Längere AKW-Laufzeiten kosten bis zu 50 Milliarden

Berliner Zeitung vom 7. Mai 2010

Umweltministerium verlangt teure Sicherheitsstandards

von Joachim Wille

FrANKFURT A. M. Der Plan der Stromkonzerne, alle Atomkraftwerke länger am Netz zu lassen, wackelt. Denn das Bundesumweltministerium fordert Sicherheits-Nachrüstungen, die die vier deutschen AKW-Betreiber Eon, RWE, EnBW und Vattenfall im Extremfall 50 Milliarden Euro kosten würden. Allerdings ist dieser sicherheitsorientierte Kurs in der Koalition umstritten.

Schwarz-Gelb lässt derzeit von Experten vier Szenarien zu Laufzeitverlängerungen der 17 deutschen AKW erarbeiten, die nach dem noch gültigen Atomkonsens nach jeweils rund 32 Jahren Betriebszeit abgeschaltet werden müssten. Es geht um ein Plus von vier, zwölf, 20 oder 28 Jahren. Bei einer Verlängerung um 28 Jahre würde das letzte Kraftwerk nicht wie geplant 2022, sondern erst um 2050 abgeschaltet.

Minister Norbert Röttgen (CDU) hat von seiner Reaktorsicherheits-Abteilung ausrechnen lassen, wie teuer die Anpassung der AKW an modernere Sicherheitserfordernisse wäre. Bei einem Laufzeitplus von vier Jahren kam sie auf sechs Milliarden Euro, in den höheren Varianten auf 22 Milliarden, 36 Milliarden oder eben auf knapp 50 Milliarden Euro, wie die Berliner Zeitung aus dem Ministerium erfuhr.

Bei Gesprächen auf Beamtenebene zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium sowie Kanzleramt waren zunächst deutlich niedrigere Werte genannt worden, die allerdings aus einem bereits 2007 erstellten Energiekonzept stammten. Vier Jahre Laufzeitplus hätte es danach zum Nulltarif gegeben, bei zwölf Jahren wären rund elf Milliarden Euro fällig geworden.

Der Unions-Wirtschaftsflügel äußerte heftige Kritik am Röttgen-Plan: "Die Betreiber sollen durch überzogene Sicherheitsanforderungen aus

dem Markt gekegelt werden", sagte der energiepolitische Koordinator der Fraktion, Thomas Bareiß (CDU). Bei den hohen Kosten lohne sich die Laufzeitverlängerung für die Konzerne nicht mehr. Der CSU-Umweltpolitiker Josef Goppel hingegen stützt Röttgens Kurs. Wenn andere Politiker niedrigere Sicherheitsstandards woll-

ten, sollten sie das auch öffentlich sagten. Goppel erinnerte daran, dass die Umweltberater der Bundesregierung ein Festhalten am bestehenden Atomkonsens gefordert hatten. Deren Argumentation sei "plausibel."

Der Chef des Energiekonzerns Eon, Johannes Teyssen, teilte derweil mit, man werde Reststrommengen aus dem stillgelegten Atomkraftwerk Stade an den Konkurrenten RWE verkaufen. RWE will damit die Laufzeit seines alten Meilers Biblis A verlängern.