Josef Göppel stimmt mit Nein

n-tv.de vom 28. Oktober 2010

"Das ist der Keim zur Abwahl der Union"

Vor dem Reichstag wehen die Flaggen auf Halbmast, der Bundestag trauert um Loki Schmidt - und um den SPD-Politiker und "Solar-Papst" Hermann Scheer, der wie kaum ein zweiter für den vollständigen Wechsel zu erneuerbaren Energien warb. Dann entscheiden die Abgeordneten über die Novelle des Atomgesetzes. Einige Unionsabgeordnete stimmen mit Nein, darunter der CSU-Politiker Josef Göppel. Er befürchtet, dass die Laufzeiten-Verlängerung den technologischen Wandel blockiert.

n-tv.de: Der Bundestag hat heute Morgen des verstorbenen Abgeordneten Hermann Scheer gedacht. Und am selben Tag verlängert das Parlament die Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke.

Josef Göppel: Manchmal nimmt das Leben eigenartige Wendungen. Die Flaggen auf Halbmast sind zu Ehren des verstorbenen Abgeordneten Hermann Scheer. Man kann es aber auch so interpretieren, dass aus seiner Sicht die heutige Abstimmung die Flaggen auf Halbmast bringen würde.

Sie haben im Bundestag gegen die Verlängerung der Laufzeiten gestimmt. Sind Sie manchmal ein bisschen neidisch auf Umweltpolitiker anderer Parteien?


Ich bin in der Union sehr gut aufgehoben. Für mich gehört die Sorge um die Schöpfung zu den Kernbestandteilen der Unionspolitik. Ich bin seit meinem 20. Lebensjahr Mitglied der CSU, das sind inzwischen 40 Jahre, ich habe viele Wahlen für die CSU gewonnen und in den meisten deutlich mehr Stimmen bekommen als die Partei. Ich sehe das als Bestätigung meiner Linie.

Die umweltpolitische Sprecherin Ihrer Fraktion hält Leute wie Sie für "Gutmenschen" und Klimaschutzpolitik ganz offenkundig für einen Fehler.

Ich betreibe Umweltpolitik aus fachlicher und innerer Überzeugung - ich bin Förster, und so bin ich auch zur Umweltpolitik gekommen. Ob das jemand Gutmenschentum nennt, ist mir gleichgültig.

Der CSU-Politiker Josef Göppel ist Obmann seiner Fraktion im Umweltausschuss des Bundestags. Seit 1991 leitet er den Umweltarbeitskreis der CSU.

Warum sind alle, die sich in der Union "konservativ" nennen, vehemente Befürworter der Kernkraft, aber niemals Umweltpolitiker?

Viele, die sich in der Union konservativ nennen, sind wirtschaftsliberal, für einen starken Staat, aber wenig auf die Bewahrung der Schöpfung hin ausgerichtet. Ich halte das für den Zerfallskern der Union, wenn es nicht korrigiert wird. Mit zunehmender Globalisierung und fortschreitender technischer Zivilisation wächst die Sehnsucht der Menschen nach Gesundheit, nach Natur. Wenn eine konservative Partei dies nicht politisch umsetzt, ist es der Keim zu ihrer Abwahl.

Der Grünen-Energiepolitiker Hans-Josef Fell wirft der Koalition vor, sie wolle den Vorrang der erneuerbaren Energien bei der Netzeinspeisung beenden und stattdessen Atomstrom den Vorrang geben. Hat er recht?

Es gibt in der Union tatsächlich Rufe, auf die erneuerbaren Energien einen Deckel zu setzen, so dass nur eine bestimmte Menge noch ausgebaut werden dürfte. Ich hielte das für einen Fehler, weil wir damit unsere technologische Spitzenstellung auf dem Sektor erneuerbare Energien in der Welt verlieren würden. In vielen Ländern gibt es ein großes Vertrauen zur deutschen Technik, bei den erneuerbaren Energien gelten wir als diejenigen, die am weitesten sind und die es am besten können. Wenn wir diesen technologischen Wandel jetzt abbrechen würden, um Zeit zu gewinnen oder überkommene Strukturen zu bewahren, dann würden wir im Welthandel schweren Schaden erleiden.

Wäre es bei der "Brücke" der Atomkraft ins Zeitalter der Erneuerbaren nicht sinnvoller gewesen, nach dem Motto zu handeln "Wir bauen die Brücke, wenn wir wissen, wie lang sie sein muss?"

Das ist genau einer der Gründe, warum ich mit Nein gestimmt habe. Ich habe in meiner Fraktion den Antrag gestellt, in das Atomgesetz Zwischenbilanzen einzubauen, um zu sehen, wie weit jeweils die Erneuerbaren sind, und daraus dann die noch nötigen Reststrommengen abzuleiten. Was jetzt passiert, ist eine Festlegung von Reststrommengen, die auf jeden Fall abgefahren werden können. Das blockiert nach meiner Überzeugung den notwendigen technologischen Wandel.

Verteidigungsminister Guttenberg ist seit einiger Zeit für zwei Ämter im Gespräch, die derzeit gar nicht zu vergeben sind: für den CSU-Vorsitz und als Bundeskanzler...

Ich glaube, dass diese Spekulationen verfrüht sind.

In seiner Zeit als Wirtschaftsminister hat Guttenberg ein paar Sätze gesagt, die nachhaltiger und ökologischer klangen als man das von Wirtschaftsministern bis dahin und auch seither gewohnt ist. Wie ist Guttenberg auf den Gebieten Umwelt- und Klimaschutz einzuschätzen?

Da verweise ich auf seinen persönlichen und familiären Hintergrund. Guttenberg hat ländliche Wurzeln, von daher auch einen emotionalen Zugang zur Bewahrung der Schöpfung. Ich weiß aus seinen Diskussionsbeiträgen aus der Zeit, bevor er Minister wurde, dass die ökologischen Fragen ganz selbstverständlich zu seinem Weltbild und zu seiner Politik gehören.

Er ist also kein Konservativer von der Sorte, die Sie gerade beschrieben haben?


Ja, da werden die sich noch wundern.

Welche Koalitions-Konstellation wäre für Klima und Umwelt aus Ihrer Sicht die günstigste?

In jeder Koalition sind andere Schwierigkeiten zu lösen, eine Idealkonstellation sehe ich da nicht. Ich habe als Mitglied des Bundestags drei verschiedene Koalitionen mitgemacht und stelle fest, in jeder Konstellation gibt es Dinge, die man leichter voranbringt, dafür andere wieder schwerer. Ich richte mich in jeder Konstellation auf Interessenauseinandersetzungen und schwierige Argumentationen ein. Entscheidend ist, dass man nie die Geduld verliert und das eigentliche Ziel im täglichen Kleinkram nicht aus den Augen verliert: ein Leben und Wirtschaften im Einklang mit der Natur.

Mit Josef Göppel sprach Hubertus Volmer