat pleite geht." Die persönliche Haftung muss verschärft werden, damit das Risikobewusstsein der Finanzmarktakteure wächst. Und die Finanztransaktionsteuer muss her, damit der Finanzsektor seine Rettung bezahlt, nicht der Steuerzahler. "Wenn man sich dazu in einem Entschließungsantrag bekennt, würde ich EFSF zustimmen." sagt er. Aber so ein Antrag ist chancenlos, weil die FDP bei der Finanzmarktregulierung fast alles blockiert. "Es kann nicht sein" sagt Goppel, "dass immer der Schwanz mit dem Hund wackelt."

Es ist nichts Leichtfertiges oder Bedeutungsheischendes in seinen Sätzen. Sie klingen besonnen, bedacht, fern von vordergründigem Eifer. Das taktische, kurzfristige Denken ist seine Sache nicht. Er sucht nicht den tagespolitischen Effekt, sondern die große Linie. Er sieht, dass es im globalen Finanzsystem zu wenig Regeln gibt. "Wer käme denn auf die Idee, im Straßenverkehr einfach alle Ampeln abzuschalten?" fragt er. Lafontaine klingt auch nicht viel anders. Ist Goppel vielleicht einfach in der falschen Partei? Nein, sagt er bestimmt. "Ich bin ein Konservativer. Immer schon gewesen."