Diskussion über Atomkraftverlängerung in der Union

Frankfurter Rundschau vom 15. September 2010

AKW-Deal unter Vorbehalt

Verfassungsrechtliche Zweifel in der Union


Von Joachim Wille

Auch innerhalb der Union wächst die Kritik am schwarzgelben Beschluss zu den AKW-Laufzeitverlängerungen. In der jüngsten Sitzung der Unions-Bundestagsfraktion gingen Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und der CSU-Umweltpolitiker Josef Göppel auf Distanz zu dem Plan, die Kraftwerke um acht bis 14 Jahre länger am Netz zu lassen. Lammert äußerte nach Informationen der Frankfurter Rundschau Zweifel, ob der Beschluss rechtlich Bestand haben werde.

Schwarz-Gelb will das Atomgesetz ohne den Bundesrat ändern. Dagegen sowie gegen den Zusatzvertrag zwischen Regierung und Atomwirtschaft, der die Nachrüstungsinvestitionen für die AKW deckelt, plant die SPD Verfassungsklagen. Göppel schlug in der Sitzung vor, die Laufzeitverlängerung unter Vorbehalt zu stellen. 2019 solle eine "Zwischenbilanz" zur tatsächlichen Entwicklung des Ökostrom- und Netzausbaus gezogen werden, um daraus abzuleiten, wie viel Atomstrom dann noch notwendig ist. Göppel sagte: "Nur wenn man so vorgeht, macht das Wort Brückentechnologie einen Sinn." Andernfalls verhalte Schwarz-Gelb sich nicht besser als die rotgrüne Bundesregierung, der man vorgeworfen habe, beim Ausstieg die Restlaufzeiten willkürlich festgesetzt zu haben.

Der CSU-Politiker sagte der Rundschau, nach der Sitzung hätten sich viele Teilnehmer zustimmend geäußert. Dies sei "eine Möglichkeit, wieder mehr Glaubwürdigkeit zu bekommen". Andere Abgeordnete meinten, ein Vorbehalt sei den AKW-Betreibern aus Gründen der Investitionssicherheit nicht zuzumuten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Fraktionschef Volker Kauder äußerten sich auf der Sitzung nicht. Vehement ergriff allerdings der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion Joachim Pfeiffer das Wort. Er soll Umweltminister Norbert Röttgen aufgefordert haben, klarzustellen, dass er keine Zweifel an der juristischen Durchsetzbarkeit der Atomnovelle habe. Den Informationen zufolge sprach der Minister daraufhin ausführlich zu anderen Aspekten des Energiekonzepts, hielt sich zum Thema Bundesratszustimmung aber bedeckt.

Bayern, Hessen und Baden-Württemberg beanspruchen für die Länder mit Atomkraftwerken die Hälfte des Anteils der Zusatzeinnahmen aus dem Atomkompromiss. Grüne und SPD nannten die Forderung "dreist". Auch die Stadt Frankfurt möchte teilhaben: An vorderster Stelle müssten Städte bedacht werden, die selbst oder über ihre Unternehmen in erneuerbare Energien investierten, erklärte Stadtkämmerer Uwe Becker (CDU) am Dienstag.